Kirche Schwarzrheindorf, Foto: hinsehen.net E.B.

Nachhaltigkeit durch mehr Lebensqualität

Die Flutkatastrophe, die Wälder und Meere, die sich massiv verändert haben, Corona und die fehlenden Pflegekräfte für eine immer älter werdende Gesellschaft: Sie zeigen Probleme auf, die uns zum Umkehren und Handeln zwingen, damit wir den nächsten Generationen noch Zukunft eröffnen. Werden noch mehr technische Entwicklungen und die weitere Digitalisierung diese Probleme lösen und uns eine höhere Lebensqualität einspielen?

Technik bringt nicht die erhoffte Lebensqualität

Ist nicht ein großer Teil unserer Bevölkerung bereits jetzt schon überfordert mit vielen der neuen technischen Errungenschaften? Bei jedem neuen Update auf meinem PC oder auf meinem Handy werde ich nervös, weil ich mich in die neue Version einarbeiten muss, obwohl ich doch ganz gut mit der alten zurechtgekommen bin. Unsere Jugend kommuniziert fast ausschließlich über den Bildschirm, welche Auswirkungen wird das haben? Werden wir mit „Alexa“, „Susanna“ oder wie sie dann heißen werden, denen wir Befehle erteilen, um unseren Alltag zu meistern, glücklicher? „Türe auf“, „Jalousien runter“ „Musik an“ „Sauna auf 80Grad“, „Heizung im Bad an“, „Kühlschrank ist leer“ und zwei Stunden später steht der Lebensmitteldienst vor der Türe.
Bei Stromausfall kommen wir dann nicht aus dem Haus, müssen im Dunkeln sitzen, frieren, können mit dem Auto nicht weg, weil das Garagentor nicht aufgeht. Und wenn die Akkus leer sind, uns nicht mehr mit dem Telefon oder mit Mail bei anderen verständlich machen.

Wollen wir so viel Abhängigkeit von der Technik?

Eine höhere Lebensqualität folgt nicht einfach aus noch mehr Technik. Diese überholt uns und wir laufen ihr schon heute hinterher. Das können wir an den maroden Brücken sehen. Es fehlen an allen Enden qualifizierte Handwerker, Monteure, um die immer komplizierter werdende Technik warten zu können. Da sind oft sogar Ingenieure mit einem Hochschulstudium notwendig und manchmal sind auch sie überfragt. In den Krankenhäusern und Altenheimen fehlen heute schon zehntausende Pflegekräfte. Wie kann der zukünftige Bedarf gedeckt werden? Krankenhäuser scheuen den Aufwand, ausländische Pflegekräfte aufzunehmen, werben sich gegenseitig deutsche Pflegekräfte lieber mit tausenden Euro Sonderzahlung ab, anstatt in Sprachkurse für ausländische Pfleger*innen zu investieren. Fehlen Menschen für den Pflegedienst, werden Roboter unsere Lebensqualität am Krankenbett und in der Altenpflege sichern müssen. Wollen wir von Automaten bedient werden? Was ist die Alternative?

Mehr Menschlichkeit steigert die Lebensqualität nachhaltiger

Wir brauchen mehr Menschlichkeit. Privat wie im Arbeitsleben. Wir brauchen mehr Zeit in den Familien, Möglichkeiten, um sich auszutauschen. Das geschieht nicht ohne Wille und Planung. Wir brauchen eine Gesprächskultur, die sicherstellt, dass jeder zu Wort kommt, damit unterschiedliche Sichtweisen gehört werden. Achten wir in unseren Begegnungen darauf, dass jeder von sich etwas erzählen kann? Oder reden nur immer diejenigen, die sowieso Wortführer*innen sind? Wir benötigen neue Arbeitsformen, die sich auf die Mitarbeitenden individuell anpassen lassen. Begegnungen im Arbeitsbereich wie in den Familien brauchen mehr Raum. Mit Corona und dem Homeoffice wurden ja bereits erste Erfahrungen gemacht.
Wenn wir uns nur auf den technischen Fortschritt fokussieren, verlieren wir uns als Menschen. Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal hat sich doch gezeigt, dass die menschliche Zuwendung, die Hilfsbereitschaft, die Empathie mit den Betroffenen das ist, was zum Überleben noch notwendiger gebraucht wird als materielle Hilfen. Auch Corona hat gezeigt, wie wir auf die anderen angewiesen sind, wie wir seelisch verhungern, wenn uns Begegnungen fehlen. Da hat die Technik mit den Online-Portalen und Videoplattformen zwar einiges erleichtert, aber nicht ersetzt. Die Investitionen von Geld und Zeit nur in den technischen Fortschritt zu stecken, wäre fatal. Denn bei der dann nötigen Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und der Führungskräfte, wie der Lehrer*innen und Hochschulprofessor*innen geht es dann ja auch nur darum, die Neuerungen zu verstehen und handhabbar zu machen. Da fehlt der Blick auf das, was mit den Menschen geschieht. Wir brauchen viel mehr die „weichen“ Fähigkeiten, die soft skills, die sicherstellen, dass jeder Einzelne sich in seinem jeweiligen Verbund, ob am Arbeitsplatz oder in der Familie aufgehoben fühlen kann. Deshalb braucht es Investitionen in die Führungskompetenzen von denjenigen, die in verantwortlicher Leitung stehen, denn sie haben die Aufgabe, in ihrem Verantwortungsbereich eine Atmosphäre der Wertschätzung aufzubauen und zu sichern. Wir stecken in einer neuen Entscheidungsphase. In was wollen wir unsere Ressourcen, die ja begrenzt sind, stecken? Wollen wir noch mehr technischen Fortschritt, noch mehr Digitalisierung, noch mehr, noch höher, noch weiter, noch mehr Abhängigkeit von der Technik oder kehren wir um und nutzen erst einmal das, was wir geschaffen haben. Dafür müssten wir nachholen, was in unserer Gesellschaft menschlich zu kurz gekommen ist.

