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Der Garten als Novizenmeister

Gärtnern ist Lebensbewältigung, denn wer sich auf einen Garten einlässt, lernt wie Leben gelingen kann, was Wachstum bedeutet, wie notwendig Pflege ist, wie Vielfalt für Ausgleich sorgt, welche Wohltat die Seele erfährt.

Die vielfältigen Erfahrungen bei der Pflege meines Gartens überraschen mich immer wieder. Dort kümmere ich mich nicht nur um Blumenstauden, Rosen und Büsche, sondern Gemüsebeete sorgen dafür, dass ich mich gesund ernähren kann. Es sind ganz unterschiedliche Gefühle, die in mir ausgelöst werden, wenn ich die Pflanzen beim Wachsen beobachte, wie die Tomaten langsam rot werden, wenn ich die Kartoffeln ausbuddle oder meine Mahlzeiten mit den verschiedenen Kräutern verfeinere, wie Lavendel die Hummeln anzieht, wie die Brennnessel für die Schmetterlinge sorgen, wie die Rehe ihre Schönheit mit dem Abknabbern der Rosenknospen pflegen.

Auf den Boden und die Nachbarn achten

Ob Tomaten, Bohnen, Zucchini, Salat, Gurken, sie alle brauchen einen Boden, der ihre Bedürfnisse deckt, denn nicht jede Pflanze wächst in jeder Erde. Beobachtungen zeigen, was ihnen guttut. Es dauerte eine Weile, bis ich mehr Sicherheit für das hatte, was meine Pflanzen brauchen. Mit der Zeit habe ich auch gelernt, welches Gemüse sich mit einem anderen verträgt. Ich kann das zwar im Internet nachlesen, was zu wem passt, aber vor Ort in meinem Garten muss ich es dennoch ausprobieren, denn ich habe keinen riesigen Acker, wo ich z. Beispiel die Kartoffeln weit von den Tomaten entfernt pflanzen könnte. Meine Tomaten müssen die Nähe aushalten, wenngleich ich schon darauf achte, dass sie sich nicht berühren.

Wasser ist das Lebenselixier

Die heißen und trockenen Sommer zwingen mich, mindestens alle zwei Tage die Gemüsepflanzen zu gießen. Eigentlich tut mir das in der Seele weh, aber ohne Wasser würde mir Vieles eingehen. Die Stauden, Büsche und der Rasen sollen selbst mit der Trockenheit zurechtkommen. Sie müssen sich tiefer verwurzeln, damit sie überleben. Ich habe inzwischen gelernt, einen gelben, trockenen, einen eher unschönen Rasen auszuhalten, denn es geht darum, Wasser einzusparen. Ich weiß ja, dass der Rasen, wenn es kühler wird und es wieder regnet, das Grün sich zurückmeldet. Er lässt sich nicht so schnell unterkriegen.

Bäume senken die Temperatur

In meinen Garten standen schon Bäume, unter die ich in Hitzezeiten fliehen kann. Sie bieten Schatten und ein kühles Lüftchen. Sie sind auch ein Beitrag für die Reduktion des CO2. Das können Obst- oder Nussbäume sein oder Ahorn, der mit seinen großen Blättern dichten Schatten wirft. Sie spenden nicht nur Schutz vor der Hitze, sondern anders als ein Sonnenschirm oder eine Pergola kühlen sie die Luft um oft 5 Grad herunter.

Diversität unterstützen

Ein gesunder Garten ist nicht eintönig, weil sich die Vielfalt von selbst ausbreiten darf. Das, was sich wohlfühlt, darf wachsen. Das gilt nicht nur für den Pflanzenbereich, sondern auch für die darin lebende Tierwelt. Vögel, Schmetterlinge, Bienen und Hummeln, Ameisen und Kröten, Blindschleichen und Marienkäfer sind nicht nur für die Befruchtung der Blüten unersetzlich, sondern auch dafür, „Schädlinge“ in Schach zu halten. Sie halten den Garten im Gleichgewicht. Die Blattläuse werden von den Marienkäfern und Ameisen gemolken. Die Kröten fressen Schnecken und anderes „Kleingwimmel“. Die Fische im Teich minimieren die Mückenplage. Auf diese Weise nimmt nichts Überhand.

