Die Sinnhaftigkeit meines Lebens erfahren
Wenn ich meine Begabungen und Mittel, meinen Einsatz für andere z.B. in der Erziehung für Kinder, in der Verwirklichung meiner Kompetenzen im Beruf oder in einem Ehrenamt einsetze, verwirkliche ich nicht nur meine frei gewählten Langfristprojekte, sondern erlebe mein Leben als sinnvoll. Denn in meiner Selbstverwirklichung geht es nicht nur um meine Freiheit, sondern ich unterstütze auch andere in der Verwirklichung ihrer Freiheit, indem sie ihre Kompetenzen ins Spiel bringen. Ich trage damit zur Entwicklung des Guten im Anderen, bei mir selbst, wie in der Gesellschaft bei. Das beruht auf Gegenseitigkeit, denn auch ich bin abhängig davon, ob andere ihre Freiheit leben. Durch meinen Einsatz werde ich nicht nur zum „Geber“ sondern auch zum „Empfänger“, denn die anderen erweitern nicht nur meine Freiheit sondern geben mir mit ihrem Weiterkommen Sinnerfahrungen.
- Für Lehrer wird ihr Beruf dann sinnvoll, wenn sie erleben, dass sich die Schüler den Lernstoff
aneignen, ihre Kompetenzen erweitern, um später einen tragfähigen Beruf zu ergreifen - Eltern erleben ihren Energieeinsatz als gelungen, wenn sich die Kinder gesund und selbstbewusst
entwickeln, um später ein eigenständiges Leben führen zu können. - Chormitglieder erleben ihren Einsatz als sinnhaft, wenn sie über den Applaus die Begeisterung spüren, vielleicht sogar Menschen zum Singen motiviert und eine positive Grundstimmung bei den Besuchern hinterlassen haben.
Es geht um die Selbstverwirklichung in jedem Einzelnen von uns. Ich verwirkliche mich durch den Einsatz für andere, die ich damit unterstütze sich selbst zu entwickeln. Ich habe etwas davon, als Lehrer, Vater oder Mutter, als Musizierender. Das weckt den Verdacht, ich täte das nur für mich.
Selbstverwirklichung ist kein Egoismus
Bei dem Wort Selbstverwirklichung taucht der Verdacht auf, ob das nicht eigentlich viel zu egoistisch ist. Das lässt sich klar verneinen, denn ich verwirkliche mich nur selbst, wenn ich mich für andere interessiere, wenn ich in anderen etwas Gutes bewegen will. Mein Beruf, mein Elternsein oder mein Ehrenamt hat immer ein Gegenüber für das ich meine Begabungen und Kompetenzen einsetze. Es ist auch meist ein Beziehungsgeschehen, in dem ich mich mit meinen Möglichkeiten vorfinde. Diese Beziehungen tragen mich, weil sie mir den Sinn meines Lebens erfahrbar machen. Sinnvoll leben macht nicht nur zufrieden und frei, sondern trägt auch dazu bei, dass ich einen festen, selbstbewussten Stand im Leben entwickeln kann. Gute Bedingungen für meinen Lebenssinn wie für meine Freiheit. Diese tiefe Erfahrung von der Sinnhaftigkeit meiner Freiheit wird vor allem dann deutlich, wenn auch andere mit meinem Einsatz und meiner Kompetenz in ihrem Leben weiterkommen. Das zeigt, dass ich mir den Sinn meiner Freiheit nicht selber machen kann.
Freie Entscheidungen erhöhen die Sinnerfahrung
Niemand zwingt mich, meine Selbstverwirklichung zu betreiben außer ich mich selbst. Ich muss es für mich und für andere tun. Auch Gott zwingt mich nicht dazu. Denn ich würde es ja nur tun, um Gott zu gehorchen und nicht für meine eigene Weiterentwicklung. Philosophisch gedacht könnte ich dann meinen Einsatz nicht als sinnerfüllend, sondern nur als Gehorsamsleistung verstehen.
Ich bin also frei, mich für mich in meinem Leben zu entscheiden, um andere in ihrer Freiheit und Sinnerfüllung zu unterstützen. Wenn ich es nicht tue, begrenze ich auch meine Freiheit. Es gibt verschiedene mögliche Motive für die Verweigerung:
- Andere sind es mir nicht wert
- Ich bin zu bequem
- Ich fühle mich nicht kompetent genug, will mich aber auch nicht kompetent machen,
- Ich traue mir das nicht zu oder denke, andere würden es mir auch nicht zutrauen
- Andere könnten mir das übelnehmen
- Ich rede mich damit heraus, dass andere auch ohne mich zurechtkommen,
- ….
