Foto: hinsehen.net J.M.

Mit der Süßkartoffel ins Gartenjahr starten

Für Gärtner*innen ist das Frühjahr eine aufregende, spannende Zeit, denn jetzt wird angelegt, was geerntet werden kann. Manches keimt und wächst erst einmal in der Wohnung. Bei mir stehen die Süßkartoffeln noch auf der Fensterbank im Wasser, damit sie austreiben. Die Tomaten, der Kopfsalat und der Fenchel zeigen sich als Pflänzchen im Frühbeet-Kasten. Auch in mir regen sich neue Lebensgeister

Geduld ist gefragt

Endlich – jetzt treibt sie. Meine Süßkartoffel. Seit über 5 Wochen sitzt sie schon im Wasser. Ich hatte sie fast aufgegeben. Auch nachgekaufte Süßkartoffeln haben meine Geduld herausgefordert. Doch jetzt sprießen sie inzwischen alle.
Es ist schon seltsam, wie verschieden die einzelnen Exemplare reagieren. Bei meinem ersten Versuch bildete sich zwar ein imposantes Wurzelwerk, aber keine grünen Triebe. Andere treiben zuerst die neuen Triebe aus und beginnen dann langsam, auch Würzelchen zu zeigen. Mir scheint auch, dass es ein Oben und Unten gibt, also eine Seite für die Wurzeln und eine für die Triebe. Ich kann sie nur schwer unterscheiden. Seit einigen Tagen bin ich guter Dinge. Ich kann weiter in Ruhe warten, bis die Schösslinge mindestens 20 cm lang sind. Dann schneide ich sie von der Kartoffel und stelle sie erneut in ein Wasserglas. Mitte Mai hoffe ich, dass sie so viele neue Wurzeln getrieben haben, dass ich sie ins Freiland setzen kann.

Tomaten vorziehen

In vielen kleinen Töpfchen steht meine Tomatenanzucht am Fenster. Nachdem sie in größeren Schalen keimten, wurden sie pikiert, so dass jedes Pflänzchen einen eigenen Topf in Beschlag nehmen kann. Sie scheinen gut zu gedeihen. Meine Fensterfront sieht wie ein Gewächshaus aus. Es sind verschiedene junge und alte Sorten aus Biosaatgut. Jeden Tag, wenn die Temperaturen einen zweistelligen Wert erreichen, stelle ich die Kästen auf den Balkon, um die Pflanzen an andere Temperaturen zu gewöhnen. Das soll sie abhärten, damit sie nicht so spillrig wachsen. Ich möchte ja kräftige Pflanzen, die dann auch im Freiland standhaft bleiben.

Beobachtung ist das A und O

Mit diesen Vorbereitungsarbeiten entwickelt sich zwischen mir und den kleinen Pflanzen eine Art Beziehung. Jeden Tag drehe ich sie um 180 Grad, damit sie sich gleichmäßig nach dem Licht hin entwickeln können. Ich sehe schon, nachdem sie gekeimt haben, welche sich kräftig entwickeln werden. Gärtnern braucht Aufmerksamkeit. Die Pflanzen danken es, wenn sie gut versorgt werden, indem ich ihre Bedürfnisse wahrnehme und darauf eingehe.

In der 2. Auflage „Ich bin im Garten“ von Meike Winnemuth finde ich viele Beobachtungen.

„Bin im Garten – ein Jahr wachsen und wachsen lassen“

Meike Winnemuth hat sich eine Auszeit genommen, zieht von Hamburg für ein Jahr an die Ostsee, um auf einem wilden Stück Land mit einem kleinen Gartenhaus einen eigenen Garten anzulegen. Sie ist keine Gärtnerin, hat auch kaum Ahnung, wie das geht, will sich aber innerlich mit dieser Aufgabe neu ausrichten. Von Januar bis Dezember entführt sie die Leser in die Entwicklung ihres Gartens, lässt uns an ihren Erfahrungen, ihrer Freude, ihren Qualen, Erfolgen und Misserfolgen teilhaben. Als Nicht-Gärtnerin stößt sie bald an ihre Grenzen liegen und entdeckt, wo die Natur auch ohne ihr Zutun arbeitet. Freunde und Freundinnen kommen, um mal zu helfen, aber die meiste Zeit ist sie auf sich selbst verwiesen. Sie stellt sich der neuen Aufgabe, lernt aus der Natur und den Ergebnissen ihrer Gartenarbeit. Sie ernährt sich meist von den Erträgen des eigenen Anbaus. Die Zeit an der Ostsee in der Beziehung zu ihrem Garten hat die Autorin verändert. Sie spürt in sich eine größere innere Tiefe.
Die Rückkehr in die Normalität ihres Lebens in Hamburg nach einem Jahr ist dann auch nicht ganz einfach, so dass sie eine Lösung finden muss, wie sie sich langsam wieder an die laute, unruhige Zivilisation gewöhnen kann.
Sie schreibt in Tagebuchform, so dass wir als Leser fast jeden Tag mit Meike Winnemuth in ihrem Garten unterwegs sein können. Ihre Sprache ist locker, sie ruft im Leser Bilder wach, die aus dem Tagebuch fast ein Garten - Bilderbuch machen. 

Ich als Hobbygärtnerin konnte in das Buch eintauchen und viele Situationen der Autorin mit eigenen Erfahrungen vergleichen. Ja, ein Garten ist wie ein Heilmittel, er zwingt zur Geduld, zur Langsamkeit wie auch zur Achtsamkeit. Ein Garten setzt andere Prioritäten im Leben. Auch das konnte Meike Winnemuth erfahren.
„Bin im Garten“ ist ein interessantes Tagebuch für jeden, der einen Garten anlegen will oder bereits bewirtschaftet. Da es aber letztendlich nicht nur um den Garten geht, sondern tieferliegende Fragen auch nach dem Sinn unseres Lebens immer mitschwingen, ist dieses Buch auch Einstimmung in den Tag, den Umgang mit dem Garten, der Natur, dem Leben, geeignet.
Ich habe dieses Buch auch als Hörbuch gehört. Leider fehlen mir in der Stimme der Autorin die Emotionen, die der Text eigentlich mitteilen möchte.

Wie es weiterging:

In ihrer erweiterten Auflage in 2021 erzählt Heike Winnemuth auf zusätzlichen 15 Seiten, begleitet von eindrücklichen Staudenbildern, wie sehr der Garten auch weiterhin ihr Leben bestimmt. Zwischen März und November wohnt sie inzwischen in der einfachen Gartenhütte. Von ihren Beobachtungen im Garten hat sie gelernt, sie kennt sich inzwischen besser aus, was auf ihrem Boden gut gedeiht. Sie legt neue Beete mit vielen bunten Stauden an, pflanzt Obstbäumchen, wenngleich sie weiß, dass erst die nächste Generation so richtig davon ernten wird. Ein wichtiger Gedanke begleitet sie bei ihrer Arbeit. „Cathedral thinking“, man baut an etwas wie an einer mittelalterlichen Kathedrale, deren Fertigstellung man nie erleben wird – für sie kein Grund, die Arbeit sein zu lassen.

 

Links:
Winnemuth:   Bin im Garten – ein Jahr wachsen lassen
Jutta Mügge:  Garten, fließendes Leben
                     Süßkartoffeln im Selbstanbau

 

 

 

 


Kategorie: Entdecken

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