Den Anerkennungs-Luxus muss ich mir „verdienen“
Neben dem geldwerten Luxus gibt es auch den, mich durch persönliche Anerkennung getragen zu fühlen. Auch in diesen Luxus muss ich zuerst investieren. Es geht dabei um Werte. Während die materiellen Werte jeder sehen kann, den Schmuck, das Auto, was ich mir leisten kann, sind die innerlichen Werte nicht so offenkundig sichtbar.
Ich zeige sie, wenn ich von mir mitteile, was ich denke, wie ich fühle, was mich bewegt. Ich kann dann nicht über etwas oder über jemanden reden, sondern in Ich–Aussage meine Sichtweise mitteilen. Erst wenn andere von meiner inneren Person etwas erfahren können und sich selbst auch mit ihren inneren Bewegungen sehen lassen, wird die Einzigartigkeit von jedem sichtbar. Dann kann Zuneigung wachsen, Beziehung sich vertiefen, aber auch Ablehnung entstehen. Es ist die größere Angst, mit dem Eigenen abgelehnt zu werden, die uns hindert, etwas von sich „herzugeben“. Denn wenn ich etwas zeige, dann bin ich verletzbar. Das ist das Risiko, das ich eingehe. Der Einsatz ist hoch, aber der Gewinn ist größer. Denn mit meinem äußeren Erscheinungsbild stehe ich nur mit einem Teil meiner Person in der Welt. Damit gerate ich fast immer in die Falle der Vorurteile, wenn ich mich nur mit meinem Äußeren und dem, was ich mir materiell angeeignet habe, zeige oder andere danach beurteile. Gebe ich nicht viel Persönliches preis, muss ich mir meine Akzeptanz mit meinem Besitz, vielleicht mit meinen „gut geratenen“ Kindern, oder mit den “tollen“ Fernreisen holen. Diese Anerkennung führt aber selten zu tragfähigen Beziehungen.
Auch meine Schwachstellen werden sichtbar
Wenn ich etwas von mir preisgebe, kann ich auch meine Schwachstellen nicht mehr verbergen. Doch gerade sie sind es, die mich liebenswert machen, die auch bei den anderen den Druck nehmen, perfekt sein zu müssen. Kann ich mit meinen Schwächen gelassener umgehen, können auch andere unbekümmerter ihre Ängste oder Niederlagen zeigen. Allerdings kann meine Offenheit auch missbraucht werden, ich kann belächelt, verurteilt, nicht ernst genommen oder auch abgelehnt werden. Sich zu zeigen, braucht sehr viel Vertrauen, weil viele Schwächen in uns sitzen, die auch gegen uns verwandt werden können. Deshalb brauche ich einen „Raum“ des Vertrauens, in dem sich auch die anderen mit ihrer Einzigartigkeit zeigen. Weil das nicht selbstverständlich ist, sind gute Beziehungen der absolute Luxus.
Die Sorge für diesen „Luxus“ beginnt bereits kurz nach der Geburt und dekliniert sich durch mein ganzes Leben. Sie wird durch altersspezifische Krisen immer wieder herausgefordert.
Sich zeigen in den verschiedenen Lebensphasen
Als Kleinkind bin ich unbedarft und offen, kann spontan auf andere zugehen. Ich zeige mich ohne Vorbehalte und verstecke mich nicht mit meinen Gefühlen. Im Kindergarten wird ausprobiert, wer mich mitspielen lässt und von wem ich abgelehnt werde. Ich registriere bereits, vor wem ich mich in Acht nehmen muss, wer mir übel mitspielen kann, wer stärker ist als ich und das auch gegen mich einsetzen kann. Ich zeige schon nicht mehr ganz unvoreingenommen, was ich denke oder fühle. Ich nehme mich bereits etwas zurück oder passe mich anderen an.
Im Schulalter verengt sich meine Unbeschwertheit noch mal. Ich reduziere mein Vertrauen bereits auf wenige Personen. Die Konkurrenz zwischen den Schulkameraden führt sogar manchmal bereits zum Rückzug. Schwierig wird es, wenn ich von den Lehrkräften abgelehnt werde, dann verschließe ich mich in besonderer Weise. Ich bin auf die Unterstützung derer angewiesen, denen ich noch offen begegnen kann, ohne abgewertet zu werden. Das sind meist zuerst die Freunde, die Großeltern und auch die Eltern.
Pubertät heißt meist Rückzug
Mit der Pubertät komme ich erstmals in eine richtige Krise. Ich ziehe mich in mein Innenleben zurück. Nach außen zeige ich nicht mehr viel von dem, was mich ausmacht. Ich teile meine persönlichen Gefühle und Empfindungen, wenn überhaupt, meist nur noch mit meinen engen Freunden in der Clique. Ich bin mir selbst oft fremd, erkenne mich mit meinen Gefühlsschwankungen oft nicht wieder. Eine schwierige Phase nicht nur für mich, sondern auch für Eltern, denn sie müssen damit fertig werden, dass sie nicht mehr viel vom Innenleben ihres pubertierenden Kindes erfahren. In dieser Phase ist eine gute Freundesclique ganz besonders wichtig, damit es wenigstens noch einen Ort des Vertrauens gibt, wo ich „Ich selbst“ sein darf. Gefährlich kann es werden, wenn ich mich auf falsche Freunde einlasse, die mich mit Drogen an sich binden.
