Ravenna Sant’Apollinare Nuovo, Foto: hinsehen.net E.B.

Charaktermuster – ihre Stärken, ihre Entwicklungs-Chancen

9 ganz verschiedene Charaktermuster bestimmen unser Verhältnis zur Welt. Enneagramm heißt diese Charakterologie, darin steckt das griechische Wort für die Neun. Jedes dieser Muster hat einen bestimmten Blick auf das Leben. Sie helfen mir, mich an mein persönliches Muster heranzutasten. Ich kann mich dann nicht nur besser auf meine Stärken verlassen, sondern sehe auch meine Schwachstelle deutlicher.

Mein Muster herausfinden

Jedes Muster hat seine Qualitäten, seine Schattenseiten, aber auch sein Entwicklungspotential. Den eigenen Charakterschwerpunkt zu kennen, hilft, das eigene Charaktermuster deutlicher zu sehen. Ich erkenne die Stärken meines Musters, aber auch die Schattenseite meiner Stärke, die mich immer wieder in die gleiche Engführung geraten lässt. Ich kann auch besser verstehen, weshalb ich die schwierigen Situationen, in die ich immer wieder gerate, meist selbst produziere. Das heißt aber nicht, dass ich meinem Schatten hilflos ausgeliefert bin.

Ich stolpere über meinen Schatten

Ich muss mich nicht mit den Schwierigkeiten, die mir mein Charaktermuster stellt, abfinden. Erkenne ich die Anteile, die mich immer wieder scheitern lassen, kann ich neue Verhaltensweisen entwickeln. Das Enneagramm zeigt mir dafür sogar die Richtung, in die ich mich entwickeln kann. Hier weiterlesen

Im Folgenden sind die neun Charaktermuster in Kurzform mit ihren Stärken, Schwächen und ihrer Entwicklungsrichtung beschrieben. Aus jedem der 9 Muster wird auf eine längere Erklärung verlinkt.

Stärken, Fallen und Entwicklung meines Musters

Perfektionisten
Stärke:

Sie sind stets korrekt und achten darauf, dass alles stimmt. Sie erkennen schnell Fehler. Sie sind verlässlich und klar.

Falle:
Sie neigen zur Unzufriedenheit mit der Welt, weil so vieles nicht perfekt ist. Daher sind sie meistens streng, nörgeln, wenn sie Fehler entdecken. Das führt zu Konflikten mit denen, die sich nicht so unter Druck bringen lassen wollen.

Entwicklung:
Nicht ganz so streng auf die Welt schauen. Auch mal Fünfe gerade sein lassen. Etwas von der Leichtigkeit des Charaktermusters der Unterhaltsamen in sich entwickeln.

 

Helfer
Stärke:

Sie können gut mitfühlen, sehen die Not anderer, sind hilfsbereit, großzügig. Sie sind oft mit großem Engagement ehrenamtlich tätig. Sie gehen auch häufig bis an ihre Grenzen.

Falle:
Helfer machen Vieles für andere und verlieren dann oft den Blick für ihre eigene Hilfsbedürftigkeit. ( hilflose Helfer) Sie nehmen ihre Grenzen oft erst wahr, wenn sie schon kurz vor dem Burnout stehen. Ihr unermüdlicher Einsatz für andere lässt sie auch manchmal übergriffig werden d.h. sie helfen, ohne zu fragen ob der oder die andere die Hilfe überhaupt will. Nicht gebraucht werden ist für sie schwer auszuhalten.

Entwicklung:
Für Helfer ist es gut, wenn sie sich Auszeiten nehmen. Zeit für sich selber reservieren, sich um das eigne Innenleben kümmern. Da helfen z. B. Exerzitien, Joga. Meditieren, Gebetsrituale und Lesen. Helfer können vom Charaktermuster der Besonderen lernen. Sich etwas Gutes tun.

 

Erfolgreiche
Stärke:
Sie spüren was sie machen müssen, damit sie Erfolg haben. Sie haben einen guten Draht zu Personen, die „wichtig“ sind. Sie können sich sehr gut „in andere einfühlen“. Das macht sie auch im Kontakt mit anderen sehr geschmeidig. Sie sind gute Strategen.

