Die Energie des Säuglings
Schon das Neugeborene arbeitet sich mit Energie in die Welt. Es schreit, um Luft zu holen, brüllt wenn es hungrig ist. Da sitzt Kraftpotential, das noch sehr naturhaft ist. Spätestens, wenn das Kind zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr in der Trotzphase sein Ich entdeckt, formt sich der Wille so richtig aus. Das Kind testet, was es mit seinem Willen erreichen, wieviel Macht es auf andere ausüben kann. Wer ist stärker? Dabei entdeckt das Kind auch seine Ausdauer, mit der es Eltern und Erziehende oft bis an unerträgliche Grenzen treibt. Es lernt schnell, wie und womit es die Erwachsenenwelt bestimmen kann, um sich einen Platz zu erobern.
Mit seinem Willen bildet das Kind sein Ich aus. Mit dieser Willensenergie gestaltet das Kleinkind seine Welt, es lernt aus den Reaktionen der Erwachsenen, aber auch aus den natürlichen Konsequenzen, die es im Alltag erlebt.
Willensäußerungen bringen auch immer die Unsicherheit mit sich, dass ich Widerstände gegen meinen Willen auslöse, so dass ich mich nicht durchsetzen kann.
Erfahrungsräume und Regeln an den Entwicklungsstand anpassen
Nach vielen pädagogischen Experimenten wissen wir inzwischen, dass der Wille ein freies Bewegungsfeld braucht, damit er sich konstruktiv entfaltet. Freies Bewegungsfeld heißt jedoch nicht ungehinderte Willensdurchsetzung, sondern Willensermöglichung, die der freien Entfaltung des jeweiligen Entwicklungsstandes dient. Damit die Willenskraft sich nicht destruktiv entwickelt, sich sogar verströmt oder irgendwann im Erdreich versickert, braucht sie einen Rahmen. Dieser besteht aus einem Handlungsraum sowie angemessenen Regeln, die dem Kind einen einschätzbaren Spielraum eröffnen, in dem es seinen Willen erfolgreich einzusetzen lernt. Der Rahmen bestimmt nicht die Inhalte, sondern gibt nur den Handlungsraum und die Regeln vor.
Für das Kleinkind braucht es einen anderen Rahmen als für den Jugendlichen , wieder einen anderen für den jungen Erwachsenen und auch für die Senioren. Die Grenzen verschieben sich mit zunehmendem Alter, so dass sich der Aktionsraum erweitert bzw. verändert.
Zu enge Handlungsräume
Zu eng gesetzte Grenzen verhindern die freie Entwicklung der Person, weil sie das Erfahrungsfeld unnötig einschränken. Deckeln wir die Willensenergie, sperren wir sie in einen Topf, entsteht massiver Druck, der sich irgendwann wie bei einem Dampfkessel entladen kann.
Brechen wir den Willen im Kindesalter, in dem wir Grenzüberschreitungen unnötig hart bestrafen, entwickelt das Kind seinen eigenen Weg, damit umzugehen. Es fällt dem Kind schwer, sich als wertvolle Person anzunehmen, seine Gaben und Talente richtig einzuschätzen, sein Urteilsvermögen aufzubauen. Sein Urteilsvermögen sowie sein Entscheidungswille bleiben dann auf der Strecke. Es passt sich an den Willen der Erwachsenen an, verliert möglicherweise sogar den Zugang zu seiner Energiequelle.
Zu weite Handlungsräume
In den antiautoritären Kinderläden 1968/70 konnte man gut beobachten, wie sich der Wille entwickelt, dem keine Grenzen gesetzt wurden. Kinder liefen über Autodächer, beschmierten Hausflure mit Lehm, hielten sich an keine Regeln. Wildwuchs führt zu despotischen Anwandlungen in der Willensbildung. Dem Kind fehlt Orientierung darüber, was es darf und was nicht. Es lernt, seinen Willen rücksichtslos ein- und durchzusetzen. Komme was wolle. Da das Zusammenleben in unserer Gesellschaft aber ohne Regeln nicht funktioniert, ecken diese heranwachsenden Kinder ständig an und werden sogar zum enfant terrible. Wenn sie sich nicht durchsetzen können, werden sie aggressiv evtl. sogar gewalttätig.
Welchen Einfluss unser Wille auf unsere Lebensaktivität und unsere Zufriedenheit hat ist mir lange nicht so klar gewesen. Es ist interessant ein wenig tiefer in dieses Thema einzusteigen. Deshalb werde ich weiter Themen zum Willen aufgreifen.
- Der Mensch ist das, wozu er sich macht.
- Ich kann mein Wollen wollen.
- Wo ein Wille da ein Weg?
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