Georgskirche Nördlingen, Foto: hinsehen.net E.B.

Religion: für meinen Lebensauftrag und die Hoffnung auf Frieden

Religion begleitet mein Leben und hält mir den Himmel offen. Sie unterstützt mein ethisches Denken und Handeln. Durch sie kann ich den Sinn meines Daseins und meinen individuellen Lebensauftrag deutlicher sehen, sie gibt mir auch für die kleinen Dinge des Alltags Kraft und Orientierung.

Mit Werten das Leben gestalten

In den Evangelien werde ich aufgefordert, mein eigenes Tun auf einem Werteuntergrund aufzubauen. Dieser soll mein Leben gelingen lassen: Ich kann mich der Art, wie Jesus gehandelt, gedacht, geredet hat, annähern, denn er hat zu vielen wichtigen Lebensfragen etwas Zutreffendes gesagt. Auch wenn ich Perfektion in meinem Handeln nicht erreiche, lohnt es sich, mich mit diesen Vorgaben auf den Weg zu machen. Sie immer wieder in den Blick zu nehmen, mich zu hinterfragen, ob ich sie noch einhalte. Es sind Werte, die mich in Entscheidungssituationen davon abhalten, in Sackgassen zu laufen, denn sie suchen den Frieden und die Gerechtigkeit, sie richten mich sozial aus, stärken mich innerlich, weil sie mich auffordern, meinen Lebensauftrag aktiv umzusetzen. Sie ermöglichen mir, andere im Blick zu behalten, Andersartigkeit zu tolerieren und an der Not nicht vorbeizugehen. Will ich diesen Werten in meinem Leben wirklich folgen?
Das ist eine innere Entscheidung, zu der mich die christliche Religion ermutigt. Dazu gehört auch, genauer hinzuschauen, was ich tue, wie ich spreche, ob ich würdevoll mit anderen umgehe, ob ich ehrlich bin, ob ich etwas verheimliche. Für den Alltag entscheidend, ob ich dem Trieb, eher über das Schlechte der anderen zu reden, folge. Das hält mich davon ab, andere übers Ohr zu hauen, meinen Vorteil verfolge und damit an den Bedürfnissen der anderen vorbeigehe. Es sind die sozialen Werte, die ich nicht nur mir, meinem Nächsten und der Gesellschaft gegenüber verantworten muss, sondern vor allem auch dem Größeren über mir.

Das Zusammenleben ermöglichen

Es sind Lebenswerte, die überhaupt erst zu einer Gemeinschaft führen, indem sie zu verantwortungsvollem Handeln befähigen. Es sind Werte, denen wir ja eigentlich alle irgendwie zustimmen. Weshalb brauche ich dazu noch die Religion? Ohne die Verknüpfung mit etwas Höherem können diese Werte schnell umgedeutet oder manipuliert werden. Wir kennen das aus der Geschichte und der aktuellen Kriegssituation.
In der christlichen Religion finde ich diese Werte, die das Miteinander von Menschen in guter Weise unterstützen. Sie gibt mir die Sicherheit, dass der Missbrauch dieser Werte nicht ungesühnt bleibt.

