Stimmungen schwanken
Wenn ich morgens wach werde, bin ich oft dankbar, dass ich noch lebe, atme, aufstehen kann. Bin ich gut „drauf“, weiß ich, dass ich heute Einiges erledigen werde und dass der Tag mich mit seinen neuen Erfahrungen lockt. Ich spüre in mir eine gute Grundstimmung mit der ich mich auf den Tag freuen kann. Ich muss das Gefühl nicht machen, es ist einfach da. Ich kann den Tag mit Schwung anfangen. Da geht so manches leicht von der Hand.
Aber es gibt auch andere Tage. Da könnte ich mir die Bettdecke wieder über den Kopf ziehen und liegen bleiben, weil mich das Aufstehen nicht reizt. Mich überkommt eine Stimmung, die man als Tristesse bezeichnen könnte. Niemand und nichts wartet auf mich. Oder es liegt so viel an, dass ich es gar nicht anpacken will. Irgendwie fühlt sich das Leben „öde“, langweilig, uninteressant, schwer an. Meine innere Stimme sagt mir: „heute lohnt es sich nicht“, „du verpasst nichts“, „es ist sowieso wie immer“, „bleib liegen“. Natürlich stehe ich trotzdem auf, aber es liegt eine Stimmung auf dem Tag, die mich „runterzieht“. Bis ich dann „in die Gänge“ komme, dauert es. Die Lust, etwas zu tun ist gedämpft. Die schwermütigen Gefühle haben sich durchgesetzt. Es kostet jetzt viel Kraft, mich daraus zu befreien.
Die Stimmungsschwankungen auch in ganz anderen Situationen kennen vermutlich viele, denn kein Tag ist wie der andere. Die Höhen und Tiefen in unserem Gefühlsleben fühlen sich in manchen Zeiten wie Achterbahnfahrten an. Bin ich ihnen ausgeliefert, oder kann ich auf meine Gefühlsfamilie steuernd Einfluss nehmen?
Meine Gefühle haben eine Daseinsberechtigung
Kenne ich die Gefühle, die meine Stimmungen leiten? Gebe ich ihnen die Möglichkeit, dass sie atmen können? Dürfen sich auch die negativen Gefühle zeigen und äußern, ohne dass ich sie gleich wieder wegdrücke, weil sie mir Angst machen? Wie behalte ich sie unter Kontrolle, damit sie mich nicht überfluten? Wie grenze ich sie ein, damit sie mich nicht dominieren? Ich muss auf Spurensuche gehen, um sie zu erkunden. Sie geben mir nämlich Zeichen, ob etwas „stimmig“ oder „unstimmig“ ist. Deshalb haben nicht nur meine positiven, sondern auch meine negativen Gefühle eine Daseinsberechtigung. Sie machen mich aufmerksam auf etwas das gerade nicht rund läuft. Je besser ich mich in ihnen auskenne oder sie sogar beim Namen nennen kann, desto sicherer kann ich sie in meiner Stimmung identifizieren. Bin ich unzufrieden oder ärgerlich, bin ich traurig oder antriebslos? Erst wenn ich meine Gefühle kenne und nicht nur meine schlechte Laune wahrnehme, kann ich mich auch um sie richtig kümmern.
Gefühle wollen wahrgenommen werden
Wenn es mir gut geht, frage ich selten danach, warum ich so zufrieden bin, das Leben gerade mal wieder so leicht ist. Ich nehme es als so selbstverständlich, als wäre das „normal“. Spüre ich aber eine ungute Energie in mir, die mich launisch, sauer, ungenießbar oder traurig macht, fange ich an zu grübeln. Ich frage mich nach dem Sinn meines Lebens, wozu ich mich so anstrengen muss, weshalb ich manches einfach aushalten muss, bemitleide mich mit meinem Zustand. Ich bin nicht in meinem inneren Gleichgewicht.
Schaffe ich es nach dem Grund zu fragen, damit ich mich um diese Gefühle kümmern kann? Wo kommen sie her, warum gerade jetzt? Es wäre gut, wenn ich dieser Stimmung auf den Grund ginge, um herauszufinden, wo sie herkommt. Aber eigentlich will ich diese Gefühle ja nicht haben, deshalb fällt es mir schwer, sie auch noch näher in Augenschein zu nehmen. Schaue ich aber weg, geben sie keine Ruhe. Sie werden nicht aufhören mich zu belästigen, denn sie wollen nicht ignoriert werden. Schaue ich hin, kann ich mich näher an das hinbewegen, was in meiner Seele gerade unausgeglichen ist. Wenn ich Glück habe finde ich sogar die Ursache.
Finde ich die Ursache heraus, habe ich Bedingungen geschaffen, um an meiner Situation und damit auch an meiner Stimmung etwas zu verändern. Ich muss nicht in einem unzufriedenen Grundgefühl verharren.
Ich bin nicht hilflos meiner Stimmung ausgeliefert
Wenn ich mich mit meinen Gefühlen auseinandersetze, die sich ja täglich in meiner Stimmung bemerkbar machen, brauchen sie meine Aufmerksamkeit. Sie tauchen einfach auf. Ich kann sie erst einmal nur hinnehmen. Ich stelle sie mir wie eine große Familie vor, die in meiner Seele wohnt. Es sind viele, die zu dieser Gefühlsfamilie zählen. Alle haben ein Anrecht auf einen Platz in mir, denn sie gehören zu mir. Wem ich keinen Platz gebe, der wird zum Störer. Es sind dann die schwierigen Kinder, die mich viel Aufmerksamkeit kosten. Bei den Gefühlen sind es diejenigen, die ich nicht so gerne haben will. Wer will schon lustlos, langweilig, antriebslos, depressiv oder traurig sein? Überschwemmen sie mich, wollen sie gesehen werden, denn sie reagieren auf etwas in mir, das ich ernstnehmen soll, damit es heilen kann. Sie wollen, dass ich hinschaue, damit ich etwas ändere. Oft machen sie mich auf ein Defizit aufmerksam, das ich beseitigen soll.