Der Garten will Gäste

Wenn ich meinem Garten richtig zuhöre, dann weiß ich, dass er für seine Lebendigkeit Gäste will. Gäste sind nicht nur die vielen kleinen und größeren Tiere, die Insekten und Bienen, sondern auch die Menschen. Sie beleben den Garten mit ihren Erzählungen, dem Lachen und der Aufmerksamkeit für das, was gewachsen ist. Einladungen in den Garten sind viel unkomplizierter als die in eine Wohnung, denn der Garten bietet bereits selbst eine Atmosphäre an, die ich nicht erst herstellen muss. Ein Garten ohne Gäste wäre wie ein steriles Labor.

Im Blick behalten

Ich lerne beobachten, mich in die Pflanzen hinein zu fühlen, sie zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen. Denn nur so kann ich meinem Garten gerecht werden. Er kann wie ein Säugling nicht reden, zeigt mir aber durch sein Verhalten, wie es ihm geht. Ich werde mit der Zeit zu einer immer besseren Beobachterin, verstehe immer mehr von den Wachstumsbedingungen, spüre, was notwendig ist, um daraus die richtigen Entscheidungen zu treffen, die dem Garten guttun. Auch lebe ich durch den Garten die Jahreszeiten immer intensiver, denn er fordert mich jeweils anders.

Wechselnde Herausforderungen in den unterschiedlichen Jahreszeiten

In jeder Jahreszeit braucht der Garten etwas Anderes von mir. Im Frühjahr geht es um die kleinen Setzlinge, die ich bereits im März im Haus vorgezogen habe. Sie dürfen erst nach dem letzten Frost, so um den 20. Mai herum, in die Erde gesetzt werden. In diesem frühen Stadium brauchen sie viel Fürsorge. Haben sie sich gut an den Boden im Freien gewöhnt, sind sie nicht mehr so empfindlich und vertragen auch schon mal einen Tag ohne Gießen. Im Sommer, wenn die Hitze brennt, muss ich morgens früh gießen. Das morgendliche Wässern hält, anders als wenn ich abends gieße, die nachtaktiven Schnecken fern. Salat und Tomaten, Gurken, Zucchini und Kräuter kann ich jetzt fast jeden Tag ernten.
Wenn die Kartoffeln im späteren Sommer groß geworden sind, setze ich den Grünkohl für den Winter in das Beet. Im Herbst wird der eigene Kompost in die „geputzten“ Beete untergegraben. Das restliche Gemüse, außer Lauch und Grünkohl, wird abgeerntet. Jetzt kann der Garten wieder „Luft“ holen, sich über den Winter zur Ruhe begeben und die Gärtnerin auch, denn im Winter ist Pause. Ich sichere die Samen, mit denen ich im zeitigen Frühjahr die Setzlinge vorziehe, die ich später ins Freiland pflanze. Damit lasse ich immer weniger Geld in den Gartencentern zurück.

Weniger Chemie

Mit meinem Garten kann ich mich gesund ernähren, brauche keine chemischen Keulen, um „astreine“ Ernte zu erzielen. Auch die krumme Möhre ist in meiner Küche gewollt. Freunde und Nachbarn schätzen es, wenn ich meine biologische Ernte mit ihnen teile oder Setzlinge, die ich selbst ziehe, verschenke. Es macht auch einen großen Unterschied im Geschmack, ob ich Tomaten aus dem Treibhaus oder der puren Sonne ausgesetzt, ohne Chemie großgezogen, verkoste. Da schmecken die Tomaten noch nach richtigen Tomaten.

Mit meiner Seele zur Ruhe kommen

Bei all den Aktivitäten im Garten klingt es so, als gäbe es keine Zeit zum Ausruhen. Dem ist aber nicht so. Er gewöhnt mich an eine Zeitstruktur und entlässt mich immer mit einer größeren inneren Ruhe. Die für unsere Zeit typische Hektik gewöhnen mir die Pflanzen langsam ab und lehren mich, auf das Wachsen zu vertrauen. Mit der Zeit hat der Garten mich unabhängiger gemacht. Je mehr ich dem Wachsen vertraue und auch mir, dass ich die Pflanzen mit sicherer Hand zur Reife bringe, desto weniger tangieren mich die ständig zunehmenden Krisen. Mit dem Garten, da bin ich mir sicher, werde ich auch durchkommen, wenn die Krisen durch Inflation und Lieferengpässe empfindlicher durchschlagen.

Links: Gärtnern heißt: Hoffnung verankern
         Wie Gott seinen Novizenmeister unterstützt: Gott handelt ökologisch

 

   


Kategorie: Entdecken

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