Falle:
Für Erfolgreiche hat der Erfolg höchste Priorität. Es geht um das Ergebnis, weniger um den Weg oder die Menschen. Oft sind sie Einzelkämpfer. Ist der Erfolg nicht gewährleistet oder scheint ein Projekt zu scheitern, verlassen die Erfolgreichen das Schiff. Scheitern bringt sie an die Grenzen des Erträglichen. Sie fallen wie hilflos in ein Loch, aus dem sie sich schwer befreien können. Ihre Frustrationstoleranz ist nur gering ausgebildet.

Entwicklung:
Damit sich die Erfolgreichen weiterentwickeln, brauchen sie die Erfahrung, dass mit dem eigenen Scheitern nicht gleich ihr Leben vernichtet wird. Auch die Erfahrung, dass sie auch dann gemocht sind, wenn sie nicht mit Erfolgen aufwarten, dass es den anderen um die Person geht und nicht darum, welche Ergebnisse sie abliefern. Für die Erfolgreichen ist es auf dem Entwicklungsweg hilfreich, sich anderen anzuschließen, im Team zu arbeiten. Das können sie an den Loyalen ablesen, nämlich die Fähigkeit, mit anderen an einem Strang zu ziehen. Den Erfolgreichen hilft in Schwierigkeiten, den eigenen Focus nicht ausschließlich auf das Ergebnis, sondern auch auf die Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit zu legen.


Besondere
Stärke:
Sie kennen sich in ihrem Innenleben meist gut aus, können sich in das Seelenleben anderer einfühlen. Deshalb finden wir sie auch oft in Berufen, die sich mit Menschen in psychischer Not befassen. Sie haben ein besonderes Gespür für die Grenzen zwischen Leben und Tod. Sie erleben sich anders als andere, das macht sie zu etwas Besonderem. Sie erleben die normale Welt eher oberflächlich und fühlen sich deshalb auch oft in diesem Leben nicht verstanden.

Falle:
Durch die Hinwendung auf die eigene Seele verlieren sie manchmal den Kontakt mit der Realität. Sie können sich dann aus dieser „schrecklichen“ Welt wegträumen. Das führt dazu, dass sie sich auch in Gruppen nicht dazugehörig erleben. Sie tauchen dann aus ihrem Schmerz und das Leiden an dieser Welt ab. Dort jedoch fehlt ihnen der realistische Blick. Mit ihrer besonderen Nähe zu den tieferen Dimensionen des Lebens sind sie für andere auch manchmal anstrengend, weil es dann oft nur um sie selbst geht. Ihre Fähigkeiten, sich in etwas Schönes wegzuträumen, um die banale Welt auszuhalten, macht sie dann zu Träumern.

Entwicklung:
Für die Besonderen ist es wichtig, ihre Wahrnehmung mit einer realistischen Brille zu überprüfen. Sie können sich am Charaktermuster der Perfektionisten orientieren, die sich fast ausschließlich an der Realität orientieren, denn sonst könnten sie die Fehler der anderen ja nicht erkennen. Für die Besonderen heißt es, auch dann aktiv zu bleiben und durchzuhalten, wenn das Leben gerade mal banal oder trivial ist.

 

Wissende
Stärke

Sie haben eine hohe Kapazität, Wissen zu sammeln und zu speichern. Sie lesen gerne und viel. Haben Lust daran, sich immer neues Wissen anzueignen. Wir finden sie oft in wissenschaftlichen oder lehrenden Berufen. Sie können das Wissen wie in einem Lexikon speichern.

Falle:
Weil sie so wissensdurstig sind, können sie eher etwas aufnehmen als anderen etwas abzugeben. Sie brauchen lange um eine Diplomarbeit oder andere schriftliche Arbeiten fertigzustellen. Weil sie Sorge haben, es könnte noch etwas fehlen, tun sie sich schwer eine Arbeit rechtzeitig fertig zu stellen. Beim Kauf einer größeren Anschaffung überprüfen Sie alle Eventualitäten, lassen sich überall beraten, holen möglichst alle Informationen ein. Da kann es sein, dass der Kauf sich über Monate hinzieht. In der Kommunikation mit anderen wissen sie oft alles besser, können belehren, was auf die Dauer niemanden erfreut. Es fehlt dann auch an Sensibilität für andere, ob sie das alles wissen wollen oder nicht.

