Vor der eigenen Tür kehren Foto: hinsehen.net

Individualität ist nicht individualistisch

Nachdem ich bereits 70 Beiträge veröffentlicht habe mache ich Bestandsaufnahme. Bin ich noch an meinen Lesern und Leserinnen „dran“ oder muss ich etwas verändern? Bin ich zu individualistisch und zu wenig politisch?

Auf meine Beiträge bekomme ich Rückmeldungen, dass meine Texte anregend sind, einige sich auch in meinen Gedanken wiederfinden, Anregungen für das eigene Leben aufnehmen.  Mit meinem Format in Ich-Aussagen zu schreiben, bleibe ich natürlich sehr persönlich. Ich erzähle von meinen Erfahrungen, bin nahe an den Geschehnissen. die ich erlebe, die ich erfahre, die mich aber auch in meinen Entscheidungen und Handlungen unterstützen.
Dann gibt es aber auch andere Rückmeldungen an mich, ob mein Ansatz nicht zu individualistisch ist, ob mein Blick nicht zu sehr auf mich gelenkt ist, ich die Probleme der Welt außen vor lasse.

Wie kann ich mein Format verantworten?

Muss auch ich noch zu den Missbrauchsfällen meiner Kirche zur Flüchtlingsproblematik, dem Dieselskandal oder dem Rechtspopulismus öffentlich Stellung nehmen? Ständig werden wir von den Medien, vor allem von den Neuen, aufgefordert, uns zumindest emotional zu positionieren, aber auch die Missstände, die Fehlleistungen der Politiker und die vielen anderen Ungerechtigkeiten in dieser Welt wahrzunehmen und uns für die Änderung der Zustände einzusetzen. Nachdem die katholische Kirche wegen der Missbrauchszahlen als moralische Instanz ausfällt, müssen die Medien noch mehr anheizen damit wir auch noch auf die Straße gehen. Woher kommt das, dass wir uns ständig um etwas kümmern sollen, was außerhalb unseres Wirkungsbereiches liegt, uns aber emotional einspannt und trotzdem nicht auf die Straße gehen?

Ich muss in mir eine Struktur entwickeln

Nein, wenn auch ich noch darin einstimme, verlagere ich das, was ich selbst regeln muss, nach außen auf die Probleme anderer. Ich würde den Druck auf die Zustände zwar erhöhen, aber es geht doch darum, dass die Menschen selbst für sich einen Standpunkt entwickeln, der sie in ihren Entscheidungen stark macht. Ich würde die Energien, die ich für das brauche, was ich zu regeln habe, damit ich anderen nicht zur Last falle, an Situationen außen, die ich nur begrenzt beeinflussen kann, binden. Damit stehe ich in der Gefahr, dass ich meine Dinge nicht regle. Das hat dann mittelfristig zur Folge, dass mein Leben durcheinander gerät, so dass ich andere zur Lösung meiner Probleme benötige. Wenn jeder seine Situation in den Blick nimmt, das regelt, was es für das eigene Leben zu regeln gilt, erst dann ist er, ist sie in der Lage, dem Missbrauch oder der Manipulation durch andere zu widerstehen. Das gilt auch im Besonderen für Führungskräfte in den Institutionen und Unternehmen.
Würde jeder erst einmal vor seiner Haustüre kehren, bräuchte niemand einschreiten. Menschen wie Institutionen, die uns zwingen, sich mit ihren Fehlleistungen auseinanderzusetzen, zeigen mir, dass es zu Wenige gibt, die sich in den Institutionen dem Missbrauch entgegenstellen, seien es  sexuelle, Diesel- oder Zinsmanipulationen. Es würde auch nicht so lange dauern, bis die Opfer sich endlich melden. Vielmehr würden Mitglieder der Institution frühzeitig darauf dringen, dass Fehlentwicklungen von innen korrigiert werden. Wenn jeder persönlich, besonders die Führungskräfte in den Institutionen ihre Schwierigkeiten in Angriff nähmen, hätte jeder von uns eigentlich genug Arbeit. Wir müssten uns dann nicht ständig mit den Nachlässigkeiten anderer befassen.

Ausgenommen Hilfsbedürftige

Es gibt natürlich Menschen, die Hilfe brauchen. Dafür gilt dann auch das Engagement im Ehrenamt.  Wo ich nicht im fernen Afrika etwas bedauern muss, sondern hier vor Ort meine Möglichkeiten einbringen kann. Für Afrika kann ich Geld spenden oder beten, hier in meinem Umfeld kann ich Hilfsbedürftigen in direkter Weise helfen. Ich kann sie unterstützen, sie begleiten, etwas für sie erledigen. Für mich ist dieser Einsatzort die Notfallseelsorge.

Jeden Tag den Kurs bestimmen

Für mich wird immer deutlicher, dass nur der wirklich aktiv helfen kann, der seine Probleme im eigenen Haus bearbeitet. Dafür brauche ich jeden Tag den Blick auf mein Leben, auf das, was ich tue, was ich unterlasse oder wo ich Fehler mache. Erst dann finde ich Orientierung für das, was meine Aufgabe ist. Es geht nicht darum, anderen zu erklären, was ihre Aufgabe ist, sondern meine Aufgabe zu finden. Wenn ich mich nur mit dem Außen beschäftige, droht es zur Flucht aus dem eigenen Chaos zu werden.    

Mein Resümee: Ich bleibe weiter bei der Ich- Perspektive, um andere zu ermutigen, ihr Eigenes zu entwickeln, um nicht aus den Medien, sondern aus sich selbst die Kraft zu entwickeln, gegen Missstände anzugehen.



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