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Zu Hause – wo ist das?

Was verbinden wir mit dem Wort Zuhause? Was hängt da alles dran. Sind es die schön aufgeräumte Wohnung, das eigene bequeme Bett, die frischen Blumen auf dem Tisch oder was ist es, das uns das Gefühl von "zu Hause" gibt? Es ist ein Ort, wo wir wohnen, leben, essen, arbeiten und schlafen. Ja, für mich hat mein zu Hause viel damit zu tun, ob ich es mir dort „schön“ machen kann. Ich brauche einen Platz, wo ich mich entspannen kann, nur ich sein darf, wo ich lesen, schreiben, kochen und Musik hören kann. Ich brauche auch ein paar persönliche Dinge um mich herum, die nur mir gehören. Aber da gibt es noch mehr. Das Gefühl, das ich mit Zuhause verbinde, ist nicht nur ein Ort, an dem ich bin.

Die Begegnungen sind das Mehr

Mit dem „zu Hause- Gefühl“ verbinden wir vermutlich nicht nur den Ort, sondern auch besondere Erlebnisse, Erfahrungen, Gefühle, die wir mit diesem Ort verbinden. Ich könnte es so beschreiben „dort gehöre ich hin“, da fühle ich mich sicher, geborgen, aufgehoben, geschützt. Manchmal muss es auch gar kein Ort sein. Es kann auch eine Begegnung mit Menschen, mit einer Gruppe sein, bei denen ich mich besonders wohl fühle. Da stellt sich bei mir auch schon mal das Gefühl ein, hier geistig zu Hause zu sein. Ein Ort, eine Wohnung ein Haus allein können anscheinend diese Zugehörigkeit nur bedingt schaffen. Da braucht es noch die anderen Komponenten.
Es sind die Erfahrungen mit Menschen, die mir das Gefühl von Zuhause vermitteln. Sie beleben doch erst mit mir zusammen diesen Ort, den ich Zuhause nenne. Die Einladungen, die Gespräche, das Lachen und Weinen, das gemeinsame Leben. Hier bin ich willkommen, erlebe Achtung, erfahre Freud und Leid, es können sich Erinnerungen niederlassen. Die Bilder an den Wänden, die Möbel und Teppiche, die Bücher in den Regalen, sie erzählen etwas von meinem Leben und den gelebten Beziehungen.

 Das Haus wird im Alter leer

Was macht das Zuhause noch aus und wie verändert es sich mit zunehmendem Alter? Wie ist das wenn die Lebenssituation sich verändert? Die eigenen vier Wände werden dann immer mehr zum zweiten Gewand, das wir auch nicht mehr so gerne ablegen wollen. Wir fühlen uns damit wie verwachsen und können uns nicht mehr vorstellen, uns anderswo wohl zu fühlen.
Was ist aber, wenn wir noch älter werden? Wenn unser Partner stirbt? Dann bin ich alleine in diesem Haus. Ich kann von den Erinnerungen noch eine Weile zehren. Wenn dann auch noch Freunde gebrechlich werden, sie mich nicht mehr besuchen können, dann kann es einsam werden. Auch muss ich damit zurechtkommen, dass in der Nachbarschaft der Generationswechsel stattfindet. Die neuen Nachbarn sind in einer anderen Lebensphase als ich. Es gibt weniger Anknüpfungspunkte.
Was ist, wenn ich alleine bleibe? Unser Haus wird immer mehr zum Museum, das auf Besucher wartet. Mit unserem Atem können wir die Räume nicht mehr füllen. Sie werden kalt und entfremden sich uns. Von den Kindern kann ich nicht erwarten, dass sie das ersetzen, was mir verloren geht. Sie haben mit ihrem Leben genug Herausforderungen zu bewältigen. Wenn sie ab und an zu Besuch kommen, kann ich mich daran freuen, es genießen. Aber es ist Besuch, so dass mir nichts anderes übrig bleibt, als mein Leben in die Hand zu nehmen. So schwer es auch fallen mag.

