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Religiös erwachsen werden

Weihnachten funktioniert für Kinder in der magischen Entwicklungsstufe. Wie kommen sie später in ein, dem Erwachsenenalter entsprechendes, religiöses Verständnis.

Was haben es kleine Kinder leicht. Sie können ganz ungezwungen ihren magischen Vorstellungen von Gott, vom Christkind oder vom Nikolaus nachgehen. Da ist Gott der alte Mann mit dem Bart, der Nikolaus war wirklich da und das Christkind hat der Vierjährige um die Ecke huschen sehen und sieht es jetzt auf der Wolke sitzen. Eltern kennen diese Phase gut, genießen dieses kindliche Weltbild, sind oft traurig wenn diese Zeit zu Ende geht. Denn das tut sie.

Realistische Phase

Mütter und Väter beobachten dann bei ihren kleinen Schulkindern, dass die Realität näher rückt, das Kind lernt abstrakt zu denken und kann die  „religiösen Märchen“  nicht mehr glauben. Es tritt nämlich in ein anderes Stadium der Entwicklung ein. Existiert Gott noch in der Welt des Kindes, wird er jetzt zum Verhandlungspartner. Schulkinder bis 10 Jahre machen dann mit dem „ lieben Gott“ oft einen Deal. Sie versprechen artig zu sein, der Mama zu gehorchen, in die Kirche zu gehen, wenn Gott ihnen den einen oder anderen Wunsch erfüllt.  Sie wünschen vielleicht dass die Lehrerin ein bisschen krank wird (aber nur ein bisschen) damit die Mathearbeit ausfällt, es am Montag beim Sport regnet, damit man in der Halle bleiben kann. Für alles Mögliche kann das Kind ganz ungeniert Gott bitten, ihm im Gegenzug etwas anbieten und versprechen, um ihn gnädig zu stimmen.

Umbruch in der Pubertät

Aber mit dem Verhandlungspartner Gott geht es spätestens in der Pubertät bergab. Jetzt gibt es eine ziemliche Krise. Autoritäten sind Pubertierenden ein Gräuel. Sie setzen alle Energie ein, um sich  vor denjenigen zu schützen, die ihnen etwas vorschreiben wollen, die Druck machen, die sie in die Verantwortung nehmen wollen. Dazu gehören Eltern, Lehrer, Pfarrer, Ausbilder, aber auch natürlich dieser mächtige „liebe“ Gott. Er bekommt jetzt von vielen Jugendlichen „keine Schnitte“ mehr. Jetzt haben sie nämlich das Gefühl, dass sie ihr Leben selbst bestimmen können und dies ohne Vorschriften anderer, ohne die Kirche und ohne Gott. Gott ist für viele Jugendliche kein Partner mehr und von der Kirche muss man sich auch verabschieden. Wobei die Weltjugendtage und die vielen jugendlichen Ministranten eine andere Sprache sprechen. Da ist Sehnsucht nach etwas, das verbindet, Halt gibt, Orientierung ermöglicht. Die innere Unruhe von jungen Menschen kennen fast alle Eltern. Es ist keine einfache Zeit, weil sich im Gehirn so vieles umschichtet und neu ordnen will. Außerdem ist jetzt der Freundeskreis viel bestimmender als das, was Eltern zu sagen haben. Die Autoritätskrise in der Pubertät ist auch deshalb so schwierig, weil kaum noch Auseinandersetzungen über religiöse Fragen stattfinden. Die Jugendlichen verweigern den Dialog und die Diskussion, gleichzeitig gibt es auch zu wenig Erwachsene, die angemessen und fundiert auf die religiösen Unsicherheiten reagieren können. Uns fehlen Argumente, Worte, Überzeugungskraft. Glaube geht nicht mehr wie beim Kleinkind. Jetzt braucht es etwas anderes, um Gott einen Platz einzuräumen.

Nach Fritz Oser gibt es Stufen der religiösen Entwicklung.

Fritz Oser aus Fribourg hat die religiöse Entwicklung des Menschen in einer Untersuchung von 5000 Menschen unterschiedlichsten Alters und Milieus evaluiert. Er beschreibt diese einzelnen Stufen sowie das, was in den Stufen notwendig ist. Die Autoritätskrise ist die 3 Stufe. Sie braucht eigentlich fundiertes „Futter“ für die Auseinandersetzung mit Gott und Menschen, die mit Fingerspitzengefühl auf die Widerstände reagieren können, glaubwürdige Glaubende, großherzig, weitsichtig. Wer ist das schon? Hohe Ansprüche. Aber auch wenn die nächste Stufe vielleicht nicht so schnell erreicht wird, geht die Entwicklung weiter, denn sie korrespondiert mit den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie. Wir können keine Stufe einfach überspringen. Für jede Stufe braucht es Menschen, die ein bisschen weiter sind als wir selbst, damit sie uns den Blick für die nächste Stufe öffnen können. Halte ich mich immer nur bei denen auf, die meine Ansichten unterstützen, dann ist nach Oser fast unmöglich, die nächste Stufe zu nehmen.

Erwachsensein: Rechte und Pflichten

Nach der Pubertät ist der junge Mensch erwachsen. Zumindest wird er in unserer Gesellschaft als vollwertiges Mitglied aufgenommen. Er hat jetzt Pflichten und Rechte. Er geht Verbindlichkeiten ein und hat Verantwortung. Jetzt geht es um seine Person. Es geht um den Beruf, den jeder für sich finden muss, um die eigenen Gaben und Talente zur Entfaltung zu bringen, auch geht es um den Partner, die Partnerin, mit der ein tiefes Bedürfnis nach Liebe geteilt werden kann. Es tauchen Fragen nach der Zukunft auf. Wenn Krankheit, Tod von Angehörigen und Freunden erlebt werden, trifft das jetzt eine existentielle Ebene in uns. Da kann die Sinnfrage uns anrühren, nachdenklich machen, uns mit Menschen in Verbindung bringen, die einen neuen Blick auf das Leben lenken. Die tiefere Anfrage an das Leben und die eigene Person, die Erkenntnis der Verletzbarkeit des Menschen, seine Ohnmacht, das Leben nicht immer im Griff zu haben, setzt Fragen an die Existenz frei. Möglicherweise sind es gerade solche Erfahrungen, die die nächste Stufe eröffnen. Es geht in ihr um die Selbstverwirklichung des eigenen Lebens.

Übergang in den Erwachsenen-Glauben

Die Menschen spüren, dass es etwas geben muss, das größer ist als das, was wir Menschen „auf die Beine“ bringen. Es entwickelt sich Demut in einem guten Sinn, für das Geschenk des Lebens wie auch für die Verletzbarkeit in unserem Dasein. Es entwickeln sich Einsichten, die in tiefere Schichten vordringen. In dieser Stufe erkennt der Mensch nicht nur seine Grenzen, er spürt seine Verantwortung, seinen Lebensauftrag, um mit dieser Berufung sich für die Gestaltung der Welt einzubringen. Dieser Lebensauftrag macht frei, denn er ist kein Auftrag von anderen Menschen, sondern er kommt von Jemandem, der die ganze Welt im Blick hat und mir darin einen Platz gibt. Ich muss nicht mehr verbissen um meinen Platz kämpfen, denn mein Beitrag ist einmalig. Dehalb kann niemand anderes meinen Platz einnehmen. 


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