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Weihnachten ist Begegnung

Es ist wieder soweit. Der heilige Abend steht vor unseren Türen. Die Geschenke sind eingekauft, die Spenden überwiesen, die Weihnachtspost verschickt, die letzten Überlegungen, was noch zu tun ist, bis der Besuch ankommt, nehmen jetzt noch die Aufmerksamkeit in Anspruch. Bleibt noch Muße für das, was Weihnachten bedeutet?

Es geht um die Familie

Weihnachten ist ein emotionales Familienfest und wir verbinden damit ganz besondere Erfahrungen. Die Wohnung ist geschmückt, der Weihnachtsbaum kann angezündet werden, die Kinder können kommen. Endlich wieder alle sehen. Manche wohnen so weit weg, dass es nicht viele Begegnungen im Jahr gibt. Die Globalisierung hat dazu geführt, dass Familienmitglieder nicht mehr wie früher so nah beieinander wohnen. Auch ich kann meine erwachsenen Kinder und Enkelkinder oft nur noch sporadisch sehen. Geschwister sind möglicherweise weit voneinander entfernt, so dass auch sie vielfach den Kontakt nicht intensiv pflegen können. Wir telefonieren, skypen, simsen oder mailen, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Unsere digitale Welt macht das möglich, aber das ist nicht das Gleiche wie eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Den anderen mal wieder in den Arm nehmen, spüren wie er sich anfühlt, wie er riecht, wie es ihm oder ihr geht, welche Sorgen sie haben, welche Last sie tragen, mit welchen Hoffnungen sie unterwegs sind. Einfach sich wieder als komplette Familie fühlen, füreinander da sein, miteinander sein, voneinander zu erfahren. Ohne Druck, ohne Stress, ohne falsche Hoffnungen oder Erwartungen. Nähe spüren. In den Gesprächen den anderen verstehen. Ein bisschen von dem Frieden von Weihnachten gemeinsam erleben. Das sind die großen Sehnsüchte, die in uns besonders an Weihnachten hochkommen.

Wie steht es um das Kind in der Krippe

Für Kinder in der magischen Phase hat die Krippe mit dem Jesuskind noch Anziehungskraft, etwas Aufregendes. An ihren leuchtenden Augen können wir ihre Freude auf Weihnachten ablesen. Die Vorstellungkraft von Kindern übersteigt durch ihre magischen Fähigkeiten die sachliche Realität. Das ermöglicht ihnen, hinter die Ereignisse, hinter das Geheimnis des Kindes in der Krippe zu schauen. Bei uns Erwachsenen ist der Blick oft nicht mehr so auf das Kind ausgerichtet. Die mit dem Kind verbundene tiefere Botschaft wird auch nicht mehr von allen geteilt. Selbst wenn die Besichtigungstouren von Krippen einen großen Zulauf haben, bedeutet das noch lange nicht, dass Weihnachten das Tor zu der Spiritualität mit dem Kind in der Krippe öffnet. Ich besichtige gerne Krippen. Sie öffnen mir nicht nur den Blick auf die Heilige Familie, sondern sind meist auch deshalb für mich von Interesse, weil sie oft kunstvoll gestaltet sind und ein Beziehungsgeschehen darstellen. Da gibt es Interaktion zwischen Menschen und Tieren. Die heilige Familie ist natürlich immer dabei aber auch die Heiligen Drei Könige, die von Weitem angereist kommen. Manche Krippen bilden sogar die Straßenzüge eines ganzen Wohnviertels ab, in dem das normale Leben zu betrachten ist.
Es ist alles so friedlich. Ich kann mich in die dargestellten Geschichten einfühlen, kann mich hineinziehen lassen, Parallelen zum eigenen Leben ziehen. Ich kann im besten Falle die Sehnsucht spüren, nach diesem Frieden, der von der Heiligen Familie und ihrer Umgebung ausgeht. Ich möchte ihn am liebsten in mein Weihnachten mit meiner Familie und in die Begegnungen mit Freundinnen und anderen Menschen mitnehmen.

