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Wer ist das Große Du?

Das Große Selbst, das große Geheimnis, die letzte Wirklichkeit, das Große Du, das Unfassbare. Es existieren viele Namen für das was in den verschiedenen Religionen und Lebensvorstellungen gedacht wird, was wir als Christen „Gott“ nennen. Steindl – Rast versucht auch denjenigen den Blick neu auf das Unbeschreibliche zu öffnen, die den Namen „Gott“, aus ihrem Sprachgebrauch gestrichen haben.

„Vielen Menschen fällt es schwer, die irreführende Vorstellung von Gott zu verlernen, die ihnen in ihrer Kindheit beigebracht wurde. Oder sie können nicht vergessen, was im Laufe der Geschichte „im Namen Gottes“ verbrochen wurde“

Der Anrufende

Das Wort Gott, das auf die indogermanische Wurzel „gheu“ zurückgeht, bedeutet „rufen“.  Wer ruft, will ein Gegenüber erreichen. Er will in Beziehung zu ihm treten, er will gehört werden. Vielleicht ist es wie bei einem Echo, das zurückkommen soll. Da „gheu“ sächlich ist, muss dieser „Rufer“ allerdings außerhalb dessen für uns bleiben, was wir als Person in unserem Sinne verstehen. Es ist das Andere, Größere, Unfassbare, das große Geheimnis, das ich mit Du ansprechen kann, ohne es zu vermenschlichen, denn dieses große Du, das mich erreichen will, überschreitet mich als Mensch. Wenn ich es zu sehr aus meiner menschlichen Person her verstehen will, ist die Gefahr groß, dass ich Gott auf die Größe des Menschen reduziere oder ihm sogar Aufgaben erteile, die er in der Welt einlösen muss. Dann muss Gott auch so reagieren, wie wir es uns vorstellen. Das geht bis dahin, dass er mit den Fürbitten das tun soll, was wir von ihm gerade erwarten. Gerne verbinden wir mit unseren Vorstellungen Bilder, die oft ganz hilfreich sein können, weil konkreter in den Einzelheiten als nur durch Sprache, aber in Bezug auf das Allumfassende greifen Bilder, die ich mir von Gott mache, immer zu kurz. Denn dieses Große, Unvorstellbare ist so viel größer als ich es denken kann. Steindl-Rast schreibt:

In der christlichen Bibel (Apostelgeschichte 17,28) heißt es, dass wir in Gott „leben und weben und sind“ – nicht nur wie Fische im Wasser, sondern wie Tropfen im „Meer“, wie in einem unpersönlichen Etwas. Wir sind eins damit und stehen doch gleichzeitig in einer persönlichen Beziehung dazu.

Gott ist keine Person wie ich

Als Mensch bin ich da, wo ich gerade bin. Ich bin an Ort und Zeit gebunden. Die Gegenwart Gottes ist nicht wie bei uns Menschen an einen Ort oder eine Zeit gebunden. Gott ist auf der ganzen Welt gegenwärtig. Für uns Christen steht der Leib Christi in der Hostie auf allen Erdteilen zur Verfügung. Auch in anderen Religionen wird dieses „Große“ allumfassend gedacht. Diesem Erhabenen oder dem Unfassbaren, dem großen Geheimnis begegnen wir nämlich im Mitmenschen, auch auf der ganzen Welt, in der anderen Person, in den Pflanzen, Bäumen, den Tieren. Der göttliche Funke verbindet mich mit allem und allen, mit dem ganzen Kosmos. Wir sind in unserem Inneren mit dem großen Geheimnis verwoben, ob wir es Gott nennen, das große Meer oder das Unbegreifliche. Wir stehen in Beziehung zu ihm wie zu einem gegenüber von Angesicht zu Angesicht, das wir Du nennen können. Mit meinem Selbst und den vielen anderen bin ich im Großen Selbst, im Großen Du, im großen Geheimnis, in Gott verbunden. Mit dieser Verbindung bin ich auch mit allen Menschen verbunden. Diese Verbindung drückt sich in Beziehung und letztendlich in der Liebe aus. Wer liebt, liebt nicht nur den anderen oder die Natur oder Dinge, sondern nicht zuletzt den göttlichen Kern in ihm. Wer liebt, liebt Gott, liebt das Unbeschreibliche, das Geheimnis, das auch in jedem Menschen steckt. Wer sich begeistern kann, sich faszinieren lässt, kommt immer wieder ins Staunen. Staunen über die „Wunder“, die sich auftun. Wer sich in Beziehung traut, traut sich einen Schritt auf den göttlichen Geist im andern zu. Denn mit allem, was wir aus Begeisterung, Entdeckerfreude, aus Liebe beginnen, da wo ich mich an etwas Neues wage, drücke ich Gottvertrauen aus. Steindl-Rast sagt: Hinter allem, was uns begeistert, steckt „mehr“: das „Mehr“, das wir Geheimnis nennen. Die Theologin Dorothee Sölle spricht von Gott als „das Mehr“.
In diesem „Mehr“ ist so viel mehr enthalten, dass ich es nicht in ein Bild oder in eine Person nach meinen Vorstellungen unterbringen kann. 

Durch die Gedanken in dem Buch von David Steindl- Rast „Orientierung finden“ angeregt, konnte ich meinem spirituellen Zugang zu dem Unbeschreiblichen intensiv nachspüren. Wer sich der eigenen Lebensphilosophie zuwenden, den persönlichen Zugang deutlicher entdecken möchte, findet in diesem Büchlein verständliche Ausführungen, um zu einer tieferen Dimension der eigenen Lebensverortung vorzudringen.


Kategorie: Entdecken

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