Wir kennen die Denkweise von Marx aus den drei Bänden des Kapitals, vielleicht auch aus seinen frühen Schriften, weiter aus seinen Veröffentlichungen als Journalist und Redakteur in unterschiedlichen Presseorganen wie der Rheinische Zeitung oder der New York Times. Seine Gedanken haben bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Man könnte sogar sagen, dass sie in den ökonomischen Realitäten erst heute angekommen sind.
„Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und kein Klassengegensatz gibt werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören politische Revolutionen zu sein“.
Überwindung der Entfremdung
Marx versteht sich als Aufklärer. Er verfügte über einen analytischen Geist und seine Ausführungen im Kapital zeigen den Weitblick bis in unsere Tage hinein. Seine Philosophie der Entfremdung entwickelt er aus einer bereits bestehenden philosophischen Tradition. Er greift auf Gedanken von Hegel, auf Feuerbach und andere Denker seiner Zeit zurück. Marx greift damit auf Begriffe, Bilder und Gedanken der anderen zurück, die er für Politik und Wirtschaft weiterentwickelt. Er übernimmt das Grundmodell von Feuerbach, dass der Mensch sein Glück dadurch findet, dass er unmittelbar zu sich selbst findet.
Deshalb muss die Religion abgelehnt werden, weil sie den Menschen von sich selbst ablenkt, indem sie ihn auf Gott bezieht. Die Entfremdung, von der Marx spricht, sieht er vor allem auch in der Organisation der Arbeit.
Er hat schon damals die Dynamik des Kapitalismus erkannt und vorhergesagt, wohin das führen wird.
Von Beruf Journalist
In seiner Arbeit als Journalist als auch in leitender Stellung als Redakteur provoziert er seine Zeit mit seinen neuen Ideen. Gleichheit und Gerechtigkeit für die Arbeiterbewegung, Abschaffung der Stände etc. Seine offensive und provokative Denkweise führt dazu, dass er mehrfach in seinem Leben seinen Aufenthaltsort und seine Arbeit wechseln muss.
Seine politischen Ideen und Gedanken von einer Gesellschaft, in der die Menschen „alle für einen und einer für alle denken“ werden für die damalige Gesellschaft immer provokativer.
Der Mensch Karl Marx
Karl Marx wird am 5. Mai 1818 als drittes von neun Kindern in Trier geboren. Die Wurzeln der Eltern gehen auf alte Rabbinergeschlechter zurück. Weil aber der Vater seinen Beruf als Rechtsanwalt nicht als gläubiger Jude ausüben kann, konvertiert er zum Protestantismus. Die Kinder werden ebenfalls getauft. Karl Marx, ein hochbegabter Schüler beendet mit nicht ganz 18 Jahren seine schulische Laufbahn mit dem Abitur und verlässt Trier, um in Bonn Rechtswissenschaften zu studieren. Er verlässt zugleich das bürgerliche Milieu. Sein studentischer Lebenswandel ist auffällig, rebellisch, streitsüchtig, verschwenderisch.
Er wechselt nach Aufforderung seines Vaters die Universität und geht nach Berlin. Diese Zeit in der damaligen geistigen Metropole Deutschlands bietet dem jungen Karl neue geistige Herausforderungen. Hier nabelt er sich auch vom Vater ab. Er wechselt zur Philosophie, findet Kontakt zu Schülern Hegels und wird in den Berliner „Doctor- Club“ aufgenommen. Aus einigen Briefen mit dem Vater in dieser Zeit lassen sich die fünf Studienjahre nachvollziehen. Er wird immer mehr zum Kritiker der bestehenden Gesellschaft und der Religionen. Der wichtigste Begleiter im Leben von Marx wird Engels, dem er in Paris zum ersten Mal begegnet. Es entsteht eine enge Verbindung.
Innerlich zerrissen, kämpferisch, alle Einflüsse von Macht und Geld in der Gesellschaft wie in den Religionen angreifend, scheint er trotz Familie, die er mit Jenny von Westphalen gründet, ein einsamer Mensch gewesen zu sein. Sein verschwenderischer Lebensstil führt die Familie regelrecht in die Armut.
Das Buch
In den 600 Seiten der Biographie bettet Jürgen Neffe die Ideen von Marx in das zeitgenössische Denken ein. Er beschreibt die unterschiedlichen Reaktionen auf die Veröffentlichungen von Karl Marx. Neffe erklärt sowohl den wissenschaftlichen als auch den philosophischen Ansatz des Kapitals. Er zeigt konkrete Verbindungslinien zu unserer Gesellschaft auf.
Dabei erzählt er nicht nur Fakten, sondern integriert viele Begebenheiten in einen Reigen von anderen Episoden und zieht Verbindungslinien zu anderen Denkern und Ereignissen. Dem Leser wird ein großes Tableau eröffnet, um die Entwicklungen aber auch die Wirren der damaligen Zeit besser zu verstehen. Die biografischen Ausführungen lassen auch den Menschen Karl, seine Charakterstruktur plastisch hervortreten. Der Briefwechsel mit seinem Vater, seiner Ehefrau und Friedrich Engels geben dem Leser einen tieferen Einblick auch in die Nöte dieses intelligenten, empfindlichen, nervösen und rachsüchtigen Revolutionärs.
Jürgen Neffe liebt Worte. Er liebt Sprache. Er formt mit seinen Sätzen Bilder, macht zu Ereignissen von damals Spaziergänge in vergleichbare Situationen von heute. Er zeigt immer wieder parallelen zu anderen Denkern, Philosophen, Wissenschaftlern auf. Das ist auf der einen Seite erhellend, schafft einen großen Überblick für den Leser macht aber das Lesen auch manchmal anstrengend, wenn wieder eine neue Seitengasse eröffnet wird. Für dieses umfangreiche Werk braucht der Leser Zeit, die er lohnend einsetzt. Es werden viele Hintergründe beleuchtet, die das Leben des ersten Kommunisten Karl Marx verlebendigen. Nicht nur seine philosophischen, revolutionären, politischen Gedanken sind dabei Thema, sondern auch sein Innenleben, sein Lebensumfeld sowie die Krisen, in die er gerät.
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