Unsicher: Wann lerne ich als Millenial "schwimmen"? (Free-Photos / Pixabay)

Digital-depressiv – meine Unsicherheit als Millenial

Wir fühlen uns fremd in der Welt unserer Eltern und Großeltern. So, wie sie diese Welt gemacht haben, wollen wir sie nicht. So, wie wir denken und fühlen, scheint es für uns in deren Welt keinen Platz zu geben. Natürlich fragen wir uns, was mit uns eigentlich los ist.

Das Schlimmste als Millenial ist das ewige Hinterfragen. Selbst das Hinterfragen meiner Gefühle und meiner Unsicherheit. Geht es mir nicht eigentlich zu gut, bin ich nicht zu gut ausgebildet, um mich unsicher zu fühlen? Ich müsste doch wissen, was ich will und wo es mit mir hingehen soll. Mein Gefühl sagt mir, ich dürfte nicht so unsicher sein. Ich darf mir vor mir selbst diese Unsicherheit nicht zugestehen.

Handeln gegen Unsicherheit

Ich muss eben etwas tun, schnell handeln, damit die Unsicherheit weggeht. Nicht darüber sprechen, sonst bekomme ich nur Unverständnis zurück. Dass ich nicht endlich mal ruhig und zufrieden bin, mit dem, was ich mache. Ich will kein Mitleid. Ich bekomme kein Verständnis dafür, dass ich mich ständig frage, ob es nicht noch einen anderen Weg gibt, der mich glücklich macht. Ich habe Angst, dass jemand sagt: Jetzt hab Dich nicht so! Wir hatten es früher auch nicht leicht. Du musst eben dies und das akzeptieren und jenes schlucken und machen. Streng Dich an, gib dir Mühe, komm pünktlich zur Arbeit, ernähr Dich gesund, mach Sport, dann wird das schon werden!

Warum sich festlegen?

Ich habe Angst, dass meine Sicht der Dinge, meine Gefühle als falsch abgestempelt werden. Wenn ich nicht 40 Std. pro Woche von 9-17 Uhr arbeiten will, dass es dann heißt: Dann musst Du Dich aber auch nicht wundern. So hat es doch bisher auch funktioniert. Nur weil Eure Generation alles anders machen will, Ihr alles infrage stellen wollt, müssen die anderen sich nach Euch richten? Vielleicht sind die alten Wege gar nicht so schlecht und ich bin nur ein miesepetriger, träger Individualist. Statt einfach zu akzeptieren, dass Zufriedenheit sich nur durch regelmäßige Erwerbsarbeit, Heirat, Kinderbekommen und die Arbeits- und Lebensmodelle realisieren lässt, die auch in den Generationen vorher nicht zu leeren, sinnlosen Existenzen geführt haben. Ich habe immer Angst, dass jemand sagt: Entscheide Dich halt, lege Dich endlich mal fest. Nimm den festen Job, das wird dann schon werden. Du musst Kompromisse machen, mit Freiheit und Idealen kannst Du keinen Blumentopf gewinnen.

 

Unsicher: Trägt das Wasser mich? Ist es noch zu kalt zum Baden? (Free-Photos / Pixabay)

 

Das Internet lähmt mehr, als dass es hilft

Irgendwie müsste doch mit dem Internet alles einfacher sein, schneller gehen. Erfolgserlebnisse, Projektabschlüsse, Kommunikation. Aber häufig ist das genaue Gegenteil der Fall. Digitale Kommunikation überfordert, lähmt, macht unproduktiv – digital-depressiv. E-Mails an viel zu viele Leute im „cc“, die es gar nicht wirklich betrifft. Ellenlange Antworten. Tagelanges Warten auf Reaktionen. Nachrichten werden ignoriert, gelöscht. Projekte sterben im Posteingang. Andererseits sind viele Versicherungen, Behörden, Ämter immer noch nicht digital. Echte Zeitfresser. Und auf Reisen, im Zug und in Hotels, wo ich als maximal mobiler Millenial so viel Zeit verbringe, gibt es oft kein ordentliches WLAN. Sitzen, warten, dass die Website lädt, aktualisieren. Das raubt Energie.

Vielleicht hat der*die Millenial am anderen Ende des Internets gerade heute seinen*ihren lethargisch-depressiven Tag, wo er*sie nicht von den vielen Mails und Aktualisierungen in den Netzwerken erschlagen werden möchte; braucht mal einen Tag Internet-Askese. Abschalten. Morgen bin ich damit dran und der*die andere wartet. So arbeiten und kommunizieren wir ungleichzeitig aneinander vorbei im angeblich schnellsten Medium und verschenken dabei unsere Energien an den Bildschirm. Am Abend komme ich nicht vom Bildschirm los, stecke in dem Gefühl fest, noch etwas erledigen zu können, zu müssen, dass noch etwas kommt, was mich zufrieden ins Bett gehen lässt.

Stimmt das, was ich über meine Generation schreibe, überhaupt?

Noch ein Zweifel: Gehöre ich überhaupt zu den Millenials, darf ich mir dieses Label überhaupt aufkleben? Vielleicht ist es gar nicht legitim, dass ich versuche, für diese Generation zu sprechen. Bin vielleicht doch nur ich so? Vielleicht sind diese Generationen-Labels sowieso Unsinn. Versuche ich mithilfe dieser Generationen-Bezeichnung meinen mangelnden beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg schön zu reden, zu rationalisieren, meine Lethargie zu rechtfertigen?

Ich traue noch nicht einmal meinen eigenen Überlegungen und Gefühlen wirklich. Sind sie bloß Ausreden für mein gefühltes Nicht-Vorankommen, für meine Faulheit? Bin ich – von außen betrachtet – gar nicht so „unerwachsen“, so unsicher, wie ich auf mich selbst wirke? Deshalb verstelle ich mich. Wenn jemand fragt, sage ich: Ja ja, demnächst kommt sicher etwas Besseres, eine Festanstellung, ich muss mal erwachsen werden und ich brauche irgendwann auch mal Sicherheit, um eine Familie zu ernähren und so weiter.

Wenn ich mich nicht mehr unsicher fühle

Wie erwachsen und sicher will ich überhaupt sein? Irgendwie fühle ich mich in diesem nicht-ganz-Erwachsensein, dem mich-flexibel-Durchschlagen, nicht Angekommen-Sein auch ganz wohl, suhle mich in der Unsicherheit und in einem gewissen Selbstmitleid. Ich feiere mich sogar in der „jung, frei und ungebunden“-Mentalität“. Woher kommen diese Gefühle des Ungenügens, die Zweifel, das nie-zufrieden-Sein? Ging es nicht auch älteren Generationen ähnlich? Vielleicht beklage ich mich einfach gerne, will Lob und Anerkennung für meinen Idealismus, meine Freiheitsliebe, will nur hören, dass es doch eigentlich ganz gut für mich läuft.

 

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Kategorie: hinsehen.net Digitalisiert Verstehen

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