Die Folgen begrenzen mich
Wenn ich meine Trägheit, meinen Egoismus, meine Nichtigkeit zulasse, um mich nicht zu engagieren, holen mich die Folgen ein. Auch hier gilt: nichts in meinem Verhalten bleibt ohne Konsequenz.
Ich verliere nicht nur meine Energie für den Einsatz, sondern auch meine Kompetenzen. Das schlägt nicht nur auf meine Stimmung, sondern weckt die Frage nach dem Sinn meines Lebens. Wenn ich mein Eigenes nicht aktiv betreibe begrenze ich mich selbst in der freien Entfaltung meiner Persönlichkeit. Das kann dazu führen, dass ich mir ein ziemlich langweiliges Leben einspiele, mir zu wenig Sinn anderer zuteil wird, weil sie sich zurückziehen Ich kann kaum noch Anregungen von außen erwarten. In mir kommen vielleicht immer wieder Fragen nach dem Sinn meines Lebens hoch. Ich muss mir diese allein beantworten, weil ich von anderen keine Rückmeldung erfahre.
Nicht nur die Verweigerung der eigenen Möglichkeiten führt zur Sinnlosigkeit und zur Freiheitsbeschränkung, sondern auch die Beeinträchtigung und Verletzung anderer.
Vernichtung der Freiheit anderer
Mobbing im Arbeitsleben, Missbrauch in den Familien und Erziehungseinrichtungen, Ausgrenzung anderer und nicht zuletzt die todbringenden Kriege zerstören bzw. vernichten nicht nur die Freiheit und damit ein sinnvolles Leben der anderen, sondern auch meine eigene Freiheit. Das erklärt sich aus den Konsequenzen, denn Machtmissbrauch bis hin zu Gewalt bleiben nicht ohne Folgen. Nicht nur müssen Andere sich unterwerfen. Ich handle mir sogar möglicherweise ein Lebensgefühl ein, dass der andere „weg muss, sonst kann ich nicht weiterleben“. Selbst wenn ich andere missachte, begrenze ich meine Freiheit, weil ich mich über sie setze, mir Feinde mache, Anregungen und Kreativität von immer weniger Menschen erlebe. Mein Blick verengt sich immer mehr auf Machtausübung. Ich lade Schuld auf mich, die mein Gewissen belastet, meinen Schlaf unterbricht, mich vielleicht sogar krank macht.
Mit der psychischen wie todbringenden Zerstörung Anderer isoliere ich mich und unterbinde, dass sie mit meinem Einsatz, meinen Ideen und Entscheidungen sich freiwillig weiterentwickeln können. Sie unterlaufen Anordnungen oder setzen sie nur unter Zwang um. Weshalb Kriegsherren Deserteure erschießen lassen müssen.
Weil Mächtige aber auch auf die Freiheit und damit auf echtes Engagement und Kreativität der Anderen angewiesen sind, zerstören sie mit einem autoritären Führungsstil oder der Gewaltausübung wie in den Kriegen nicht nur die Freiheit der anderen, sondern auch ihre eigene.
Liebe den Nächsten wie dich selbst
Der Zusammenhang von persönlicher Freiheit im Miteinander mit den Freiheiten der Anderen wurde schon seit Generationen als Verbindung zwischen Eigenliebe und Nächstenliebe gesehen. Hier wird deutlich, dass sich die persönliche Sinnerfüllung dann verwirklicht, wenn zuerst die Freiheit des anderen unterstützt wird, die dann meine Freiheit sichert. Die übliche Predigt, dass ohne Eigenliebe der Einsatz für den Nächsten nicht möglich sei, entspricht nicht der Dynamik der Sinnerfahrung. Ich werde erst durch den Einsatz für andere zur Persönlichkeit. Zudem meint der Satz, man solle die anderen lieben „wie sich selbst“ nicht die einzelne Person. Das ist moderner Individualismus. Als sich die Menschen noch von ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Sippe erlebten, wurde das „sich selbst“ als die Sippe verstanden, die mir das Überleben erst ermöglicht.
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