Vielleicht liegt diese dumpfe Stimmung oder diese Unzufriedenheit mal wieder daran, dass ich den Kompass, für das, wofür ich in der Welt bin, aus dem Blick verloren habe. Ich weiß ja, dass ich und jeder von uns einen ganz einzigartigen Lebensauftrag haben. Wenn ich den nicht jeden Tag verfolge, hungert meine Seele und trocknet aus. Wenn ich mich frage, weshalb ich in diesen „Gefühlshänger“ gerutscht bin, entdecke ich, dass ich wieder mal nur dem notwendigen Alltag gedient habe, ohne meine Seele mit ihrer Nahrung zu füttern. Ich habe mich nur um das gekümmert, was das tägliche Leben so von mir fordert, aber nicht das im Blick gehabt, was von mir selbst bestimmt und in Gang gesetzt werden will. Meine Seele will Futter aus meinen einzigartigen Begabungen und Talenten, mit denen ich meiner Person Gestalt gebe. Sie braucht nämlich für ihre Zufriedenheit, dass ich meine Person damit verwirkliche, weiterentwickle, nicht stehen bleibe. Sie braucht die Freiheit von dem „banalen“ Alltagsgeschäft, das zwar notwendig ist, aber nicht dazu führt, dass sich meine Person entfaltet. Vorher gibt sie keine Ruhe.
Da jeder von uns einzigartig ist, ist auch das, was jeder zur eigenen Zufriedenheit in seiner Seele braucht, um seine Person zu entwickeln, sehr individuell. Es hat aber immer etwas mit den eigenen Begabungen und Talenten zu tun, mit denen jeder Einzelne sich formt, aber auch das Gemeinwesen bereichert. Es wird von jedem selbst bestimmt, damit sich die Individualität entwickelt, mit der jeder sein Lebensziel erreichen will. Unsere Stimmung zeigt uns das meist sehr deutlich, ob wir den Gefühlen, die unseren Lebensauftrag eng begleiten gerecht werden.
Eine Tagesstruktur unterstützt Zufriedenheit
Damit ich ausgeglichen und zufrieden durch mein Leben gehen kann, ist mir deutlich geworden, dass ich jeden Tag, unabhängig von den alltäglichen Dingen, die ich sowieso machen muss, meinen Lebensauftrag in den Blick nehme. Dabei hilft mir mein Zeitmanagement. Ich brauche eine gute Tagesstruktur, die mich stützt, das zu tun, was ich mir vorgenommen habe. Das bewahrt mich davor, meine Zeit zu „verplempern“, sie vielmehr gezielt für das zu nutzen, womit ich mir meine Lebenszufriedenheit einspielen kann.
Ich strukturiere meinen Tag jetzt als Rentnerin so, dass ich mein Wichtiges - es ist momentan der Garten, Lesen und Nachdenken, damit ich schreiben kann - immer in meine gute Zeit lege. Für mich als Eule ist die Zeit zwischen 10.00 und 12.00 die Zeit, die ich mir dafür freihalte. Vorher gibt es noch Zeit zum Beten und für Yoga. Am Nachmittag halte ich mir 1 Stunde frei für Sport, Telefonate, Gespräche über skype. Den Rest des Tages verbrauchen die notwendigen Dinge des Alltags, wie kochen, putzen, waschen, bügeln.
Ich merke ganz schnell, wenn ich mich nur mit den notwendigen Dingen beschäftige, dann fühlt sich das Leben gleich so stumpf an. Ich spüre spätestens am Abend an meiner Laune, ob ich mich wieder mal nur an Kleinkram aufgehalten, oder mich intensiv mit dem beschäftigt habe, was meiner Seele gut tut, mit der ich ja auf mein Lebensziel zusteuern will. Dazu gehört nicht nur die Beschäftigung mit dem was ich als Wichtig entscheide, sondern auch die körperliche Bewegung. Denn ohne sportliche Betätigung wird auch mein innerer Antrieb gedämpft.
Ich habe es in der Hand, meine Zufriedenheit weitestgehend, sowohl durch eine gezielte Tagesstruktur, wie auch durch die tägliche Umsetzung meiner wichtigen Planungen zu steuern. Selbst in Zeiten wie Corona, in denen bestimmte Vorgaben von außen mein Leben einschränken, bin ich meiner Stimmung nicht einfach ausgeliefert. Ich bin frei mich nicht von äußeren Bedingungen abhängig zu machen. Meine innere Zufriedenheit nährt sich aus dem, was ich selbst verwirklichen will, unabhängig von dem was von außen von mir gefordert wird. Dafür brauche ich allerdings Disziplin. Wenn ich also morgens nicht aufstehen will, oder sonst irgendwann am Abend schlechte Stimmung spüre, kann ich mich fragen: “habe ich heute meine Selbstbestimmung wahrgenommen und das Wichtige für mein Seelenleben gemacht?“
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