Das Alter braucht ein anderes Zuhause

Mein eigenes Zuhause verliert zunehmend das, was mir immer wichtig war, das Leben, das darin stattfand. Ich kann mich dann noch an den Erinnerungen festhalten, lesen, in den Fotoalben blättern. Wenn ich dann selber schwächer werde, mir keine Anregungen über Konzerte oder Theater von außen mit nach Hause nehmen kann, auch meine sportlichen Aktivitäten verblassen, wächst die Gefahr, dass ich mich in mein Zuhause zurückziehe, weil mir Vieles zu anstrengend wird. Schaffe ich es dann noch, mich von dem Ballast eines Hauses, das doch mein zu Hause ist, zu trennen? Es hängen so viele Erinnerungen daran, die ich zurücklassen müsste. Es kostet mich auf jeden Fall Überwindung und kann meine weniger gewordene Kraft überfordern
Ich habe oft den Satz eines Freundes im Ohr „Aus meinem Haus gehe ich nicht raus“. Mich beschäftigt das und mir tut es manchmal weh, weil ich sehe, wie er zunehmend vereinsamt und unzufrieden wird.
Tue ich mir nicht etwas Gutes an, wenn ich mich frühzeitig mit dem Älterwerden auseinandersetze, die Vorstellungen und tieferliegenden Wünsche für mein Leben im Alter freizulegen, sie auch realistisch zu prüfen und dann auch umzusetzen? Den letzten Lebensabschnitt noch einmal ganz nach den eigenen Wünschen zu gestalten, heißt, neu aufzubrechen. Lasse ich meine Sehnsüchte nicht zu, verbaue ich mir viel. Jeder Neuanfang braucht Schwung. Ob ich mich einer WG anschließe, mir jemanden ins Haus nehme, in ein generationenübergreifendes Projekt einsteige oder in ein betreutes Wohnen ziehe, ich muss es selber entscheiden und wollen. Dann setze ich in mir auch die Energie und den Mut für das Neue frei. Erst dann bin ich auch zu den Kompromissen bereit, die jeder Neuanfang mir abverlangt.

Es gibt viele Modelle, mit denen ich meine Wünsche und Vorstellungen auch leben kann. Da ist für jeden, auch für mich, etwas dabei. Ich muss es nur selbst wollen. Es braucht meine eigene Entscheidung, wenn ich mich nicht fremdbestimmen lassen will. Es ist hilfreich, diese Entscheidung möglichst dann zu treffen, wenn ich noch nicht gebrechlich bin, denn ein letzter Neuanfang braucht meine ganze Kraft und meine Bereitschaft zu neuen Beziehungen, um mir ein neues „Zu Hause“ zu schaffen.


Kategorie: Verstehen

Kommentare (2)

  1. Karin Bretschneider am 27.01.2018
    Liebe Jutta, Dein Beitrag "Zuhause-wo ist das" habe ich mit großem Interesse gelesen, da er auch mein Leben berührt. Du weißt, welchen Weg ich nach dem Tod meines Mannes gegangen bin, Hausverkauf, neue Wohnung. Dies hätte ich aber ohne göttliche Fügung nicht allein geschafft. Ich hatte immer das Gefühl, das jemand bei mir ist und mir meinen Weg aufzeigt. Freunde, so wie Du, haben mich mit wertvollen Gesprächen und schriftlichen Ausführungen unterstützt, so dass ich heute sagen kann, in mir wurde eine Energie frei gesetzt, die mich mit Mut in die letzten Jahre meines Lebens starten lässt, um noch viele schöne Dinge - wie Reisen, Gespräche mit Freunden, Theater- und Konzertbesuche zu unternehmen solange Gott will.
  2. Ulrike Wilden-Dellgrün am 28.01.2018
    Der Artikel beschreibt sehr gut mein „ zu Hause Gefühl“ -vielen Dank für die wunderbaren Denkanstöße.
    Noch vor wenigen Jahren habe ich in „Kirche“ auch ein zu Hause Gefühl erlebt.
    Ich frage mich oft, wo dieses geblieben ist......

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