Selbstfürsorge verstehen
Selbstfürsorge heißt: für mein Selbst sorgen. Es heißt jedoch nicht, sich nur noch um sich selbst zu kümmern. In der Sorge um das eigene Selbst finden sich Körper, Geist und Seele vor. Erst in dieser „Dreiheit“ bin ich ganz Ich selbst. Deshalb betrachte ich Selbstfürsorge auch auf diesen drei Ebenen. Denn sich um sich selbst zu sorgen, bedeutet auch, diese drei Dimensionen, die mich als Person ausmachen, wahrzunehmen, zu pflegen und weiter zu entwickeln.
Selbstfürsorge für den Körpers
Darüber brauche ich eigentlich nicht viel schreiben, weil jeder von uns weiß, wie wichtig tägliche, körperliche Bewegung ist. Ob wir sie in unseren Alltag einbauen oder nicht, haben wir selbst in der Hand. Unser geistiges Selbst entscheidet, ob wir joggen, Tennis spielen, wandern, in die Muckibude gehen, schwimmen oder Yoga praktizieren. Es liegt an uns, was wir auswählen, was wir aus uns machen wollen. Ich kann entscheiden, ob ich meinem körperlichen Selbst gegenüber gut sein will.
Diese Entscheidung, mich zu “bewegen“, findet bereits auf der geistigen Fürsorge-Ebene meiner Person statt, auf der Ebene, auf der ich mich mit meiner Lebensaufgabe, meiner Lebensphilosophie, meinem Was und Wie ich leben will, beschäftige. Die Wahl der Bewegungsart ist dann nur noch die Ausführung in die Tat. Die Sportarten, die ich wähle, ändern sich meist im Laufe des Lebens.
Da ich mit Sport groß geworden, fällt es mir nicht schwer, mir immer wieder die Bewegungsart auszuwählen, die zu meinem Alter passt. In jungen Jahren habe ich Leistungssport betrieben, Tennis in der Mannschaft gespielt, bin Ski gelaufen und habe Weitwanderungen auf dem Jakobsweg bis Santiago de Compostela unternommen. Den Leistungssport habe ich bereits als Jugendliche aufgegeben, weil ich mich den hohen Ansprüchen an meinen Körper wie der zeitlichen Investition nicht mehr gewachsen fühlte. Nachdem ich dann fast 30 Jahre in einer Tennismannschaft gespielt hatte, merkte ich, dass mir dieser Sport zu sehr in den Rücken geht, also für meinen Körper nicht gut war. Auch Skilaufen war mir irgendwann zu unfallträchtig, so dass ich beide Bewegungsarten aufgegeben habe. Jetzt im Alter mache ich dreimal die Woche Nordic-Walking, gehe Schwimmen, mache regelmäßig Yoga, fahre Fahrrad und besuche die Sauna. Das sind die Möglichkeiten, die ich mir für meinen Körper im Alter gewählt habe.
Wie schon oben erwähnt, besteht Selbstfürsorge nicht nur aus der Fürsorge für den Köper, sondern auch für den Geist. Ein Teil meiner geistigen Aufmerksamkeit richtet sich auf das, was ich mir aneignen muss, um mit den Entwicklungen in unserer Gesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen mithalten zu können. Wie komme ich mit dem PC klar? Wie bleibe ich auch bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Laufenden? Mit welchen Problemen muss ich beim Online-Banking rechnen? Wie und wo hole ich mir die Informationen, die ich brauche? Solche Fragen und viele weitere fordern mich ständig heraus, dran zu bleiben, damit ich auch noch morgen verstehe, wie unsere Welt funktioniert und mich darin auch sicher und unabhängig bewegen kann.
Selbstfürsorge auf geistiger Ebene
Deshalb gibt es für die Pflege meiner geistigen Ebene erst einmal den konkreten, banalen Alltag, den ich meistern muss, um ihn nicht anderen aufzuerlegen.
Nur ein Beispiel: Wenn ich eine Fahrkarte für die Bahn brauche, dann beherrsche ich inzwischen, wie ich diese auf meinem iPhone buchen kann, wie ich umbuchen muss, wenn etwas schief geht oder wie ich den Fahrplan einsehen kann. Ich habe von anderen gelernt, wie ich in der Bahn- App meine Tickets buche und storniere.
Es gibt noch viele andere Dinge, die ich mir bei anderen abgeschaut oder mir von ihnen habe zeigen lassen. Je mehr ich mir die Praxis aneigne, je mehr ich auch verstehe, wie etwas funktioniert, desto alltagstauglicher und eigenständiger bin ich noch im Alter.
Lebenslanges Lernen
Wenn ich dranbleibe, lerne ich mit den rasanten Veränderungen in unserem Alltag besser fertig zu werden, seine Anforderungen an mich zu meistern, lerne zu erkennen, was daran gut für mich ist, wo ich aufpassen muss oder wo mein Verhalten auch scheitert. Das bringt mich als Person jeden Tag durch wiederkehrende wie neue Herausforderungen in eine neue Lernsituation. Ich bin also ständig aufgefordert, mich mit den Dingen geistig zu beschäftigen, die Einfluss auf mein Handeln nehmen. Jeder von uns kennt das und weiß, wie lästig, anstrengend und zeitraubend das oft sein kann. Bleibe ich aber nicht dran, falle ich aus dem System, bleibe außen vor oder muss mir dann viele Dienstleistungen durch andere erbringen lassen oder Menschen, die es können, in Anspruch nehmen.
