Meine Begabungen suchen einen Hafen; Foto: hinsehen.net E.B.

Mein Platz im Leben

Ich habe zuerst gespürt, dass Gott mein Leben will. Dann fiel mir auf, dass immer neue Möglichkeiten vor mir lagen, mit denen ich meine Begabungen umsetzen konnte. Es gab Aufgaben, die mir „auf den Leib zugeschnitten“ waren. Entscheidend war die Umbruchszeit der Achtundsechziger. Die alte Pädagogik war überholt und ich konnte selbst herausfinden, welcher Pädagogik ich folgen wollte.

Der Lebensauftrag, der nicht von Menschen kommt

Schon in jungen Jahren habe ich gespürt, was mich antreibt, wo mein Herz aufgeht, in was ich meine Talente investieren konnte. Gott war damals in meinem Denken noch nicht so präsent wie heute. Ich kann jetzt erkennen, dass mir immer Möglichkeiten auf dem Weg lagen, die ich einfach nur aufzunehmen brauchte. Möglichkeiten, die von mir immer etwas Neues abverlangten, in die ich mich einarbeiten musste. Viele würden sagen „da hast du einfach Glück gehabt“. Ja, auch das, aber ich spüre, dass da mehr war als nur Glück. Ich konnte es nicht einfach aufnehmen, sondern es erforderte die Achtsamkeit, das Hören auf die innere Stimme, die Aufmerksamkeit auf das, was sich mir zeigte. Nicht zuletzt war es auch die  Entscheidungsfreudigkeit, dann auch ja zu sagen, weil ich die Kraft dazu spürte.  Damit bin ich stringent meiner Berufung gefolgt. Ich weiß heute, dass es der Ruf an mich war, Pädagogin zu werden. Es war nicht der Wille meiner Eltern. Es waren nicht die Menschen, die mich in die Pädagogik führten, sondern ein innerer Antrieb, eine Ahnung, verbunden mit einer Kraft, mich auch gegen die zu entscheiden, die etwas Anderes mit mir vorhatten. 

Umwege führen dahin, wo der Lebensauftrag wartet

Nicht gradlinig über Abitur und Studium, wie das üblich ist, sondern über viele unterschiedliche Erfahrungsfelder, gegen Widerstände, die mich erst zu dem gemacht haben was ich heute bin. Im Nachhinein sehe ich, dass sich alles gut ineinander fügte, aufeinander aufbaute und dass die Verwirklichung meiner Person nicht nur „mein Werk“ sein konnte. Nicht nur durch meine Anstrengung bin ich so geworden, sondern da war ein guter Geist mit mir, der mich begleitete, mich auch durch schwierige Zeiten trug. Es scheint die schützende Hand Gottes zu sein, die über meinem Leben waltet, mir Unterstützung bei meinem Lebensauftrag ermöglicht, mich auch in Nöten nicht im Stich lässt. Ich soll, wie übrigens jeder, zu einer einmaligen Person werden. Wir haben nämlich nicht nur eine einzigartige Iris, einen einmaligen Fingerabdruck und eine unverwechselbare DNA, sondern auch einen einzigartigen Lebensauftrag, den nur jeder in seiner einmaligen Weise erfüllen kann, um das Leben in dieser Welt, in dem Zeitabschnitt in dem wir leben, mitzugestalten. Jetzt kann ich natürlich fragen:

Was habe ich denn von einem einzigartigen Lebensauftrag?

Für mich ist es die Sicherheit, die ich beim Tun spüre, wenn ich diesem Auftrag  folge, es ist die Zufriedenheit und Ruhe, die sich einstellen, die geistige Unterstützung, die mich unabhängig von äußeren Einflüssen macht, die Kraft und freie Entscheidung, die mich durchhalten lässt. Die Entdeckung, dass sich mein Lebensauftrag von Gott her ableiten lässt, die sich erst im mittleren Alter auftat, zeigt mir heute, dass viele Ereignisse erst im Rückblick zu erkennen und zu verstehen sind. War Gott denn immer schon auf meinem Weg? War er auch da, als ich Trost brauchte? Das erklärte sich mir durch eine Geschichte:

Ein Mann beschwert sich bei Gott, dass Gott immer dann, wenn es ihm schlecht ging, von ihm alleine gelassen wurde. Er deutet das aus einem Traum, in dem er auf seinem Lebensweg mal zwei aber auch streckenweise nur eine Fußspur im Sand erkennt. Er wirft Gott vor: „da wo ich nur eine Spur erkenne, ging es mir ganz schlecht und du hast mich verlassen. Gott entgegnet ihm: „Du irrst, in diesen Zeiten habe ich dich getragen“.

