Das Lamm im Zentrum der himmlischen Liturgie, Schwarzrheindorf bei Bonn, F: hinsehen.net E.B.

Kirchenjahr – Entfaltung des religiösen Kerns

Wer den Kalender prägt, bringt sich wie von selbst wieder zur Sprache, Advent, Weihnachten, Ostern, Allerheiligen, wie eine Sonate klingen die grundlegenden Themen des Menschen im Laufe des Jahres an. Zudem ist das Kirchenjahr nicht kirchentrennend.

Mit den Festzeiten gelingt den Religionen, Phasen im Jahresablauf emotional zu prägen. Zudem werden die den Menschen bewegenden Themen inszeniert. Im westlichen Kulturkreis bestimmt das Christentum die religiöse Akzentuierung der Monate.

Von Weihnachten  bis Allerheiligen

Im November mit Allerheiligen der Katholiken und dem Totensonntag der evangelischen Kirche wird, entsprechend der Novemberstimmung, das Totengedächtnis herausgestellt. Die Thematik wird noch weitergetrieben, indem das Ende der Geschichte mit dem Endgericht thematisiert wird. Das leitet sich über den Advent bis zu dem Neuanfang mit einem kleinen Kind, das die Weisen aus dem Zweistromland in einem Stall finden. Trotz dieser alles andere als königliche Umgebung lässt sie nicht zweifeln, dass dieses Kind mit der Königswürde ausgestattet ist, die alle anderen Könige überstrahlen wird.
Nach einer kurzen Zwischenphase beginnt am Aschermittwoch die vierzigtätige Fastenzeit, die in die Ereignisse von Hinrichtung und neuem Leben des Gründers des Christentums mündet. Widerspruch, Scheitern, Justizmord, ungeheure Schmerzen werden nicht ausgeklammert, sondern als Trost vor Augen gestellt. Die Macht Gottes, die nicht auf Vernichtung der Gegner aus ist, wird an Ostern erfahren. Die Geschichte der Jerusalemer ersten Gemeinde zeigt, wie Kirche entsteht, das Pfingstfest macht sensibel für die Wirkungen des Geistes Gottes. Bis zum November wird dann in den Evangelien das Leben Jesu in seinen Facetten entfaltet. Geburt und Tod, Krankheit und Heiligung, Mutterschaft  und eigener Weg des Sohnes, Leid und Aufatmen, hinter allen Geschehnissen ein barmherziger Vater. Die atheistischen Regime konnten deshalb diese Feiertage nicht außer Kraft setzen, weil sie sich mit ihren Paraden nur sich selbst, aber nicht die Grundfragen ihrer Bürger inszenierten.

Der mitlaufende Heiligenkalender

In den Marienfesten spiegeln sich noch einmal die Grundstimmungen in der Emotionalität der Frauen – Mutterschaft in der Weiterführung der Weihnachtsgeschichte mit der Darstellung im Tempel am 2. Februar und der Sorge um den Zwölfjährigen, der im Tempel geblieben war. Maria begleitet den Leidensweg ihres Sohnes und bleibt im Kreis seiner Jünger. An Pfingsten wird sie noch einmal mit dem Geist begabt. Das geschah vorher mit dem Besuch des Engels. Maria Empfängnis wird 9 Monate vor dem 25. Dezember am 25. April, meist mitten in der  Fastenzeit, gefeiert. Zu Maria gibt es parallel Feste um ihrer Geburt. Der  8.September ist der Ankertag, am 8. Dezember wird ihrer Empfängnis gedacht. Ihr Osterfest ist der 15. August, an dem ihre Aufnahme in den Himmelvorgestellt wird. Der Mai ist ihr seid der Barockzeit mit den abendlichen Andachten gewidmet. Die Andachten wurden im 19. Jahrhundert zur selbstverständlichen Praxis.

Brauchtum lässt ein Fest mehr erstrahlen

Um das Fest einiger Heiliger hat sich ein reiches Brauchtum entwickelt, so um den Nikolaustag am 6. Dezember, um den Johannistag am 24. Juni, der die Sommersonnenwende markiert.  Heilige, die für eine bestimmte Region Bedeutung haben, heben manchmal eine ganze Woche aus dem Jahresablauf hervor. Die Festtage, an denen eines Heiligen gedacht wird, sind nicht nach dem Jahresrhythmus festgelegt, sondern beziehen sich auf den Todestag, der als Eintritt in die himmlische Welt, als Geburtstag für das Ewige Leben gefeiert wird. Ist der Todestag nicht mehr bekannt, liegt ihr Gedenktag auf dem Datum der Einweihung einer Kirche, zu deren Patron der jeweilige Heilige, die jeweilige Heilige erkoren wurden.

Ökumenische Funktion des Kirchenjahres

Während die Gottesdienste der Konfessionen sich deutlich unterscheiden und auch jeweils eine eigene Erlebnisqualität vermitteln, trennt weder der Festkreis des Kirchenjahres noch der Heiligenkalender die Konfessionen. Auch Johannistag, Peter und Paul, Nikolaus und einige Marienfeste werden evangelisch, katholisch und orthodox an den gleichen Tagen gefeiert. Nur einige orthodoxe Kirchen feiern die Feste des Weihnachtskreises 13 Tage später, weil sie die gregorianische Kalenderreform nicht übernommen haben, die seit 1582 eingeführt ist.

Sonnen- und Mondjahr sowie das Jahresbeginn

Auf einige Ungereimtheiten, die bisher nicht ausgeglichen wurden, sei noch hingewiesen.
Weihnachten wird nach dem Sonnenjahr gefeiert, es ist der Tag der Wintersonnenwende, der heute auf dem 21. Dezember liegt, bei der Einführung des Festes im 4. Jahrhundert in Rom auf dem 25.12. Ostern wird entsprechend dem jüdischen Brauchtum nach dem Mondjahr berechnet, es ist der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. So fällt Ostern immer auf einen Sonntag, variiert deshalb zwischen dem 22. März und 25. April, während Weihnachten immer auf den 25. 12. gefeiert wird und daher die Wochentage variieren. Eigentlich würden Ostern oder der nach dem Sonnenjahr berechnete Termin der Tag- und Nachtgleiche, der zwischen dem 19. und 21. März den Beginn eines Neuen Jahres markieren. Abweichend von den meisten Traditionen hat sich eine römische Terminierung mitten im Winter durchgesetzt. Das geht auf Julius Cäsar zurück. Weil am 1. Januar die Amtszeit der Konsuln begann, hat Cäsar mit seiner Kalenderreform den Jahresbeginn vorverlegt, aber für die Monate ab September die Zählweise nicht umgestellt, denn September beinhaltet nicht die Zahl Neun, sondern die Sieben, Oktober die Acht, November die Neun und Dezember die Zehn. Dass solche Ungereimtheiten nicht als zu störend empfunden werden, zeigt die Prägekraft einmal eingeführter Feste.

Wie im Fußball und im Motorsport wird der Markenkern auch mit dem Kirchenjahr zyklisch zur Darstellung gebracht. Entscheidend ist, dass damit eine Erneuerung verbunden ist, denn sonst verblasst der Erlebniswert. Keine noch so gute Öffentlichkeitsarbeit kompensiert ein Weihnachten, das zur Routine geworden ist.


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