Entwicklung:
Für die Wissenden ist das „Tun“ ganz wichtig. Sich nicht noch an den letzten Informationen so lange aufzuhalten, bis die Zeit verstrichen ist oder die Anschaffung sich schon fast überholt hat. Wissende müssen ihren Wissensspeicher anderen zur Verfügung stellen, die damit etwas Konkretes anfangen. Im Umgang mit anderen Menschen tut es gut, wenn sie mehr Feingefühl für die Reaktionen der anderen entwickeln. Dafür sollten sie sich an den Einflussreichen ausrichten, um ins Tun zu kommen. Dann wird aus ihrem Wissen mehr als das was in ihrem Gedächtnis gespeichert ist.

 

Loyale
Stärke:
Sie sind verlässliche, treue, eben loyale Menschen, die sich gerne in der zweiten Reihe aufhalten. Integren Chefs arbeiten sie hilfreich und sorgfältig zu. In einem Team sorgen sie dafür, dass es den anderen gut geht. Sie halten eine Gruppe zusammen. Absprachen und Regeln sind ihnen wichtig.

Falle:
Ihre Zweifel an ihren eigenen Fähigkeiten verhindern, dass die Loyalen mit ihren Talenten mehr aus sich machen. Sie sind zu bescheiden, wenn es darum geht, die eigenen Kompetenzen ins Spiel zu bringen. Man könnte auch sagen, dass sie ihre Qualitäten selbst nicht ernst nehmen. Das führt dazu, dass andere an ihnen vorbei marschieren.  

Entwicklung:
Für Loyale bieten sich die Friedfertigen als Entwicklungsperspektive an. Die Gelassenheit des friedfertigen Musters unterstützt die Loyalen darin, ihre Ängste und Zweifel auszuhalten ohne panisch zu werden. Können sie gelassener auf etwas zugehen, kommen ihre Qualitäten auch mehr ins Spiel. Dann ist auch die Arbeit an der Front für sie möglich.

 

Unterhaltsame
Stärke:
Ein Witz hier, eine unterhaltsame Anekdote da. Das sind die Qualitäten der Unterhaltsamen. Sie können einen ganzen Saal zum Lachen bringen. Sie werden gerne in Gesellschaften eingeladen, weil sie ohne Verkrampfung auf andere zugehen können. Sie sind unkompliziert und locker. Mancher Unterhaltsame lebt seine Talente in Kabaretts oder Komödien aus. Sie wollen dem Leben etwas Leichtes, Lustvolles abgewinnen.

Falle:
Manchmal sind die Unterhaltsamen in den Augen anderer einfach zu oberflächlich. Die Kost ist zu leicht, nicht ernsthaft genug. Wenn die Witze nicht geistreich sind, dann wird es sogar manchmal geradezu peinlich. Unterhaltsame tun sich schwer, etwas Angefangenes dann zu Ende zu bringen, wenn es schwierig wird oder sich sogar Konflikte zeigen. Eigentlich könnten sie mit ihren intellektuellen Fähigkeiten in der Kombination mit ihrem Humor viel erreichen.

Entwicklung:
Unterhaltsame entwickeln sich, wenn sie mehr Sorgfalt für angefangene Arbeiten aufbringen. Aus dem Charaktermuster der Wissenden können sie sich das Durchhaltevermögen aneignen, mit dem sie auch Langeweile und widrige Situationen meistern. Sie müssen sich damit abfinden, dass nicht alles im Leben lustvoll oder leicht sein kann. 

 

Einflussreiche-Die Macher
Stärke:
Sie sind „Macher“. Es sind diejenigen in unserer Gesellschaft, die viel in Gang setzen, die sich zutrauen, ihren Einfluss wahrzunehmen. Sie sind meist sehr produktiv, wichtig, nicht zu übersehen. Sie können mehrere Projekte gleichzeitig anstoßen. Ihr Ideenreichtum ist groß. Manchmal besitzen sie auch visionäre Fähigkeiten, die aber von anderen nicht immer so ernst genommen werden.

