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Gott ist nicht wie Alexa

„Alexa mach!“ Alexa kann ich Aufträge erteilen. Wenn ich sie eingeschaltet habe, nimmt sie diese auch an. Sie verhält sich wie eine Hausangestellte, erledigt die Aufgaben. Sie kann aber nur die Aufträge einlösen, die ich oder andere ihr einprogrammiert haben.

Bitten als Aufträge formuliert

Wenn ich Gott um etwas bitte, bin ich auch schnell versucht, die Bitte als einen Auftrag an ihn zu formulieren. „beende doch endlich ....“, oder „mach doch, dass ...“
Ich habe natürlich die Erwartung, dass er dann auch auf meine Bitten reagiert, dass das eintritt, um was ich ihn anrufe.
Mit Bitten, die ich an Gott als Aufträge formuliere, delegiere ich aber an ihn meine Mitverantwortung für das Gelingen. Damit kann ich passiv bleiben, kann abwarten, ob Gott meine Bitten einlöst. Ich muss nicht selbst etwas tun, damit sich meine Situation ändert. Er muss aktiv werden, damit sich meine Bitten verwirklichen. Erfüllt er sie nicht, beginne ich an Gott zu zweifeln, beklage mich, grenze ihn vielleicht sogar aus meinem Leben aus, weil ich mich frage:

„Wofür brauche ich eigentlich einen Gott, wenn er auf meine Bitten und die Übel der Welt nicht reagiert!“

Gott ist kein Dienstleister

Mein Gegenüber im Gebet ist aber kein Auftragnehmer, den ich für meine Belange als Dienstleister in Anspruch nehmen kann. Wenn ich ihm Aufträge erteile, ihn bitte er soll machen, soll tun, behandle ich ihn ja wie Alexa. Er soll mir gehorchen, soll meine Ansprüche erfüllen. Ist es nicht gerade umgekehrt? Bin nicht ich gefordert, seinen Ruf an mich zu hören, auf seine Botschaft aufmerksam zu sein? 

Mit der Energie des Geistes

Wenn ich Gott nicht als Auftragnehmer sehe, wie verstehe ich ihn dann:
Gottes Geist ist für mich immer da. Er ist wie ein ausgespanntes Netz in allem, was mich umgibt. Er ist in der Luft, die ich atme, im Wind wie im Wetter, in den Begegnungen mit Menschen, in den Augen, die mich anschauen, in den Pflanzen und Tieren um mich herum, aber er ist nicht mein Butler.
Er sichert mit seinem „Dasein“ mein Leben. Ich spüre seine Kraft, die sich in mir als Energie ausbreitet. Diese Energie legt sich als lebendiges Potential in meine Seele. Mit ihr bin ich aufgerufen, mein Leben zu gestalten.
Wenn ich in Not gerate oder Hilfe brauche, kann ich Gott natürlich anrufen, ich kann ihn bitten „da zu bleiben“, damit meine Energie nicht versiegt. Ich kann mich innerlich mit dieser Kraft noch mehr verbinden, damit ich, gestärkt durch sie, die Ereignisse bewältigen kann. Ich kann auch darum bitten, dass ich aufmerksam bin auf das, was er mir in der aktuellen Herausforderung mitteilen will.

Für neue Lösungen öffnen

Wenn ich bete oder bitte, nehme ich Beziehung zu Gott auf und eröffne in mir einen größeren Raum, in dem der heilige Geist wirken kann  - „wie er will.“
Deshalb macht es keinen Sinn, im Bittgebet Gott auf etwas Konkretes festzulegen. Ich muss ihm die Freiheit lassen, auf meinen Anruf in seiner Weise zu antworten. Das heißt aber nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Wenn ich Gott bitte, dann tue ich das in einer Situation, in der ich mit meinen Möglichkeiten nicht mehr weiterweiß. Gebe ich dann Gott einen Auftrag, es so zu machen, wie ich es mir vorstelle, schränke ich viele Möglichkeiten ein, auf die ich selber nicht gekommen bin. Es kann aber Lösungen geben, die ganz überraschend auftauchen. Wenn dann allerdings neue Lösungen sichtbar werden, die ich noch nicht eingeplant habe, liegt es an mir, das Neue zuzulassen, um so meinen Teil dazu beizutragen, damit es gelingt. Denn Gott zwingt mich nicht, auf ihn zu hören. Er zeigt mir aber Lösungen, wenn ich achtsam bin.
Deshalb ist ein Kriterium für das Bittgebet auch, dass ich so bete, dass ich achtsam werde und so aufmerksam für neue Lösungen werden kann.

Nicht an meiner Freiheit vorbei

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, wenn es um mein Bitten geht:
Gott will das Gelingen meines Lebens, aber nicht an meiner Freiheit vorbei. Würde er meine Bitten eins zu eins realisieren, würde er mich, obwohl es meine Bitten sind, in die Unfreiheit setzen. Denn wenn Bitten so funktionieren, kann ich mich zur Ruhe setzen. Ich kann mich dann immer auf Gott beziehen und ihm das „Machen“ überlassen. Dann würde er es richten, sich einmischen und mir sogar meine Entscheidungen abnehmen, die mir zu schwierig sind. Er wird dann aber auch zu dem Schuldigen gemacht, wenn es nicht gelingt. Wenn ich das weiter durchdenke, dann werde ich ins Nichtstun abgedrängt. Ich würde zu einer Marionette, die immer mehr von Gott gelenkt werden müsste. Gott will aber meine freie Entscheidung.

