Die magische Phase
Der Religionspsychologe Fritz Oser beschreibt diese magische Stufe des Kindes sehr prägnant:
Ich gebe allem, was ich nicht begreifen kann, einen konkreten Platz in meinem Leben. Denn vor dem 7. Lebensjahr kann ich noch nicht abstrakt denken. Ich muss ja die Welt verstehen. Diese magische Phase ist märchenhaft. Ich kann mir auch gut das Christkind vorstellen, das durch das Schlüsselloch in mein Kinderzimmer kommt, den Nikolaus der meine Stiefel füllt.
Gott bekommt für mich sogar ein Gesicht, denn in dieser Phase des magischen Denkens kann ich mir meinen Gott phantasievoll ausmalen. Er ist meist der alte Mann mit dem langen weißen Bart.
In dieser Phase bete ich wie ein Kind betet. Ich gebe alle meine Wünsche, auch meine Ängste an Gott ab, damit er alles zum Guten verändert. Mit meinem Älterwerden kommen dann schon mal Zweifel auf, ob das wirklich so funktioniert, aber in mir ist eine große Hoffnung oder Sehnsucht, es möge stimmen
Wenn die Erwachsenen mich nicht unnötig lange auf dieser religiösen Stufe festhalten, indem sie mich immer noch glauben lassen, dass es einen Gott gibt, der alles regelt, überall eingreift, komme ich auf ganz natürliche Weise in ein neues Stadium meines Gottesbildes.
Do ut des – Phase - Gott wird für mich zum Handelspartner
Ich gebe, um etwas zu bekommen, denn ich erkenne, dass es Gott so wie ich ihn mir vorgestellt habe, nicht geben kann. Auch das Christkind hat seinen Glanz als Schlüsselloch-Fee verloren. An den Nikolaus, der durch den Kamin steigt, glaube ich sowieso schon lange nicht mehr. Ich kann jetzt bereits abstrakt denken, so dass ich mich in einen neuen Bezug zu Gott setzen kann. In dieser religiösen Stufe nimmt Gott in meinem Leben einen anderen Platz ein. Ich mache mit Gott einen Deal. „Do ut des“: „ ich gebe dir und du gibst mir“. Ich verspreche Gott, dass ich bete oder am Sonntag in den Gottesdienst gehe, der Mama höre und er sorgt dafür, dass meine Rechenarbeit gut ausfällt. Ich opfere mein Taschengeld mit dem Gedanken, dass Gott es belohnen wird. Ich will ihn gut stimmen. Mein Gott lässt nämlich mit sich reden und verhandeln. Doch auch diese Phase geht, meist mit dem Eintritt in die Pubertät, zuende.
Die Deismus Phase - Ich habe mein Leben selbst in der Hand
Ich spüre Gott nicht mehr auf meiner Seite, sondern auf der, gegen die ich beginne zu rebellieren. Er stützt nämlich die „Gängelung“ meiner Eltern. “Ich will aber unabhängig werden von diesen Autoritäten, die mich bestimmen wollen“. „Ich will nicht mehr bevormundet werden“. Ich weiß selber genau wo es für mich langgeht. „Ihr habt mir nichts mehr zu sagen.“ Ich wehre mich immer entschiedener gegen die Macht der Eltern.
Auch Gott entziehe ich den Einfluss auf mein Leben. Ich hadere mit ihm, weil ich ihn zu mächtig erlebe. Gleichzeitig scheint er in meinen Augen ziemlich ohnmächtig zu sein, denn er verhindert nicht die immer wieder aufflammenden Kriege, er greift auch nicht in mein Leben ein, wenn etwas schief geht. Also, was soll das denn mit so einem Gott. Den brauche ich nicht.
Gott wird für mich auch deshalb fragwürdig, weil er viele meiner Vereinbarungen mit ihm nicht eingehalten hat. Ich habe da etwas mit ihm verhandelt, was er nicht eingelöst hat. Warum auch immer? Dann brauche ich auch keinen Gott. Wofür, wenn er auf meine Wünsche nicht reagiert.
Mein Leben geht auch ohne Gott
Ich will jetzt nicht mehr wie ein unmündiges Kind fromm sein. Außerdem will ich unabhängig sein, mein Leben selbst in die Hand nehmen, mich frei fühlen. Ich muss mich von allem, was mich bestimmen will, losmachen. Das gilt für Eltern, hinter denen ja Gott steht, der ihnen erst diese Autorität verliehen zu haben scheint. Ich suche lieber Gleichgesinnte, die so denken wie ich. Dort finde ich Bestätigung. Da muss ich auch aus dem kirchlichen Umfeld weg, um mich verstanden zu fühlen. Als Messdiener war ich ja noch ziemlich angepasst, auch gemocht. Wenn ich jetzt aber mit meinem Widerstand, meinem Unabhängigkeitsdrang komme, ist das für viele oft schwierig. Da gibt es nur wenige, die mich verstehen und nicht gleich ausgrenzen. Ich werde behandelt wie ein Abtrünniger.
Ich brauche aber, um meinen Weg zu finden, erst einmal meine Unabhängigkeit. Ich brauche Menschen, die meinen Zugang zur Welt verstehen, dass ich mich gegen alles, was Einfluss auf meine Entscheidungen nehmen will, erst einmal wehren muss. Ich suche eine neue Sicherheit in meiner Freiheit, die aber Gott wie die Erwachsenen offensichtlich auch nicht will.
Beten kommt jetzt eher selten vor. Meist nur, wenn ich in Not oder mal wieder in der Kirche bin. Eigentlich wird mir der Glaube zunehmend gleichgültig.
„Futter“ für die nächste religiöse Entwicklungsstufe
Es ist ganz deutlich, dass der Gott meiner Kindheit ausgedient hat. Ich stehe vor der Frage, ob ich neu nach ihm suche oder ob ich ihn in die Bedeutungslosigkeit verabschiede. Das Leben ist doch ganz bequem ohne Gott. Ich kann auch diejenigen, die immer noch so „fromm“ sind, lassen. Ich muss daran nicht rütteln. Eigentlich ist es mir auch gleichgültig.
Gleichgültigkeit muss aber nicht das Ende meiner Entwicklung sein. In einem nächsten Beitrag erzähle ich wie es weiter geht.
Links
Was in der Pubertät bewusst wird: Einzigkeit und Freiheit
Stufenbeschreibung nach Fritz Oser und Paul Gmünder
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