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Wenn ich mich als Geschenk verstehe

Jeder von uns ist ein Geschenk an die Welt, um sie mit den individuellen Begabungen und Talenten zum Guten hin mit zu gestalten. Wenn wir die Idee des Schenkens weiter verfolgen, kommen wir zu dem Urheber von allem, der ja mit dem Geschenk eine Absicht verbindet.

Dass Eizelle und Samen, die für mein Dasein notwendig waren, zusammenpassten, ist schon nicht selbstverständlich. Die gelungene Vereinigung war ein Geschenk an meine Eltern. Aber wir sind mehr als das Geschenk für unsere Eltern. Mit zunehmendem Alter werden wir immer mehr auch ein Geschenk für andere und diese Welt. Ein Geschenk durch was? Für wen und von wem?

Geschenke haben eine Bestimmung

Wenn ich auf das schaue, womit mich Menschen beschenken, dann spüre ich, dass sie mir damit etwas Gutes tun wollen. Sie haben bei der Auswahl an mich gedacht. Je besser sie mich kennen, desto eher treffen sie mit ihrem Geschenk auch meine unausgesprochenen Wünsche. Deshalb können Geschenke sehr verschieden ausfallen. Sie können mich aufmuntern, mich unterhalten, mich etwas lehren, mir die Langeweile vertreiben, mich mit ihrer Schönheit erfreuen, mir den Hunger oder Durst stillen, mich auf etwas aufmerksam machen, mich auf neue Gedanken bringen, mich trösten, mich zum Lachen bringen, mich schmücken, mich anregen etwas zu unternehmen, mich überleben lassen. Geschenke offenbaren mir vor allem die Liebe des anderen, deshalb sind sie besonders kostbar. Das wichtigere sind aber die Schenkenden selbst mit ihrer Person.

Wir sind selbst Geschenk

Wenn ich dieses Bild auf unsere Existenz übertrage, dann können auch wir uns als Geschenk verstehen. Geschenkt von etwas Größerem für das Zusammenwirken mit anderen Menschen, für einen pfleglichen Umgang mit der Schöpfung, für die Verständigung in der Welt. Wir sind Geschenke mit ganz unterschiedlichen Begabungen und damit auch ganz verschiedenen Lebensaufträgen. Da wir nicht nur von in uns eingepflanzten Gesetzen gelenkt werden, sondern auch über Geisteskraft und Talente verfügen, sollen wir das Leben in der Welt aktiv mitgestalten. Wir sind nicht gedacht als „stummes Denkmal“ im Park, oder als „Stehrümchen“, die man ins Regal stellt, sondern haben eine Bestimmung für die begrenzte Lebenszeit, die uns ja auch geschenkt ist. Diese Bestimmung leite ich aus unseren Begabungen und Talenten ab. Sie sind so verschieden, dass sie in der Mischung eine bunte Vielfalt ermöglichen. Sie sind so einzigartig, dass wir damit auch eine eigene Lebensaufgabe erfüllen, damit das Leben der anderen bereichern und ihnen etwas ermöglichen.

Geschenke haben immer einen Absender

Geschenke kommen wie bei der Post von irgendwo her und gehen irgendwo hin. Wenn wir klein sind, sind wir weder Absender noch Empfänger unseres Geschenkes, sondern erst einmal nur Geschenk. Der Absender wird von uns unterschiedlich gesehen. Für mich muss es einer sein, der mehr kann als ich. Es muss jemand sein, der größer ist als das, was ich denken kann. Es muss auch einer sein, der die Anliegen seines Empfängers, nämlich die der Welt, kennt, der weiß, womit er sie bereichern, erfreuen, unterstützen, befruchten kann. Denn ich bin ja nicht umsonst mit meinen Begabungen in dieses Jahrhundert geboren. In einer anderen Zeit hätte ich andere Talente gebraucht. Außerdem muss es auch jemand sein, der mich gezielt ausgewählt hat, um mich als Geschenk zu verschenken, dem ich so kostbar bin, dass es ihm ein Herzensanliegen ist mich erst meinen Eltern, dann den Menschen, der Natur und der Welt zu überlassen. Denn wenn ich darüber nachdenke, wie ich schenke, dann muss es immer auch etwas sein, was nicht nur dem anderen gefällt, sondern, was ich selbst wertvoll finde und gerne behalten würde.

