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Zeit für Unterscheidungen

Was zählt in Krisen? Ein Jesuit antwortet: Krisen sind Zeiten der Unterscheidung und der Entscheidung; man kann sie als Chancen für ein gelingendes Leben nutzen. Die drei großen Krisen der 2000er Jahre – 9/11, Klimawandel und Finanzkrise – sind bis heute nicht gelöst. Neue globale Probleme sind hinzugekommen – etwa die Fukushima-Katastrophe, die Griechenlandkrise und die Gruppierung Islamischer Staat. Die ethischen und existenziellen Herausforderungen der Krisen sind hochaktuell.

Es ist nicht irgendein Jesuit, der in diesem kompakten BüchleinDenkanstöße für ein gelingendes und geglücktes Leben gibt – auch wenn der Untertitel dies vielleicht vermuten lässt. Michael Bordt hat in den vergangenen Jahren sowohl über die Grenzen seines Ordens als auch über seine akademischen Fachgebiete hinaus Bekanntheit erlangt. So war er nicht nur mehrere Jahre lang Präsident der Hochschule für Philosophie in München und ist dort Professor für Philosophie; seit 2011 steht Bordt auch dem „Institut für Philosophie und Leadership“ vor, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, mithilfe persönlich-existenzieller und ethischer Fragen authentische Führungspersönlichkeiten heranzubilden. Am Schnittpunkt von Fragen der Lebensführung, von Philosophie und Persönlichkeitsbildung lassen sich Bordts jüngere Publikationen verorten.

Werte allein helfen nicht

Solche Fragen kennzeichnen auch Bordts Ausführungen darüber, was Krisen bewirken können und wie man sie positiv, nämlich als Chancen, nutzen kann. Globale Krisen betreffen demnach jeden Einzelnen, weil ihre Wurzeln darin liegen, „dass Menschen vergessen haben, was im Leben eigentlich zählt“ (14). Da Krisen, vom griech.Wort ‚krisis‘ abgeleitet, Zeiten der Unterscheidung sind, gilt es, im Sinne eines Neuanfangs, zwischen Schlechtem und Gutem zu unterscheiden. Die Forderung nach einer Rückbesinnung auf Werte hilft nämlich nur dann weiter, wenn man die richtigen Werte für „[d]as gelungene und geglückte Leben“ (42) kennt.

Das eigene Leben überprüfen

Strukturell angelehnt an die Geistlichen Übungen (Exerzitien) seines Ordensgründers Ignatius von Loyola, begleitet Bordt seine Leser bei einem im eigentlichen Sinne kritischen, nämlich unterscheidenden Blick auf Werte und Güter in ihrem Leben. Dabei scheut er sich nicht davor, deutlich zu machen, dass Gesundheit, Geld, Statussymbole und Erfolg (jedenfalls für sich genommen) den Ansprüchen an ein geglücktes, gelungenes Leben nicht gerecht werden können; auch Glücksgefühle bilden dafür keine stabile Grundlage (27–42).

Frust und Misserfolge aushalten

Es geht Bordt viel mehr um ein Leben, das auch Frustrationen und Misserfolge aushält. Dieses Leben glückt und gelingt dann, wenn „wir in tiefen erfüllenden, menschlichen Beziehungen leben und wenn wir einer Tätigkeit nachgehen, die wertvoll und für andere Menschen von Bedeutung ist“ (56).

Verantwortung hat jeder Einzelne, nicht nur die Mächtigen

Bordts Analyse überzeugt deshalb, weil er Krisensymptome als Anzeichen tief greifender Probleme ernst nimmt und sie im Wortsinn radikal, nämlich an ihrer Wurzel, betrachtet. Er schiebt die Schuld für die Probleme nicht einseitig – was naheliegend wäre, – auf das System oder auf die Mächtigen, etwa auf Politiker, Banker oder multinationale Unternehmen; viel mehr sucht er die Gründe gewissermaßen im „Maschinenraum“ der Gesellschaft, bei jedem Einzelnen.

Selbstwahrnehmung und Mut

Bemerkenswert ist, dass Bordt keine konkreten Anweisungen gibt, wie man sein Leben ändern soll, damit man glücklich wird. Er erzeugt bei seinen Lesern nicht die Illusion, es gäbe dafür einfache Tipps oder Tricks. Daher gibt er ihnen erfreulicherweise keine „richtigen Werte“ oder „Wege zum Glück“ mit. Stattdessen zeigt er auf, dass ein gelingendes Leben vor allem das Resultat des eigenen Verhaltens ist. Ein gelingendes Leben bedarf daher vor allem der Einübung einer guten Selbstwahrnehmung und des Mutes, sich zu verändern: Dies ist zwar anstrengend, aber sehr wohl lohnend.

Tugenden und Prioritäten

Im Gegensatz zu denjenigen, die reflexartig nach Werten rufen, zeigt Bordt stattdessen Haltungen auf, die zum Erreichen des Ziels, eines gelingenden Lebens, helfen sollen. Dazu bemüht er gegen Ende des Büchleins eine Art moderne Tugendlehre. Diese ist m. E. etwas langatmig und kompliziert geraten, weshalb sie eher Verwirrung als Klarheit stiftet (62–72). Umso erfreulicher ist, dass das Büchlein durch eine knappe, in ihrer Einfachheit hilfreiche, Prioritätenliste für den Alltag – natürlich aus der Tradition des Jesuitenordens – abgerundet wird (72–76).

Mut zur Gestaltung

Michael Bordt stellt seinen Lesern weder leichte Fragen noch gibt er ihnen einfache Ratschläge. Für die Lektüre braucht es daher Mut, denn sie fordert heraus, sich selbst zu überprüfen. Gleichzeitig ist das Buch in einer sehr gut verständlichen, klaren Sprache geschrieben. Es bietet wichtige Denkanstöße für die Überprüfung und die konkrete Gestaltung des eigenen Lebens. Besonders angesichts neuer und größer werdender globaler Krisen ist eine Lektüre daher unbedingt zu empfehlen.

 

Hier gibt es das Büchlein:
Bordt, Michael: Was in Krisen zählt: Die Antworten eines Jesuiten auf die Fragen, die wir uns jetzt stellen. München: Zabert Sandmann, 2009. 77 S., ISBN 978-3-89883-243-4.


Kategorie: hinsehen.net Gelesen

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