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Mit der rechten Hirnhälfte entscheiden

Entscheidungen, mit denen ich den roten Faden meines Lebens verfolge, treffe ich mit der Absicht, dass ich auch noch viele Jahre später dazu stehen kann. Diese Entscheidungen gehen nicht allein über den Verstand. Es muss eine tiefere Ebene hinzukommen, damit sie tragfähig bleiben. Wir erreichen diese Ebene über die rechte Gehirnhälfte.

Entscheidungen prägen meine Person

Es geht um die wichtigen Entscheidungen, die mein Leben langfristig bestimmen und mir dadurch Sicherheit auch für weitere, daraus folgende, Entscheidungen geben. Ich bestimme damit meinen Lebensweg, wie ich ihn mir vorstelle, was ich damit vorhabe, zu welchem Ziel ich aufbrechen will. Deshalb müssen diese Entscheidungen vor allem meine Wertvorstellungen umsetzen. Zu solchen wichtigen Entscheidungen zählt meine Berufsentscheidung, die Entscheidung für eine Partnerschaft, für Kinder, einen Hausbau, den Kauf eines Autos, wie auch für die Auswahl von Urlaubsorten. Die Entscheidung für einen Partner ist natürlich gewichtiger als der nächste Urlaub, aber dennoch soll er meinen Vorstellungen entsprechen.
Dafür brauche ich Entscheidungskraft, die ich aber nur gewinne, wenn ich mir über die Entscheidung, die ansteht, klar werde. Denn ich muss sie in meinem Leben umsetzen. Das kann ich nur, wenn ich die Entscheidung selber treffe und nicht an andere delegiere.  

Entscheidung aus meiner Person

Wie gelingt es mir, zu Entscheidungen zu kommen, die so tief gehen, dass sie mit meiner Persönlichkeit identisch werden, weil aus ihnen nicht nur bestimmte Handlungen folgen, sondern ich auch von innen her geprägt werde. Würde ich eine Entscheidung, die mein Leben betrifft, revidieren oder sogar bereuen, hätte ich wichtige Lebenszeit vergeudet. Für solche Entscheidungen genügen Argumente und logisches Abwägen nicht, weil mir erst eine tiefer liegende Schicht ermöglicht, die Entscheidung zu treffen, die aus meiner Person kommt, sie gleichzeitig aber auch prägt. Dafür brauche ich die rechte Hirnhälfte. Warum reicht dafür die linke Hirnhälfte nicht, die mich doch handlungsfähig macht.

Was leistet die linke Hirnhälfte, wofür braucht sie die rechte?

Die linke Hirnhälfte unterscheidet sich von der rechten dadurch, dass sie schrittweise und mit Argumenten logisch an anstehende Entscheidungen herangeht. Dafür muss sie das Umfeld der Gefühle und Intuitionen ausblenden, damit das, was ihr vorschwebt, in konkrete Handlungsschritte umgesetzt werden kann.
Wenn ich mich entscheide, ein Haus zu bauen, dann ist die linke Hirnhälfte für die Planungs- und Bauphase zuständig, denn in dieser geht es um Anträge, die konkreten Gewerke, die Materialien, die verbaut werden, die Heizung, die ökologisch sein soll. Es geht um konkretes Vorgehen. Bevor ich aber überhaupt in diesen Handlungsabschnitt der Maßnahmen komme, hat meine rechte Hirnhälfte mir bereits auf einer anderen Ebene signalisiert, dass ein eigenes Haus mit Garten meinem Lebensgefühl entgegenkommt. Es gab schon immer eine Sehnsucht nach eigenen vier Wänden, nach einem ruhigen Platz für die Kinder, nach größerer Nähe zur Natur, nach etwas Eigenem. Diese Wünsche sind in Gefühle eingebettet und in tieferliegenden Schichten verankert. Sie werden ausschlaggebend für die Entscheidung zu einem Eigenheim. Wenn die Entscheidung gefallen ist, braucht es die linke Gehirnhälfte für die Umsetzung.

Die rechte Hirnhälfte verwurzelt tiefer

Damit sich meine Entscheidung tiefer einwurzelt, brauche ich die rechte Gehirnhälfte, die die Breite meiner Emotionen, Wünsche und Erfahrungen einbezieht. In dieser Gehirnhälfte spüre ich die anstehenden Probleme oder Entscheidungssituationen aus einem emotionalen Erlebnisbereich. In ihr kann ich fühlen, was stimmig oder unstimmig ist, was zu mir passt oder für mich bedrohlich wird. Diese inneren Bewegungen spielen eine maßgebliche Rolle. Es sind meine Gefühle, die sich über die rechte Gehirnhälfte deutlich machen.

„Gefühle“!, da sehe ich schon das Lächeln auf den Gesichtern, denn was sind schon Gefühle gegenüber Fakten?