Falle:
Einflussreiche „machen“ ohne zu fragen. Sie brauchen von niemandem das OK. Was getan werden muss, wird gemacht. Wer mitgeht kann mitgehen. Einflussreiche sind oft auch alleine unterwegs. Arbeiten sie in Teams, haben sie meist das Sagen. Wenn sie einen autoritären Führungsstil praktizieren, müssen sie aufpassen, nicht zum Despoten zu werden. Sie sind innovativ, arbeiten viel. Deshalb haben Einflussreiche oft mehr Projekte „am Laufen“ als sie selbst bearbeiten können. Da bleibt das eine oder andere schon mal auf der Strecke, oder wird zu früh ohne Unterstützung an andere abgegeben. Das führt zum Scheitern von guten Vorhaben.

Entwicklung:
Einflussreiche brauchen für ihre Entwicklung mehr den Blick auf die Menschen mit denen sie unterwegs sind. Es geht nicht nur um die guten Ideen, sowie die Umsetzung der Projekte sondern auch um diejenigen, die in den Projekten mitarbeiten. Es sind die Qualitäten der Helfer, die ihre Charakterfalle ausgleichen, nämlich sich in andere hineinzuversetzen, zu spüren wie es ihnen geht, die die Einflussreichen in ihr Verhaltensrepertoire aufnehmen sollten, um gute Führungspersonen zu werden. Andere müssen gerne mitgehen können. Dafür brauchen sie auch die Informationen, die die Einflussreichen haben, damit sie nicht nur hinterher laufen müssen.


Friedfertige

Stärke:

Sie sind diejenigen im Enneagramm, die an ihrer friedlichen, ruhigen Ausstrahlung erkennbar sind. Harmonie ist ihnen wichtig. Dafür sorgen sie auch, weil ihnen Konflikte „verhasst“ sind. Sie positionieren sich ungern, weil das ja immer auch Polarisierung bedeutet. Sie legen gerne den Mantel des Friedens über alles, auch wenn es nicht so friedlich zugeht. Sie haben wenig Zugang zu ihren aggressiven Gefühlen, deshalb sind sie auch ganz gerne gesehen, weil man nicht befürchten muss, dass sie „Ärger machen“. Sie wären gute Konfliktmoderatoren, weil sie alle Seiten verstehen können.

Falle:
Weil Friedfertige nicht frühzeitig wahrnehmen, wenn sich in ihrem persönlichen Umfeld Spannungen aufbauen, werden sie manchmal von den schlimmsten Konflikten überrascht.  Es sind ihre emotionale Unbeweglichkeit und die hinzukommende Trägheit, die ihnen den Blick verstellen. Auch werden Friedfertige wegen ihrer leisen Art oft übersehen und auch nicht ganz ernst genommen. Ihre feine friedliche Art macht es ja niemandem schwer.

Entwicklung:
Die guten Begabungen der Friedfertigen bleiben liegen, wenn sie sich nicht auf den Erfolgsweg begeben. Die Energie, der Biss der Erfolgreichen ist für die Friedfertigen notwendig, um aus der Lethargie aufzutauchen. Friedfertige brauchen eine Perspektive, ein Ziel und müssen sich auf den Weg machen, um dieses Ziel erfolgreich zu erreichen.

Die Neun Grundmuster erfahren viele Variationen, weil sich unser Charaktermuster nicht nur aus unserem Grundmuster speist, sondern wir auch über Qualitäten und Schattenseiten anderer Muster in unterschiedlicher Ausprägung verfügen. Das macht jeden von uns einzigartig. Deshalb bildet das Enneagramm keine „Einheitstypen“ ab, die man in Schubladen stecken könnte. Selbst gleiche Charaktermuster sind sich nicht gleich, sondern haben lediglich in Bezug auf ihr Grundmuster einen ähnlichen Zugang zum Verständnis des Lebens oder fühlen sich vielleicht sogar Seelen-verwandt.

 

 


Kategorie: Verstehen

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