Kirche Maria Madelaeine, Vézelay, Foto: hinsehen.net E.B.

Vergeben im Hören und Gehen

Es geht um unsere nicht aufgearbeiteten Enttäuschungen, Niederlagen, Fehlschläge, um die „Leichen“, die wir im Keller horten. Es sind die kleinen und größeren Verletzungen, die wir zulassen, die wir aber auch manchmal selbst verursachen. Wenn wir sie nicht ausreichend bearbeiten, beschäftigen sie uns immer wieder, sie lassen uns, wir lassen sie nicht los. Sie sind nicht vergeben, nicht abgegeben.

Wie kommen wir an so schwierige Themen heran? Ein Text, ein Film, ein Gedicht, sie schaffen Zugang zu unseren inneren Geschehnissen, Fragen, Verletzungen, Bewegungen.

Es gibt viele Geschichten, die zum Thema führen

Als Einstieg für unsere spirituelle Wanderung mit dem Thema „vergeben“ hat uns eine Textpassage aus dem Buch „die Hütte – ein Wochenende mit Gott“ inspiriert.
In dem ausgewählten Textstück spricht Gott mit Mac. Mac ist Vater einer kleinen Tochter, die umgebracht wurde. Er kommt über diesen Schmerz nicht hinweg sucht nach Vergeltung. Er kann kaum noch ein normales Leben führen, weil ihn diese Rachegedanken innerlich fast zerfressen. Der Autor führt uns in diesem Textabschnitt in eine Begegnung von Gott mit Mac. Das Gespräch dreht sich um vergeben. Vergeben nicht verstanden als Entschuldigung oder Versöhnung, sondern eher als „abgeben“, loslassen, sich innerlich von den negativen Gedanken dem Täter gegenüber zu befreien.

Gott sagt zu Mac: „Vergebung hat nichts mit Vergessen zu tun, sondern Du hörst auf, dem anderen an die Kehle zu gehen. Vergeben heilt den, der vergibt. Der Vergebende gibt lediglich den anderen frei und befreit sich selbst von Hass. Du musst es wollen und laut aussprechen „Ich vergebe Dir“. Du bist deshalb nicht gleich Deine Wut und Verletzung los aber Du hast die Verantwortung für die Tat an mich abgegeben. Erst dann kann ich etwas tun.“

Dieser Dialog findet zwischen Gott und dem Vater des ermordeten Mädchens statt. Das Gesagte springt sofort über. Die Worte bewegen uns innerlich. Sie setzten den eigenen inneren Film in Gang, weil auch bei uns unbearbeitete, nicht vergebene Enttäuschungen liegen. Unsere Ereignisse sind nicht ganz so spektakulär wie bei Mac, aber auch in uns liegen unbearbeiteter,  nicht vergebene Verletzungen und Enttäuschungen.

Die Geschichte wirken lassen

Wir probieren aus, uns selbst von unseren Altlasten zu befreien. Wie können wir vergeben? Wir starten unsere Wanderung mit drei Impulsfragen:

  • „ Was liegt noch in meiner Seele, das mich nicht los lässt“?
  • „Welche Ereignisse tauchen immer wieder vor meinem inneren Auge auf“?
  • „ Welchen Menschen habe ich noch nicht vergeben“?

Mit diesen Fragen gehen wir erst einmal schweigend die nächsten Kilometer. Jede ist bei sich selbst in ihren Gedanken. Wir sind in Bewegung. Das Gehen hilft uns, unser Inneres in Bewegung zu setzen. Ich schaue mir das an, was mich in der letzten Zeit verärgert, enttäuscht oder vielleicht sogar verletzt hat. Ich mache in meiner Seele die Tür zu dem Raum auf, in den ich Vergangenes eingeschlossen und noch nicht vergeben habe. Ich entdecke natürlich gleich Situationen, die ich noch nicht abgeschlossen habe, die mich immer noch „wurmen“.
Ich spüre die Enttäuschung hautnah und frage mich, ob ich überhaupt vergeben will? Da kämpfen zwei Seelen in meiner Brust. Die eine sagt: „ das ist unverzeihlich, gemein was derjenige gemacht hat “ die andere in mir sagt: „sei nicht so ungnädig, so nachtragend“. „Mach dich los davon“.

Erzählen - Mitteilen

Damit jede das Vergeben ausprobieren kann braucht es die Erzählung. Deshalb teilen wir das was uns beschäftigt mit den anderen. Jede hat ihre ganz eigene Erfahrung, ihre eigene Geschichte. Jede Geschichte ist anders, es ist spannend an den Erzählungen der anderen teilhaben zu dürfen. Mit dem Reden bekommt alles noch einmal klarere Konturen. Die Fragen der anderen helfen mir noch mehr auf den Punkt zu kommen. Je mehr wir erzählen können, die anderen ernsthaft zuhören, desto weniger werden die Emotionen.
Es tut unserer Seele gut sich von Altlasten zu befreien. Mit Menschen unterwegs zu sein, die bereit sind Enttäuschungen, Verletzungen zu teilen gleichzeitig aber genug Distanz haben um sich nicht in die Emotionen hineinziehen zu lassen.
Im Nachhinein spüre ich Erleichterung. Es wird sicher noch einige Zeit brauchen bis ich mich ganz von einer schon verstaubten Enttäuschung verabschieden kann aber ein großer Schritt ist an diesem Tag gemacht.



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