Andere und auch ich können unterschiedlich mit dem Geschenk umgehen

Ich bin nicht für mich selbst geschenkt, sondern ein Geschenk an und für die anderen. Die Empfänger meines Lebens sind erst einmal meine Eltern, dann die Menschen in Schule und Beruf wie in der Familie und in meinem Freundeskreis.  Je mehr sich meine Begabungen unter der Obhut meiner Eltern, Erzieherinnen, Lehrer, Ausbilder und auch meiner Großeltern entwickeln können, desto mehr Möglichkeiten habe ich, diese zu entfalten, um mich mit diesen Kompetenzen in dieser Welt aktiv zu beteiligen. Es geht also schon bei den Empfängern Eltern darum, mit dem kostbaren Geschenk des Kindes sorgsam umzugehen.
Wenn ich dann erwachsen bin und auf eigenen Füssen stehe, komme ich immer mehr in eigene Verantwortung. Ich werde immer mehr mit meinen Talenten und Begabungen selbst zum Schenkenden. Ich bin nicht wie ein Ball gedacht, der keinen eigenen Willen hat, den andere zum Spielen willkürlich hin und her werfen können, denn ich verfüge über Urteilsvermögen und damit auch über die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, um so meine Lebensziele anzusteuern. Ich bin also kein hilflos ausgeliefertes Geschenk, sondern werde zunehmend selbst zum aktiven Absender für andere Empfänger. Ich kann mit dem, was aus mir geworden ist andere unterstützen, bereichern, erfreuen, zum Lachen bringen, das Leben mit ihnen so gestalten, dass es lebenswert bleibt, ich kann meine Kompetenzen da einbringen,  wo sie gerade gefordert sind etc. Vielleicht kann ich mich sogar als verlängerten Arm dieses Größeren erkennen, der durch mich hindurch in diese Welt wirken will. Gleichzeitig bin ich immer wieder Empfänger der Geschenke der anderen. Da geschieht Geben und Nehmen.

Der Absender kann etwas von mir erwarten

Wenn ich mich als Geschenk verstehe, das aus Liebe hergegeben wurde, das so kostbar ist, dass es zur Gestaltung der Welt beitragen kann, dann rührt mich das tief in meiner Seele an. Ich spüre große Dankbarkeit und Ehrfurcht. Dankbar für die Zuwendung, für mein Dasein aber auch Ehrfurcht vor dem Dasein dessen, der mir zutraut, dass ich mit meinen Talenten und meinen Möglichkeiten seine Welt mitgestalten kann. Ich bin dankbar für die Menschen, die mich mögen, die mich unterstützen, die mit mir das Leben teilen, wie auch dankbar für die Natur, die mich nährt, erfreut und zur Ruhe kommen lässt.
Der Schenkende, wie immer wir ihn auch nennen mögen - für mich ist es Gott - hat für alles das meinen Dank verdient, indem ich mich bemühe, der Bestimmung des Geschenkes gerecht zu werden, meine Begabungen und Talente in die Gestaltung bringe, aber auch, dass ich mich zu ihm bekenne. Bekennen heißt dabei für mich, dass ich meinen Lebensauftrag annehme und verwirkliche, aber auch, dass ich mich nicht scheue, auch bei Gegenwind, ihn zu loben, zu ehren und zu ihm zu stehen. Er hat mich ausgewählt, ist mit mir eine Beziehung eingegangen, die ich nicht zurückweisen sollte, wie ich auch Geschenke nicht einfach ablehne. Gott kann von mir erwarten, dass ich mit seinen Geschenken an die Welt, also mit mir und den anderen, wie auch mit der Natur, „gut“ umgehe, dass ich auch ihn nicht links liegen lasse, oder sogar verleugne, dass ich Zeugnis gebe, ihn achte, jeden Tag aufs Neue meine Beziehung zu ihm pflege, mit ihm rede. Es ist eine Beziehung auf Gegenseitigkeit. Er ist es, der jedem von uns in jeder Situation seinen Platz in diesem Leben einräumt, den wir mit unserer Person wie mit den einzigartigen Geschenken der anderen gestalten können. Gott will mit uns und durch uns hindurch in die Welt hinein wirken. Die Bedingungen, die wir vorfinden, können wir in eigener Verantwortung weiterentwickeln. Manchmal frage ich mich, ob wir dieses großzügige Angebot nicht überstrapaziert haben. Wenn ich unsere ökologische Misere anschaue, die wir seit Jahrzehnten herstellen, dann fühle ich mich in großer kollektiver Schuld gegenüber den nächsten Generationen, aber auch gegenüber demjenigen, der für uns „Leben in Fülle“, aber nicht auf Kosten der Natur oder anderer Menschen will.


Kategorie: Verstehen

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