Die Entwicklung der Begabungen erhöht die Lebensqualität

Mehr Menschlichkeit geht in meinen Augen über die Charakterbildung und darüber, dass sich die Einzelnen mit ihren Gaben und Talenten verwirklichen können. Dafür braucht es den Blick auf den Einzelnen. Das fängt bei den Kindern an. Denn Lebensqualität hängt auch davon ab, ob jeder seinen ganz individuellen Platz in seinem Lebensumfeld findet. Seinen Ort, wo sich die persönlichen Begabungen weiterentwickeln können, damit sie der Allgemeinheit zu Gute kommen. Dafür braucht es die Aufmerksamkeit für die Talente, sowohl im Schulalltag, in den Ausbildungsstätten, in der Arbeitswelt wie an den Unis. Mit diesen Talenten, die in jedem einzelnen schlummern und nach und nach heranwachsen, gedeiht auch der jeweilige Charakter und zeigt schon früh die Richtung an, in die sich der Einzelne entwickelt. Für diese Begabungen sucht jeder in unserer Gesellschaft seinen Platz, den ihm die anderen ermöglichen müssen.

Leitungsaufgabe

Leitung hat die Hauptaufgabe, dass sich Mitarbeiter*innen unter ihrer Leitung weiterentwickeln können. Vielen Mitarbeiter*innen geht es nämlich nicht nur darum, viel Geld zu verdienen, sondern sich mit ihren Begabungen und Talenten zu verwirklichen. Die Millennials, die heute 30- bis 40jährigen, die in nächster Zukunft die jetzigen Führungskräfte ablösen werden, entwickeln für sich bereits ein neues Lebenskonzept. Sie wollen in einem Umfeld arbeiten, in dem sie Akzeptanz erfahren. Führungskräfte erleben, die sie in ihren Qualitäten erkennen und fördern. Sie wollen ein Arbeitsumfeld, in dem Leben mit Arbeit verknüpft ist. Diese Atmosphäre hängt weitestgehend von der Führungskompetenz der Leitungskräfte ab. Auch die Generation Z, die 20- bis 30jährigen, will mehr Lebensqualität durch work-live–Balance. Und ganz zu schweigen von der „Greta- Generation“. Sie wollen die Lebensbedingungen nicht nur für uns Menschen, sondern für alle Lebewesen verbessern. In diesen Generationen sitzt bereits innere Energie, sich gegen den massiven Fortschrittsdruck, gegen noch mehr Technisierung, gegen Burnout und andere Stressfaktoren, die krankmachen, zu wehren. Führungskräfte können diese Mitarbeiter*innen besser in ihren Arbeitsprozess integrieren, wenn sie sich mit deren Wertvorstellungen beschäftigen. Dafür braucht es Mitarbeitergespräche, innere Charaktergröße der Führungskräfte, um die Vorstellungen der Jungen nicht gleich abzuwehren. Denn sie wollen etwas verwirklichen, das für die momentane Führungscrew schwer auszuhalten ist.

Charakterschwächen reduzieren

Liegt uns eine Gesellschaft am Herzen, in der Menschlichkeit siegt und nicht nur der technische Fortschritt, kommen wir nicht darum herum die, social skills zu erlernen, die mich darin unterstützen, die eigenen Schwachstellen besser zu händeln. Social skills sind die Fähigkeiten, die mir helfen, meinen Charakter in einen Ausgleich zu bringen, damit er in Stresssituationen nicht zerstörerisch zuschlägt. Ich kann sie lernen, indem ich hinschaue, was ich tue, wie ich reagiere, wann ich mich stresse.

Da jedes Charaktermuster nicht nur über bestimmte Begabungen verfügt, sondern auch mit Schwachstellen und den Schattenseiten zu kämpfen hat, liegt es doch auf der Hand, dass sie Beachtung finden müssen. Denn sie sind es, die das Miteinander mit den anderen erschweren und mit denen ich zudem auch meine eigene Freiheit eingrenze. Meistens kennen wir unsere „Abgrundseite“ nicht und entdecken nicht die Möglichkeiten, wie wir sie ausgleichen können. Mit der Bereitschaft, mein Verhalten zu reflektieren, kann ich an meinen Schattenseiten arbeiten. Andere unterstützen mich dann wirksam, wenn sie mich nicht konfrontativ kritisieren, sondern behutsam rückmelden, wie sie mich erleben. In Fortbildungen kann ich meine Führungskompetenzen entwickeln. Ich kann lernen, wie ich meine Mitarbeiter*innen besser leite und wie ich mit meinen eigenen Fallstricken konstruktiver umgehen kann. Ich kann neues Verhalten trainieren und einüben.

 

Die Bewältigung der Corona-Pandemie kann nicht allein durch die Impfstoffe gelingen. So wie Typhus und Cholera durch mehr Hygiene gebändigt wurden, braucht es für das Corona-Virus eine Lufthygiene und die Sorge für die Immunabwehr. Nicht mehr der Cholesterinspiegel wird im Vordergrund stehen, sondern der Impfstatus. Dazu der Beitrag
Corona 2022: Mehr als auf das Impfen setzen

 

 


Kategorie: Verstehen

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