Kuppel Jesuitenkirche Mannheim F: hinsehen.net E.B.

Ohne Gott wäre doch alles viel einfacher

Wir müssten uns nicht mit diesen komplizierten Religionen, deren Auseinandersetzungen wer nun Recht hat und dem spirituellen Durcheinander beschäftigen, bräuchten nicht in den Gottesdienst, könnten Sonntags ausschlafen, müssten uns den Fragen nach unserem Gott nicht stellen, der sich nicht zeigt, nicht eingreift und auch im Alltag nicht auftaucht. Wir brauchen doch keinen Gott, um unserem Leben ein Erklärungsmodell zu geben. Die Naturwissenschaften und die Psychologie erklären schon so vieles. Wer erklärt aber unsere Einzigartigkeit, dieses Innenleben das wir Seele nennen, wer will unsere Würde?

Der Zufall kann die Einzigartigkeit des einzelnen Menschen nicht erklären

Ich bin als Person in diese Welt gekommen. Klein, hilflos, aber bereits ausgerüstet mit Energie, Kraft, Überlebenswille und einzigartigen Merkmalen. Schon im Säuglingsalter bin ich einmalig. Kann so etwas Einmaliges nur von den Eltern gemacht sein? Wenn ja, wie stellen sie es an, dass es bei jedem Kind in der Familie einen eigenen Daumenabdruck gibt, sogar bei Zwillingen. Oder, dass sich jedes Kind im gleichen Umfeld ganz eigen entwickelt. Eltern vererben uns einige Gene, aber das, was uns einzigartig macht, kommt nicht allein aus ihnen. Garantiert der Zufall vielleicht diese Einzigartigkeit? Kann das Zufallsprinzip verhindern, dass ein Würfel und hätte er 13 Milliarden Seiten, nicht zwei- oder mehrfach die gleiche Seite nach oben stellt? Der Zufall kann es wohl nicht sein. Wenn es nicht der Zufall ist, können es die Naturwissenschaften erklären?

Gesetze bringen Gleiches hervor

Können die Gesetze, die die Naturwissenschaften entdecken,  die Einzigartigkeit herstellen? Sie heißen ja nicht umsonst Gesetze, denn sie bringen immer gleiche Ergebnisse hervor. Ein Gesetz kann es nicht sein, das Einmaligkeit hervorbringt. Weil ich aber einmalig bin, brauche ich für mein Leben mehr, als die Naturgesetze mir zusichern. Für mein Personsein brauche ich Vertrauen, Liebe, Zuwendung, Zuversicht, Hoffnung. Die wissenschaftlich mit Beobachtung und Experiment arbeitende Psychologie hat gezeigt, dass ohne Grundvertrauen in das Leben das Leben misslingt. Ich brauche Anerkennung,  um mich in meiner Einzigartigkeit gewollt zu wissen.

Meine Einzigartigkeit ist gewollt

Wozu haben wir die Einzigartigkeit, was machen wir daraus? Sie macht uns zu einem Unikat. Wir sollen unser einzigartiges Leben verwirklichen. Wir tragen mit unseren Begabungen dazu bei, dass unser Leben, die Gesellschaft die wir mitgestalten, bunt und vielfältig bleibt. So würde noch eintöniger, wenn wir alle gleich wären. Auch Partnerschaften wären langweilig.

Jemand, der mit meinen Begabungen nicht konkurrieren muss

Aber wer hat eigentlich ein Interesse an unserer Einzigartigkeit? Sowohl in der Schule als auch in Ausbildungen werden wir alle mit dem gleichen Lehrstoff  versehen als hätten wir die gleichen Begabungen, Talente sowie gleiche berufliche Perspektiven. Da sind doch die wenigsten an der Förderung unserer persönlichen Talente interessiert, damit sich unsere Einzigartigkeit entwickelt. Es interessiert zwar Eltern schon, dass aus den Kindern mal was wird. Aber schauen sie denn gezielt darauf, was dieser junge Mensch an einzigartigen Talenten mitbringt. Wenn die Talente des Kindes nur versprechen, in einem Hungerleider-Beruf zu landen, wird diesem Kind oder Jugendlichen sogar direkt abgeraten, seine Begabungen beruflich zu verfolgen. Meine Gaben brauchen Entdeckung. Wenn ich nicht Menschen begegne, die das Besondere an mir sehen, ich selbst es auch nicht spüren kann, bleiben meine Talente lange unentdeckt.  Wenn aber unsere Gesellschaft so wenig Interesse an der Verwirklichung der Einzigartigkeit jedes Einzelnen hat, muss es doch noch etwas geben, das unsere individuellen Begabungen und Talente, unsere Einmaligkeit will. Es muss „Etwas“ sein das nicht neidisch, eifersüchtig auf unsere Gaben ist und das vor allem nicht mit uns konkurrieren muss. Es muss etwas Besonderes, Größeres sein. Etwas was mehr ist als wir Menschen.
Durch die Einmaligkeit bin ich nicht austauschbar. Das heißt doch: Jeder verdient einen eigenen Platz in dieser Welt, um als Person sein Leben selbst gestalten können. Das nennen wir Freiheit. Diese Freiheit verdient absolute gegenseitige Achtung. Das nennen wir die unbedingte Geltung der Würde des Einzelnen. 