Wenn ich darüber nachdenke, ob Gott in meinem Leben eine Rolle spielte, dann spüre ich heute, dass der Geist Gottes mir oft beigestanden haben muss, wenn ich in Nöten oder von Konflikten besetzt war. Es sind die widrigen Umstände, manchmal Menschen die den Weg „queren“, Ereignisse, die mich niederdrücken, die mich, wenn ich gut durchgekommen bin, ahnen lassen, dass ich begleitet war. Das bedeutet nicht, dass ich einfach alles laufen lassen kann und nur mit dieser beschützenden Hand rechne. Ich muss mich schon auch selbst anstrengen, meinen Teil dazu beitragen, um mit schwierigen Situationen zurecht zu kommen. Dabei greife ich auf meinen pädagogischen Hintergrund zurück.  Der Geist, der mich dabei leitet, gibt mir Kraft und hilft mir, nicht die Werte, für die ich angetreten bin, aus dem Blick zu verlieren, um etwas zu einem guten Ende zu führen.

Wo kommt diese Kraft her?  

Im Rückblick und im Gespräch mit anderen erkannte ich, dass Energie entsteht, wenn ich meinen Platz im Leben entdecke, ich mit Unterstützung des Geistes auf Menschen treffe, die mich auch unterstützen, mich ermutigen, damit ich weitermache, weil sie meine Begabungen und Talente erkennen. Denn mit diesen soll ich dazu beitragen, dass diese Welt sich weiterentwickelt und im Sinne des Guten zu etwas Besserem wird. Dabei spüre ich den geistigen Beistand nicht immer, muss manchmal umkehren, weil etwas nicht gelingt, nachspüren, wo ich versagt habe. Ich kann aber am Handeln von Jesus mein Tun reflektieren, die Fehler erkennen. Er ist für mich zum praktischen Vorbild geworden. An ihm und seinem Handeln kann ich mich orientieren.