Das fordernde Berufsleben
Im beruflichen Kontext kommt es darauf an, dass ich mich mit meinen Gaben und Talenten zeige. Ich bin nämlich nur richtig „gut“ in meinem Job, wenn ich das verwirklichen kann, was in mir als Begabung angelegt ist. Dafür muss ich hinstehen und mich damit auch deutlich zeigen. Dann muss ich fähig sein, mich den neuen Herausforderungen und Entwicklungen zu stellen. Verweigere ich meine eigene Weiterentwicklung, indem ich mich den neuen Methoden, Techniken und Führungsprinzipien entziehe, kann es dazu führen, dass ich den beruflichen Misserfolg als Last mit ins Alter nehme.
Setze ich nur auf einen Job, in dem ich viel Geld verdiene, mich aber als Person nicht entfalten kann, zeigt sich das meist an der Unzufriedenheitskurve, die sich auch ins Alter weiterträgt.
Für die jetzt 30-Jährigen, die Millennials, die noch zwischen den Stühlen sitzen, weil sie von dem Führungsstil und den Wertvorstellungen der 50-Jährigen abhängig sind, heißt das, deutlicher und fordernder mit ihren Wertvorstellungen selbstbewusst aufzutreten, zu sagen was sie wollen. Sie sollten den Arbeitsplatz bewusst nach ihren Wertvorstellungen aussuchen, denn sie müssen in spätestens 10 Jahren den Führungsstab übernehmen. Wer faule Kompromisse eingeht, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch der Zukunft dieses Landes. Erst wenn ich mich in dieser Phase traue, mich mit dem zu zeigen, was ich kann, habe ich die Chance, ernst genommen und akzeptiert zu werden. Das ist der Luxus der mich im Arbeitsleben zufrieden macht.
Midlife Crisis und Auszug der Kinder
Der Auszug der Kinder aus dem Haus fällt oft mit der Frage zusammen: Was nun? Will ich mich noch einmal beruflich verändern? Was muss ich in die Partnerschaft neu investieren, weil wir uns vielleicht aus dem Blick verloren haben. Ich kann Rückblick halten, mit meinem Partner Bilanz ziehen, was uns gelungen ist, was wir aber auch nicht erreicht haben und wie es weitergehen kann. Dabei ist es für die Zukunft entscheidend, dass jeder in der Partnerschaft sein Eigenes auch verfolgt. Damit er, damit sie für die eigene Zufriedenheit die Verantwortung selbst übernimmt und nicht an den anderen delegiert. Deshalb braucht es einen ehrlichen Austausch darüber, wie jeder sich das Leben mit dem anderen in der nächsten Lebensphase vorstellt. Nicht immer laufen solche Gespräche konfliktfrei, weil ich mich mit meinen Vorstellungen deutlicher als früher zeige, meine Sehnsüchte und Wünsche offenlege. Bereits jetzt werden die Weichen für das Leben im Rentenalter gestellt. Wie lebendig und zugewandt sich das Alter einmal anfühlt, hängt davon ab, was ich in meiner aktiven Zeit in mein Leben eingepflanzt, wie ich Beziehungen gepflegt habe und wie offen ich mit meinen Wertvorstellungen umgegangen bin.
Vertrauensstütze im Ruhestand
Mit dem Eintritt in den Ruhestand verliere ich die direkte Anerkennung durch mein berufliches Wirken. Habe ich gut in der aktiven Zeit vorgesorgt, meine Beziehungen und Hobbys gepflegt, dann habe ich einen vertrauten Raum, in dem ich mich wertgeschätzt bewegen kann. Auch Enkel beleben diese Zeit, indem wir ihnen bereits früh Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen. Sie brauchen von uns diesen Vertrauensraum, der in den verschiedenen Krisenzeiten verlorengehen kann. Rentner haben die Zeit und vielleicht auch die Weisheit, den Jungen Wohlwollen entgegen zu bringen, sie zu verstehen, ihnen die Anerkennung zu zollen. Werden wir doch zur Vertrauensstütze, dann kommen die Enkel auch noch im Erwachsenenalter gerne zu uns. Je mehr Zufriedenheit ich ausstrahle, desto lieber kommen auch meine Kinder und Enkelkinder zu mir. Das ist der Altersluxus, den ich mir nicht kaufen, aber erwerben kann.
Zufriedenheit pflegen
Zufriedenheit ist abhängig davon, ob ich mich um meine innere Gefühlswelt kümmere. Ich kann mich fragen, wie zufrieden ich mit meiner Situation bin. Was macht mich dabei zufrieden? Was will oder muss ich vielleicht auch ändern? Ich bleibe mit diesen Fragen jeden Tag aktuell an meinen Stimmungen, die mir signalisieren, wenn sich etwas ändert.
Unbearbeitete Krisen im Verlauf meines Lebens setzen eine ungute Energie in Gang, die sich als Wut in meiner Seele wie Unrat niederlässt und nie von der Seelen-Müllabfuhr weggeräumt wurde.
Dieser liegengebliebene Unrat kommt mit dem Langzeitgedächtnis im Alter nach oben. Er zeigt sich in Unzufriedenheit, in unterdrückter Aggression oder Depression und manchmal sogar als Bösartigkeit. Wenn ich von diesen Gefühlen besetzt werde, fehlt mir erst einmal die Kraft, mit Wohlwollen auf die nächste Generation zuzugehen. Um doch noch friedlich alt zu werden, kann ich die verpasste Bearbeitung von Konflikten auch als Rentner noch nachholen, indem ich diese unguten Gefühle ernst nehme, anschaue, meinen Anteil daran sehe und als zugehörig zu mir annehme, um mit Wohlwollen auf mein Leben zu blicken. Denn ich kann es sowieso nicht mehr ändern, aber ich kann meine Stimmungen befrieden. Jetzt ist noch Zeit, um den Luxus „Anerkennung“ im Alter zu erwerben.
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