Den Blick auf den anderen richten

Wenn ich meine Lieben Tage, Wochen oder vielleicht sogar Monate nicht gesehen habe, dann gibt es Nachholbedarf, um mich auf den aktuellen Stand zu bringen, unsere Beziehung wieder zu intensivieren, unsere Blicke aufeinander zu richten. Nicht auf die Äußerlichkeiten, die sich oft als Nichtigkeiten herausstellen, oder auf andere Leute, nein auf das was meine Kinder und ihre Lebenspartner, meine Nichte, meine Schwägerin … bewegt, was sie umtreibt. Dafür brauchen wir Zeit, Aufmerksamkeit und Ruhe für einander.
In den Gesprächen bei Tisch oder beim Spaziergang können wir uns gegenseitig zuhören uns dafür interessieren, wie es um uns steht, wie wir uns momentan in unserem Leben einrichten, wie es uns damit geht, was wir vorhaben. Wir können uns dann sogar mitteilen, was uns belastet, worüber wir reden müssen, wie wir uns unterstützen können. Es sind Gespräche, in denen mir der andere wieder ganz vertraut wird, ich kann spüren, wie wichtig er mir ist. Ich entdecke den feinen Faden, den einmaligen Funken, der mich mit ihm verbindet. Ich kann auch das Besondere in ihm wiederentdecken. Es kann so friedvoll sein, so eingetaucht in eine besonders spirituelle Tiefe, die mich nicht nur meinen Kindern nahebringt, sondern mich auch spüren lässt, welches Geschenk mir Gott mit ihnen anvertraut hat. Da ist Weihnachten plötzlich ganz nah und intensiv.
Eigentlich gilt das nicht nur für Gespräche in der eigenen Familie und an Weihnachten. Es könnte grundsätzlich für alle guten Gespräche gelten, mit denen ich mich auf einer tieferen Wirklichkeitsebene einlasse, in denen es um Beziehung zueinander geht. Das Wertvolle des anderen liegt nämlich nicht auf der Oberfläche, sondern zeigt sich in seiner Seele. Wenn ich etwas aus seinem Seelengrund erfahren darf, seine tiefere Beziehung zur Welt verstehen kann, wächst er mir immer mehr entgegen. Solche Gespräche sind ein Geschenk. Sie gelingen nicht alle Tage und nicht einfach zwischen Tür und Angel. Dafür braucht es vielleicht Weihnachten - oder überfrachten wir Weihnachten mit diesen Erwartungen, so dass es zu Spannungen und sogar Streit kommt?

Familienzwist an Weihnachten

Weihnachten kann nämlich auch ziemlich spannungsreich werden. Viele Familienkräche entstehen gerade an Weihnachten. Die Zahl der Einsätze von Polizei und Krankenwagen um Weihnachten herum sprechen für sich. Da „funktionieren“ die Kinder nicht wie sie sollen, die Geschenke passen nicht, der Braten verbrennt, etc. Manchmal braucht es nur eine Kleinigkeit, damit der Krach sich entzündet. Wenn die Wochen vor Weihnachten zu stressig waren, verführt die Ruhe dazu „auszurasten“. Meist liegen auch noch nicht bearbeitete Probleme in den Seelen der Einzelnen, die sich gerne an Weihnachten Luft machen. Auch hochgeschraubte Erwartungen an ein „besonderes Fest“, nicht erfüllte Wünsche oder die Anspannung, weil alles besonders gut klappen soll, führen manchmal dazu, dass genau das, was sich Weihnachten in uns verwirklichen will, nämlich Frieden, keinen Raum findet. Es sind die Enttäuschungen, die sich in Streit offenbaren. Enttäuschungen, die nicht an Weihnachten geboren werden, sondern die sich im Laufe des Jahres angesammelt haben. Sie wurden, aus welchen Gründen auch immer, nicht besprochen, nicht bereinigt, sondern angesammelt und kumulieren zu einem massiven Druck, der dann Weihnachten aus den Angeln hebt. Warum gerade an Weihnachten, dem Fest des Friedens?

Sehnsucht nach Frieden

Vermutlich ist es die große Sehnsucht nach Frieden in uns, der sich leider nicht immer in angemessener Weise herstellen lässt. Das Kind in der Krippe steht für diesen Frieden. Nicht immer gelingt es, diesen Frieden in meinen Beziehungen Raum zu geben, zu verzeihen und Versöhnung zu suchen. Nicht nur ich muss es wollen, sondern der andere auch. Außerdem brauche ich in mir selbst Frieden. Das ist vielleicht sogar die größte Herausforderung dass ich mit mir vor Weihnachten in den Frieden komme, mir mein Ungenügen nicht weiter übelnehme, um Vergebung bitte, meinen Frieden in mir selbst finde, damit ich teilen kann. Dabei hilft es mir, die Botschaft des Kindes aus der Krippe in mir lebendig werden zu lassen. Ich habe dann einen Bezugspunkt, dem ich, wenn es kritisch wird, vertrauen kann, dass er mich leitet. Ich bin dann nicht nur meinen eigenen unguten Gefühlen ausgeliefert, die mich runterziehen, sondern kann mich an etwas Größerem orientieren. Folge ich diesem Stern, kann ich auch in meinen Begegnungen Frieden Wirklichkeit werden lassen.

Frieden kommt nicht einfach so

So einfach scheint es aber auch nicht immer zu gehen, denn der Ukrainekrieg zeigt uns im Großen, wie nachhaltig Feindschaften sind, wenn sie in Streit münden. Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger ist das Umschwenken in ein neues Zusammenleben. Ein Übermaß an Verletzungen verunmöglicht den Frieden. Das zeigt, wie zerstörerisch der Krieg und die Konflikte sind, wenn der Friedenswille fehlt.
Wir brauchen Weihnachten, damit es uns immer wieder an diesen Frieden vom Kind in der Krippe erinnert. Wir brauchen auch den Willen und den Mut, Frieden zu stiften.

Wenn es dieses Jahr an Weihnachten schwierig werden sollte, das Kind in der Krippe ist zuverlässig und behält seine Kraft und sein Durchhaltevermögen. Es schaut aufmerksam in die Welt, steht verlässlich für eine lebendige Gemeinschaft. Das kann mir helfen, von den Streitgefühlen loszulassen. Weihnachten feiern wir ja nicht die Vergangenheit, sondern wie andere Feste ist es dazu da, unsere Beziehungen neu Wirklichkeit werden zu lassen.  


Kategorie: Entdecken

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