Einer neuen Pädagogik folgen

Dass ich mich als Pädagogin verstehe, hat mir auch die Umbruchszeit in den 68 Jahren gezeigt, in denen die autoritäre Erziehung in antiautoritäres Verhalten Kindern gegenüber gekippt ist. Die Entwicklungsarbeit, die ich damals auch in meine Person investieren musste, um eine neue Pädagogik zu finden, zeigt auch heute noch Früchte. Mit der Erkenntnis, dass jeder eine einzigartige Berufung hat, verbindet sich für mich eine Rückfrage an alles, was ich anfange. „Was ist die Konsequenz wenn ich es so oder so mache“? Alles was ich tue, jedes Verhalten hat eine direkte oder längerfristige Auswirkung zur Folge. Diese Auswirkungen, die durch mein Handeln/Nichthandeln  oder Sprechen/Schweigen entstehen, sind die Konsequenzen mit denen ich rechnen kann. Wenn ich sie im Blick behalte kann ich meinen Lebensauftrag besser auf Kurs halten und meinen Wertvorstellungen treu bleiben. Mit diesem Gedankenwerkzeug, immer auch zu fragen, was durch diese oder jene Entscheidung entsteht, konnte ich zwischen den autoritären und antiautoritären Erziehungsmethoden  eine partnerschaftliche Pädagogik entwickeln. Sie berücksichtigt die Entwicklung der Gaben und Talente, vermittelt Wertorientierung, unterstützt die Suche nach dem einzigartigen Lebensauftrag und vermittelt die Erkenntnis eigene Entscheidungen an den Konsequenzen auszurichten. Für diese partnerschaftliche Erziehung sind deshalb logische Konsequenzen das Handwerkszeug, um auch bei Fehlverhalten pädagogisch sinnvolle Korrekturen vorzunehmen. Kinder müssen ja lernen in die Regeln der Gemeinschaft hineinzuwachsen, was ihnen leichter gelingt, wenn sie den Wert erkennen wozu sie dienen. Das konnten sie mit den willkürlichen Strafen des autoritären Ansatzes nicht, weil das Verständnis fehlte. Eine Ohrfeige, wenn das Kind seinen Teller nicht leer isst, dient nicht dazu Verhalten zu ändern, schafft nicht Erkenntnis. Isst ein Kind seinen Teller nicht leer, ist die logische Konsequenz dass es keinen Nachtisch gibt und der Rest abends nochmal warm gemacht wird, weil Essen wertvoll ist. Ich muss mein Handeln als Erwachsener begründen, damit das Kind meine Reaktion einsehen kann. Gleichzeitig ist es aber sinnvoll das Kind daran zu gewöhnen, dass es sich selbst nur soviel auf den Teller nimmt, wie es auch essen kann. Wenn es andererseits die Erfahrung macht, dass immer etwas liegen bleiben darf, ohne dass darauf reagiert wird und das Restessen im Mülleimer landet, unterstützen wir die Konsequenz der Entwertung von Lebensmitteln. Damit ich logisch reagieren kann, muss ich über die Konsequenz nachdenken, die im logischen Zusammenhang mit dem Vergehen steht. Fernsehverbot ist keine logische Konsequenz, wenn das Zimmer nicht aufgeräumt ist. Eher einsehbar ist, wenn das Kind erst raus darf, wenn es sein Zimmer aufgeräumt hat. Für das Fahrrädchen, das in der Autoeinfahrt liegt, das vom Kind auch nach mehrmaligem Auffordern nicht weggeräumt wird, braucht es eine Vorwarnung, die heißt: „wenn du dein Rädchen nicht selbst wegräumst, räume ich es weg, aber dann kannst du morgen nicht damit fahren. Das Kind hat selbst die Wahl wie es sich entscheiden will.  

Mit diesem Konsequenz - Ansatz kann ich anders auf Menschen zugehen, anders mit ihnen umgehen. Das trägt auch Früchte in meiner Arbeit als Coach. Diese Fähigkeiten sind lernbar. Ich kann mich sie in jeder Entscheidungssituation nach den Konsequenzen fragen, kann abwägen, reflektieren, den Geist spüren lernen, der mich zu einer logischen oder vielleicht unlogischen Entscheidung drängt oder abhält. Dabei kann ich beobachten, von welchem Geist ich gerade besetzt bin, denn es gibt nicht nur den „Guten Geist“, der mich wohlwollend leitet, sondern da treiben verschiedene destruktive “Geister“ ihr Unwesen in mir. Manchmal sind sie schwer erkennbar, deshalb bedarf es der besonderen Achtsamkeit auf die inneren Bewegungen und die Konsequenzen, um die Unterscheidung zu treffen.

Link: Die Autorin beschreibt im vorhergehenden Beitrag, wie sie Gott immer mehr in ihr Leben einbeziehen konnte und wie Christen ihr das schwer machten und andere ihr den Weg gezeigt haben: Der lange Weg

Der Blick auf die Konsequenzen hat Jutta Mügge auch auf ein zentrales Thema angewandt, die Theodizeefrage. Diese fragt,wie Gott,der allgütig und allmächtig ist, angesichts der vielen Gewalt und der Kriege gerechtfertig werden kann. Gott wird sozusagen unterlasssene Hilfsbereitschaft vorgeworfen. Er müsste eingreifen, um z.B. einen Tsunami zu verhindern oder einen Krieg zu beenden. Die das fordern, sagen aber nie, was die Konsequenz eines solchen Eingriffs wäre. Wer in diese Richtung weiterdenkt, kommt zu folgendem Ergebnis: Die Verbrechen und Kriege würden zunehmen, weil Gott ja die schlimmen Folgen auffangen würde. Der Bosheit würden noch mehr Tore geöffnet. Hier der Beitrag: Noch mehr Gewalt, wenn Gott eingreift


Kategorie: Verstehen

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