Druck macht krank
Früher, als ich noch im Berufsleben stand wurde ich oft an Wochenenden oder im Urlaub krank. Ich habe das meist darauf zurückgeführt, dass die Anspannung, der Druck, die hohe Aufmerksamkeitsleistung, die ich in den Fortbildungskursen als Trainerin erbringen musste, nachließen und sich mein Körper das gönnen konnte was er sich mit dem Kranksein holte. Nichts tun, ohne Druck von außen oder vielleicht sogar von selbstgemachtem Druck mich nur mal um mich kümmern. Aber jetzt im Rentenalter brauche ich mich doch nicht von Druck erholen! Oder ist es immer noch das Gleiche, nur mit anderem Inhalt? Ich gehe ja immer davon aus, dass wenn ich krank werde, nicht nur mein Körper schwächelt, sondern auch meine Psyche gerade mit etwas Anderem beschäftigt ist. Meist sind es irgendwelche ungeklärten Dinge, die mich belasten und die Aufmerksamkeit abziehen. Dann biete ich für Viren oder Bakterien zwei Schlupflöcher in meinen Körper, die nicht geschützt sind. Und schwupp haben sie angedockt. Wenn ich in mich hineinschaue, kann ich noch Unerledigtes sehen. Ist es das, womit ich mir den Druck mache? Oder ist es die Taktung in meiner Planung? Um die Tage hier effektiv zu nutzen, habe ich mir die Zeit natürlich auch gut strukturiert. Mache ich mir damit vielleicht unnötigen Druck? Oder warum schlägt diese Erkältung gerade jetzt zu? Ich habe noch keine Antwort für mich.
Die Psyche spielt mit
Jetzt muss ich hier im Hotel akzeptieren, dass ich nichts tun kann. Das Schwimmen fällt aus, das Wandern fällt flach, meine ganze Planung wird über den Haufen geworfen. Soll ich wirklich lernen, mal nichts zu tun? Das kostet mich Kraft. Es ist für mich ungewohnt, fremd. Mir fehlt dazu die Geduld, mich untätig auszuhalten. Jetzt hier im Hotel habe ich keine Chance, etwas zu tun. Noch nicht einmal die Wohnung aufräumen oder mir was zum Essen kochen. Ist es wirklich das, was ich aus diesen Tagen lernen kann. Aushalten, mich im Nichtstun aushalten. Ist es das auf was ich mich mit zunehmendem Alter einstellen soll?
Ist es mein Druck, den ich mir selbst mache? Oder welche Faktoren spielen noch mit? Mein schwaches Immunsystem, das weiß ich, ist anfällig für Infekte, so dass vermutlich beides, meine psychische wie körperliche Schwäche zusammenkommen, wenn sich ein Infekt bei mir einnistet. Mein psychisches Einfallstor scheint mir augenblicklich nicht genügend Schutz zu bieten. So dass ich für mein schwaches Immunsystem keine Unterstützung durch meine seelische Stabilität bekomme. Ich muss meine Seele besser schützen.
Stress, der aus dem Zusammenleben kommt, auch im Alter
Eigentlich räume ich meine seelischen Dinge gerne direkt auf. Bin ich dabei auf andere mitangewiesen, kann ich das nur, wenn der andere auch aufräumen will. Ich habe scheinbar nicht versöhnte Geschichten mitgenommen. Sie haben möglicherweise meine Aufmerksamkeit unterbewusst absorbiert, denn ich bin mit guter Stimmung hier angekommen. Allerdings scheint mich umzutreiben, dass mein Gegenüber sich der Klärung nicht stellt. Wenn der andere eine Klärung verweigert oder mir den „schwarzen Peter“ unberechtigt in die Schuhe schiebt, seinen Anteil nicht sehen und verstehen kann oder will, sind mir die Hände gebunden. Ich kann dann nur noch versuchen auszuhalten, dass ich jetzt diesen Zustand nicht ändern kann. Was mir ausgesprochen schwer fällt, weil in solchen Situationen aushalten, für mich nicht nur „Nichts tun können“ bedeutet, sondern ich in der Konsequenz mit offenen Augen auf das Scheitern einer Beziehung schauen muss. Ein No-Go für mich als Beziehungsmensch. Je mehr ich dazu schreibe, desto klarer wird mir, dass ich mich in diesem Fall für eine Klärung verantwortlich fühle, die der andere nicht mitträgt. Ich gerate damit in eine hilflose Situation. Es ist diese Konstellation, die mich unter Druck setzt. Will ich meinen Druck loswerden, muss ich den mir gestellten Auftrag, diesen Konflikt zu klären an den anderen abgeben. Dann kann auch der andere vielleicht seine Verantwortung besser sehen. Das ist keine leichte Aufgabe für mich, weil mir gute Beziehungen am Herzen liegen. Ich bin zudem überzeugt, dass Konflikte geklärt werden können, wenn beide Seiten das wollen. Dass ungeklärte Konflikte eine Beziehung zerstören, liegt auf der Hand.
Was verbinde ich mit einer guten Beziehung?
Gute Beziehungen finden für mich auf Augenhöhe statt. In einer solchen Beziehung sind beide Seiten aneinander interessiert, können sich zuhören, können streiten, sorgen in Konflikten für Klärung und sind kompromissbereit. Hohe Ansprüche, die ich da stelle. Ich kann natürlich von meinen Ansprüchen lassen, aber was sind dann das für Beziehungen?
Sich im Alter aushalten
Aushalten und loslassen können sind Eigenschaften, die jetzt auf meiner Lernagenda stehen. Mit zunehmendem Alter werde ich in Situationen geraten, in denen ich manches nicht mehr selbst tun, unternehmen, klären kann. In denen ich hilflos bin und auf die Zuwendung anderer angewiesen sein werde. Dieses Gefühl, in Hilflosigkeit auf andere angewiesen zu sein, ist mir nicht vertraut. Deshalb kann ich heute schon lernen, Ohnmacht zuzulassen, Verantwortung abzugeben, wo ich sie nicht mehr erfüllen kann oder will, und noch schwieriger, Hilfe anzunehmen. Ich kann auch noch besser hinschauen, wofür ich tatsächlich zuständig bin und wofür nicht. Wenn ich lerne, mich mit Klarheit und in Ruhe selbst auszuhalten, mich sogar im Nichtstun zu ertragen, loszulassen, wo ich unnötig festhalte, entlaste ich nicht nur den Druck und die Anspannung in meinem Körper und damit die Anfälligkeit für Infekte, sondern auch die Menschen um mich herum. Auch sie können profitieren, wenn ich entspannter bin.
Mit den Erkenntnissen der Überlegungen zu meinem Infekt im Urlaub bin ich jetzt zufrieden. Sie fühlen sich richtig an, sie geben mir neue Impulse.
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