Gefühle werden oft nicht ernst genug genommen, werden sogar als „Gefühlsduselei“ belächelt. Aber es sind die Gefühle, die erst die Entscheidungen und die daraus folgenden Handlungen in meiner Person verankern. Entscheidungen werden erst zu meinen eigenen, wenn sie durch meine Gefühlswelt hindurchgegangen sind.
Dafür muss ich mich gefühlsmäßig aber auch auf die Entscheidungsalternativen einlassen, damit ich herausbekomme, was zu meiner Person, meinen Wertvorstellungen und meinen Wünschen passt.
Emotional entscheiden heißt ja nicht, Hals über Kopf in eine Richtung loszurennen, diese Gefühle und Intuitionen in mir wahrzunehmen, zu achten und sie hin und her zu bewegen. Nein, ich muss mir Zeit lassen, nicht sofort handeln, sondern diesen inneren, sehr sensiblen Signalen einen freien Raum zugestehen, damit sie mir für meine Entscheidung Zeichen geben. Wenn entschieden ist, brauche ich aber auch noch die Gefühle, um genügend Motivation für die Umsetzung zu haben. Wir können das leicht an uns selbst überprüfen: Etwas, das vernünftig wäre, was ich eigentlich machen sollte, bleibt liegen, wenn ich nicht mit dem Ziel ein gutes Gefühl verbinde.
Wenn eine Entscheidung einer so aufmerksamen Wahrnehmung der Gefühle bedarf, dann hat das Konsequenzen. Ich brauche Achtsamkeit dafür, damit ich unterscheiden kann, ob es meine Gefühle auch sind oder die, die von außen mich bedrängen.  

Keine Entscheidung in der Krise

Wenn ich mich in die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten versetze, kann ich in mir beobachten, welche Gefühle dabei auftauchen.
Dafür brauche ich aber Zeit, um ihnen auf die Spur zu kommen. In einer Krise weiß ich aber nicht, ob meine Gefühle Reaktionen auf das sind, was mich von innen bewegt oder eben von außen gefühlsmäßig anspricht bzw. erregt. Deshalb sollte ich die Entscheidung erst treffen, wenn ich wieder auf mich hören kann.
Das fällt schwer, denn starke Gefühle bewegen zum Handeln. Wenn es um gute Gefühl geht, will ich sie behalten, schlechte will ich möglichst schnell loszuwerden. Es sind diese Entscheidungen, die wir später lieber nicht getroffen hätten. Verliebtsein, auf der siebten Wolke schweben, verlangt nicht, gleich einen Heiratsantrag zu machen. Gefühle aus einer Verärgerung oder einem Konflikt erfordern nicht, dass ich möglichst schnell etwas unternehme, einen bösen Brief schreibe, auch nicht, alle Welt davon in Kenntnis setze.
Für eine weitreichende Entscheidung brauche ich eine längere Auszeit, damit ich aus dem Alltagstrott herauskomme um in die andere Sphäre einzutauchen, in der ich mein Leben insgesamt spüren kann. Die Exerzitien des Ignatius v. Loyola bieten die Schritte an, wie ich erst einmal mit mir ins Reine komme, um meinen Blick auf das Gesamte meines Lebens zu öffnen.
Damit ich diesen Gefühlen näherkomme, die mich zu tragfähigen Entscheidungen führen, kann ich mich fragen:

  • was bewegt mich in Bezug auf die Entscheidungssituation vor der ich stehe?
  • welche Emotionen kommen hoch, wie spüre ich sie?
  • Sind es meine Emotionen oder übernehme ich gerade Gefühle von außen?
  • wie fühlt es sich an?


Auf die Gefühlsqualitäten achten

Ich lasse diese Gefühle erst einmal in mir auftauchen, ohne sie gleich zu bewerten. Solche, die ich vielleicht nicht haben möchte, lasse ich auch zu. Damit sie sich weiter klären können, lasse ich sie in mir über Tage und auch Wochen hin und her bewegen und spüre nach, was sich entwickelt. In diesen Tagen träume ich in der Regel intensiver und kann mich vielleicht auch an die Bilder und die Empfindungen, die meine Träume  auslösen, erinnern. So komme ich meinem inneren Gespür noch näher.
Damit eine Entscheidung sich mit meiner Person verbindet, muss sie „gefühlsmäßig“ zu mir passen. Es sind ja die Gefühle, die mir signalisieren, ob der eingeschlagene Weg meiner Person entspricht. Das beobachte ich daran, welche Lösungsansätze für ein Problem, welche Entscheidung für mein Leben gute oder weniger gute Gefühle hinterlassen, wo ich innere Zufriedenheit und Stimmigkeit spüre, ob ich Energie habe, eine Lösung, eine Entscheidung auch umzusetzen. Wenn ich mich den Lösungsansätzen oder Entscheidungsalternativen genähert habe, kann ich fragen:

  • Spüre ich Angst?
  • Ist Unfreiheit im Spiel?
  • Verbindet sich die Entscheidung mit Freude
  • Fühle ich mich innerlich so frei, dass ich sicher sein kann: Es ist meine Entscheidung?
  • Spüre ich Energie für die Umsetzung?
  • Kehrt Ruhe in mir ein
  • Erlebe ich Stimmigkeit?

Bin ich in meiner Gefühlswelt klar, kann ich mich der rationalen Seite zuwenden, also die linke Hirnhälfte einsetzen, um noch einmal rational mit folgenden Fragen prüfen:

  • Was spricht dafür, was dagegen?
  • Was kann ich schultern?
  • Was kann ich selbst leisten? Wofür brauche ich andere?
  • Auf was muss ich verzichten?

Auch die Religion ist nicht nur auf der linken Hirnhälfte beheimatet Religion braucht die rechte Hirnhälfte


Kategorie: Verstehen

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