Was wäre mit meiner Würde wenn es keine Macht über dem Staat gäbe?

Im Zusammenleben mit anderen bin ich darauf angewiesen, dass sie mich achten und mich als Person würdig behandeln. Diese Achtung, die wir anderen zukommen lassen und die wir selbst erfahren, hat den Ursprung in unserem inneren moralischen und ethischen Verständnis. Im Rahmen unserer Erziehung kann sich unser Gewissen ausbilden. Dieses Gewissen ist aber nicht bei allen gleich entwickelt. Denn hätten wir alle ein Gespür für den absoluten Wert des anderen ausgebildet, gäbe es weniger Kriminalität, Hass, Streit, Rivalität. Wenn das Gewissen bei manchen Menschen ganz versagt, sie sich mit ihrem Verhalten strafbar machen, sichert mir der vom Grundgesetz geschaffene Rechtsstaat meine Würde. Es gibt Bestrafung für Fehlverhalten, Beleidigungen sowie Raub, Einbruch, Mord. Aber das nur solange dieser Staat sich selbst daran hält.
Was ist aber, wenn dieses Gesetz durch Menschen unterlaufen oder ausgehebelt wird, wenn Parallelgesellschaften, wie z. b. die Mafia, ihre eigenen Gesetze schreiben oder  totalitäre Staatssysteme wie in Nordkorea oder das Dritte Reich die Grundwerte missachten, sogar das Lebensrecht des Einzelnen zur Disposition stellen, wenn der einzelne sich gegen das System stellt. Dann wird Menschenwürde nur den jeweiligen Anhängern zugestanden. Machthaber können die Gesetze nämlich einfach außer Kraft setzen, so dass wir ihnen dann ausgeliefert sind. Wenn Tötungen selbst aus der oberen Führungsebene gebilligt werden, Brudermord wie in Nordkorea ungestraft bleibt, was dann? Ich bin dann den herrschenden Machtprinzipien meines Landes ausgesetzt. Gäbe es keine höhere Instanz, die mich wenigstens in meinem inneren Personenkern achtet, an der ich mich ausrichten kann, die für mich Bezugspunkt bleibt, gäbe mir nur das jeweilige „un-menschliche“ System meine Orientierung.
Es kann sogar soweit kommen, dass ich das mit der Zeit billige, dass ich mich anpasse, mein Gewissen verleugne und möglicherweise selbst Anhänger werde. Denn es hat ja Vorteile, wenn ich nicht in den Widerstand gehe. Ich bleibe von Verfolgung und Strafe verschont.

Menschen haben sich der Willkür nicht ausgeliefert

Wir kennen das aus der Geschichte immer wieder. Wer nicht an ein herrschendes autoritäres System angepasst ist, muss mit Verfolgung rechnen. Auch die Lebensgeschichten von Märtyrern, die sich eben nicht weichkochen ließen, die ihren Werten verbunden blieben, gehören zur menschlichen Realität. Sie mussten ihr Leben zwar lassen, aber sie sind sich und ihren Werten treu geblieben. Sie haben den Glauben an etwas Größeres nicht verloren. 
Wer schützt uns, unsere Person, unsere Seele, wenn Menschen ihren Machtbedürfnissen uneingeschränkt nachgehen können, willkürlich handeln?
Ich verstehe den Schutz nicht nur für meine leibliche Existenz, sondern auch für meine Seele, meine Freiheit und einzigartige Würde. Man kann mich natürlich vernichten, aber wenn mir der Bezugspunkt zu etwas Erhabenen fehlt, verliere ich auch die Hoffnung auf einen gerechten Ausgleich. Wir können dann eigentlich nur verzweifeln. Dietrich Bonhoeffer hat die Tortur der Gefangenschaft im Dritten Reich ausgehalten, weil er sich an etwas Größerem orientieren konnte.

 

Wenn es Gott oder wie man dieses Größere auch immer nennen mag nicht gäbe, wären wir mit unserem Seelenleben, mit unserem Personkern den Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.



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