Evangelien eröffnen eine tiefere Ebene

Die Evangelien, die häufig in Bildern sprechen und sich in einer Symbolsprache ausdrücken, unterstützen mich darin, mehr über die Bedeutung meines Lebens nachzudenken, genauer hinzusehen und eigenes Handeln zu reflektieren. Ich will ja verstehen, was Jesus wollte. Ich gewinne dabei manchmal einen neuen Blick, der sich mir auch ganz plötzlich eröffnen kann. Wenn Jesus z.B. davon spricht: „Ihr seid das Licht der Welt und jedes Licht soll leuchten“, dann erkenne ich deutlicher, wie ich meine Talente und Begabungen aktiv in diese Welt einbringen soll. Das ist ein Anspruch an jeden von uns, nicht mit den eigenen Gaben zu geizen, sondern sie zu zeigen und damit der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Auch für Eltern, Lehrer*innen, Ausbilder*innen gilt dieser Auftrag, nicht nur das eigene Licht, sondern das Licht des Anderen zu fördern, jeden zu ermutigen sein Licht zu erkennen und es zum Leuchten zu bringen. Denn erst wenn jeder seine Berufung unter dem Scheffel hervorholt, kann diese Welt hell und der Einzelne heil werden. Das ist nur eine Aussage aus den Evangelien. Jeden Tag kann ich etwas Neues lesen und mich damit im Alltag orientieren. Damit gelange ich in eine immer tiefere Bewusstseins- und Verstehensebene, ich begreife immer besser, wie die einfachen Aussagen Jesu mein Leben von innen her stärken. Ich kann mir sein Handeln zum Vorbild nehmen und spüre in der Meditation, dass noch viel Spielraum nach oben besteht. Um meinen Lebensauftrag zu leben, brauche ich keine Religion könnte jetzt einer sagen. Ja, das ist natürlich möglich, aber dadurch, dass mir explizit in den Evangelien mein einzigartiger Lebensauftrag zugesprochen wird, den ich mit meinen Begabungen finden und leben soll, spüre ich die Kraft, die größere Gewissheit und Sicherheit, mich auch wirklich dafür zu entscheiden, selbst auch unter schwierigen Bedingungen, z.B. wenn mich andere nicht darin unterstützen.

Aus der Ich-Fixiertheit herauskommen

Nicht immer gelingt es mir, dem christlichen Anspruch gerecht zu werden. Dafür bin ich zu fehlerhaft, zu schusselig und vor allem zu egoistisch. Auf meine Unachtsamkeit und Ich-Fixierung macht mich die Religion immer wieder aufmerksam. Sie gibt mir auch den Raum, das einzusehen, mich zu entschuldigen und auch bei Gott um Vergebung zu bitten. Diese Bitte vor Gott hat Gewicht, denn seine Vergebung heißt nicht, dass ich einfach so weitermachen kann, sondern, dass ich mir mein Handeln nicht nur anschaue, sondern mir vornehme, mich zu ändern. Diese Reflexionsarbeit hat selten gleich Erfolg. Bleibe ich jedoch beständig dran, habe ich eine Chance, mich weiter zu entwickeln. Und darum geht es in der Welt, dass sich unser Leben entfaltet und jeder sich durch Reflektion, Meditation oder Gebet auf eine tiefere Dimension im Leben einlässt. Dabei sollte ich, ehe ich mit dem Finger auf andere zeige, bei mir anfangen. Hätte ich, hätten wir das mehr im Blick, bräuchten wir weder die kleinen noch die großen Kriege. Die Bibel spricht eine einfache Sprache. Jeder kann deshalb überprüfen, ob ihre Perspektiven und Anforderungen das Leben fördern.

Religion gibt den langen Atem

Religion ist aber nicht nur Anspruch an mein Verhalten, sondern auch Trost. Sie gibt mir in düsteren Zeiten, wie z.B. in diesem Ukrainekrieg, die Hoffnung, dass nicht Putin oder andere Despoten die Welt lenken, sondern letztlich eine Instanz existiert, die unbestechlich ist und für Frieden steht. Der Glaube daran, dass es in mir und anderen Menschen einen tiefen göttlichen Impuls gibt, der sich langfristig durchsetzen wird, weil viele Menschen ihm instinktiv folgen, der vom Frieden und nicht dem Zerstörungswillen gelenkt wird, gibt meiner Hoffnung Nahrung. Das Vertrauen, dass es eine absolute, verlässliche, letzte Instanz gibt, die in und um uns herum wirkt, gerät allerdings manchmal in Zweifel. Dann ist meine Zeitrechnung so kurzatmig, so wie die der Börse und der Politik. Denn die Wahrheit kommt meist nicht kurzfristig ans Licht. Es kann lange dauern, bis Täter ermittelt und verurteilt werden, bis sich so etwas wie Frieden oder Gerechtigkeit einstellt, bis Umkehr möglich ist. Für meine Zeitrechnung ist das unbefriedigend, aber für das Größere über uns gibt es keine Verkürzung der Zeit und keine Verkleinerung des Raumes, es ist einfach da und ermöglicht mir einen langen Atem.


Kategorie: Verstehen

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