Meine Begabungen pflegen
Selbstfürsorge auf der geistigen Ebene bedeutet noch mehr, als mir nur das Wissen und die Fertigkeiten anzueignen, damit ich den Alltag weitestgehend eigenständig und möglichst unabhängig meistern kann. Für mich sind es die geistigen Fähigkeiten, die in meiner Person als Begabungen schlummern, die mich als Person ausmachen, die ich ein ganzes Leben lang weiterentwickeln kann. Der besondere Reiz liegt für mich darin, dass in mir Selbstvertrauen wächst, aus dem heraus ich von meinem „Vermögen“ anderen etwas abgeben kann. Denn geistige Selbstfürsorge hat auch das Ziel, sich immer mehr zu einer Person zu entwickeln, von deren Qualitäten auch andere Unterstützung finden. Wenn wir Eltern sind, ist das eigentlich ganz selbstverständlich, unseren Kindern, schon wenn sie klein sind, das zu vermitteln, was wir schon können. Später lernen wir meist mehr von ihnen als sie von uns. Geistige Selbstfürsorge fordert mich deshalb ein Leben lang, weil ich damit mein Eigenes, meine Lebensaufgabe verwirkliche, meine Zufriedenheit steuere und meinen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten kann.
Wenn es um die Umsetzung und Weiterentwicklung meines Lebensauftrages geht, das sind vor allem meine Talente und Begabungen, braucht mein Intellekt Futter. Je nachdem in welcher Sparte ich mich bewege, ändern sich auch die Inhalte. Für alle Lebensaufträge und Berufungen in unserem Leben gibt es Literatur, Reisen, Filme, Konzerte, Theater, Chöre, Vereine, Experimentierräume, Exkursionen, Fortbildungen und Studiengänge, mit denen ich mein eigenes geistiges Selbst unterstützen kann.
Selbstfürsorge der Seele
Wenn ich meine körperliche und geistige Selbstfürsorge im Blick habe, ist das schon sehr hilfreich. Die halbe Miete. Doch auch meine Psyche, meine Seele braucht Fürsorge. Was kann ich auf der seelischen Ebene für meine Selbstfürsorge tun? Meine seelische Gesundheit hat viele Aspekte. Es ist nicht einfach, genau zu spüren, für was ich auf dieser Ebene sorgen muss. Es hat viel mit meinem Charakter, mit meinen Erfahrungen, meinem Zugang zu dieser Welt zu tun. Wie, als Wer stehe ich in der Welt? Kenne ich mich, meine Qualitäten und meine Fallstricke? Aus was schöpfe ich Energie, was nimmt mir Kraft? In welche Konflikte gerate ich immer wieder? Bei welchen Situationen fühle ich mich überfordert? Welche Erfahrungen habe ich in Stresssituationen gemacht? Wenn ich mir Zeit für Meditation nehme, auf Spazierwegen in der Natur bin, kann ich mich dem annähern was mich in meiner Psyche, in meinem Seelengrund trägt aber auch was mich blockiert und immer wieder in ähnliche schwierige Situationen lenkt. Es geht bei der seelischen Selbstfürsorge vor allem darum, die unterentwickelten Anteile meiner Person, die zu kurz kommen sind, mehr zu unterstützen.
Denn wir sind nicht nur „gut“, haben nicht nur Qualitäten, sondern auch Schattenseiten. Sie zeigen sich oft in Stresssituationen. Das beobachten wir an Anderen und die anderen an mir. Ich selbst kann sie meist nicht schnell sehen, bin lange Zeit blind dafür. Erst wenn ich die Rückmeldung und Kritik der Anderen will und annehme, kann ich diese Schattenseite bearbeiten und vielleicht ein wenig ausgleichen. Ganz los werde ich sie nicht.
Erkenntnis
Mir ist deutlich, dass Selbstfürsorge ein Anspruch an meine Fähigkeiten der Selbstreflexion bedeutet. Bin ich bereit, auf meine Qualitäten zu schauen und sie zu würdigen? Schaffe ich es, mich mit meinen Schattenseiten zu erkennen und anzunehmen? Habe ich Freunde, die mich darin unterstützen, mehr von mir zu erfahren? Deutlich ist für mich auch, dass ich mit meiner Selbstfürsorge auch aufmerksam auf andere werde.
Denn sind mir meine Fallstricke verborgen, laufe ich immer Gefahr, selbst in Stress zu kommen und damit auch andere zu belasten. Deshalb ist der innere Auftrag, sich um Selbstfürsorge auf den drei Ebenen Körper, Geist und Seele zu kümmern, kein egoistisches Unternehmen, sondern eine Voraussetzung dafür, dass ich überhaupt für andere hilfreich werden kann.
Um meine Schattenseite deutlicher zu erkennen, hat mir das Enneagramm sehr geholfen. Es beschreibt nicht nur 9 Charaktermuster, mit ihren positiven Seiten, sondern auch mit ihren Schattenseiten. Die folgenden Links erklären diese 9 Muster.
Den eigenen Charakter verstehen
Charaktermuster ihre Stärke, ihre Entwicklung
Der größte Feind meiner Freiheit bin ich selbst
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