Ich habe die Wahl

Da Gott mich nicht unmündig oder unfrei will, habe ich auch die Wahl, Gott aus meinem Leben auszugrenzen. Ich bin nicht gezwungen, den Bund, den er mir mit meiner Geburt angeboten hat, einzugehen. Ich bin frei, Gott nicht zu trauen. Ich bin frei zu sagen, dass ich keinen Gott brauche, sogar zu sagen, dass es Gott nicht geben kann, weil die Naturwissenschaft alles erklärt. Wenn nicht heute, dann irgendwann.  
Wenn ich aber glaube, dass alles, was ich tue, auch ohne Gott geht, alles naturwissenschaftlich erklärbar ist, ich alles über die linke Hirnhälfte selber machen kann, unterschätze ich die Kräfte, die im Unsichtbaren wirken.
Ich brauche dann andere Erklärungsmodelle für das, was nicht wissenschaftlich greifbar ist, wofür ich keine Ursache angeben kann. Denn wir sind von vielen Phänomenen in unserem Leben umgeben, die wirken, obwohl wir sie nicht sehen, jedoch spüren können. Es gibt Ereignisse in meinem Leben, die ich nicht kalkulieren kann, die sich aus einer anderen Energie als der eigenen speisen, die gängigen Erklärungen nicht genügen. Wie gehe ich damit um?

Eine lebenslange Entwicklung

Wie hat sich meine Sichtweise entwickelt? Es klingt alles so lehramtlich, was ich oben beschrieben habe. Aber ich habe das nicht aus Büchern, sondern aus den Erfahrungen meines Lebens. Schon als junge Frau entwickelte ich ein besonderes Gespür für das, was zwischen Menschen passiert, für die Atmosphäre in der Familie, in der Schule und später auch in Gruppen. Mein Weg zu Gott war aber holprig. Gott war mir eher fern, denn für mich als junge Frau spielte er erst einmal nicht die wichtige Rolle. Als ich mit den Jahren diese unsichtbare, erlebbare Beziehungsqualität zwischen Menschen immer deutlicher wahrnehmen lernte, spürte ich, dass es etwas geben muss, das mächtiger, größer ist als wir Menschen. Etwas, das wirkt, ohne dass ich es erklären kann. Das heißt nicht, dass ab jetzt das Leben leichter wurde, nur noch Friede und Freude herrschte. Aber als ich mit religiösen Gruppen auch beruflich zu tun hatte, erlebte ich im Umgang mit ihnen Achtung und Wertschätzung - auch in harten Auseinandersetzungen. Vergeben und Verzeihen war möglich. Mich inspirierte, welche Rolle Gott in ihrem Leben einnahm. Ich fühlte mich hingezogen, wenngleich ich meinen Zugang zu Gott noch finden musste.

Gott trägt die Gemeinschaft

Wenn Gott in Gruppen da sein kann, fühlt sich das Zusammenwirken anders an als in Gruppen, in denen Gott ausgegrenzt wird. Für mich gibt es mehr Grundsicherheit für meine Person auch dann, wenn es schwierig wird. Da gibt es einen gemeinsamen Urgrund, auf den ich mich beziehen kann. Es gibt Verständigung auf einer Ebene, die meine Persönlichkeit respektiert, auch bei unterschiedlichen Auffassungen.

Vertrauen in die Kraft des Geistes

Nach meiner Beobachtung spiegelt sich allerdings das Grundgefühl, dass Gott unser menschliches Zusammenleben trägt, kaum in den Gebeten wider. Vor allem wenn es um das Bitten geht, wird noch immer ein Eingreifen von „oben“ erwartet, ohne dass die Gegenwart Gottes als die lebenstragende Macht unter uns ins Wort gebracht wird. Dadurch erklärt sich die Verengung des Bittgebetes, nämlich, dass Gott von außen eingreifen soll, obwohl er bereits gegenwärtig, mit seinem Geist mitten unter uns ist.
Je mehr ich mich mit Gott beschäftige, desto deutlicher kann ich erkennen, welche Rolle das Gebet in meinem Leben einnimmt. Es scheint eine lebenslange Aufgabe zu sein, denn mein Gottesbild hat sich in den Jahren sehr verändert. Auch haben mich außerordentliche Ereignisse, Verlust von Menschen, kritische Lebenssituationen, die mir widerfahren sind, nicht von Gott entfernt, sondern nähergebracht. Ich konnte hautnah spüren, wie mich der Geist Gottes durch innere Not aus den Tiefen herausgetragen hat.

Ordnung in diese Erfahrungen haben für mich auch die religiösen Stufen der Entwicklung von Fritz Oser gebracht.

Links:
Zu Osers Entwicklungsstufen "Ist beten fromm?"
Warum ich mich für das Gelingen des Ganzen einsetzen sollte: Gelingen gelingt nur in einem Größeren


Kategorie: Verstehen

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