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Macht: Du darfst nicht mitspielen!

Auf diesen Ausschluss aus dem „Mitspielen“ mit den anderen muss das Kind eine Strategie entwickeln, wie es in der Kindergruppe dennoch seinen Platz findet. Solche und andere Erfahrungen zwingen jeden von uns bereits in Kindertagen, eine individuelle „Strategie“ auszubilden, um den eigenen Platz zu sichern. Jeder entwickelt seine eigene Macht-Strategie

Wir brauchen einen Platz in den Gruppen und Teams, in denen wir Mitglied sein wollen. Um bei Ablehnung seinen Platz zu finden und sich zu behaupten, entwickelt jeder von uns eine mögliche Strategie. Denn wir kämpfen um unsere Daseinsberechtigung, die Akzeptanz unserer Person. Da spielt auch das Gefühl eine Rolle, Einfluss und sogar Macht zu haben. Welche Einfluss- oder Machtmöglichkeiten wir für Beziehungen entwickeln hängt von den Erfahrungen, den Begabungen sowie den Qualitäten und den Schattenseiten des eigenen Charaktermusters ab. Es ist eine bestimmte Energie mit der jeder seine Existenz sichert.

Jeder kämpft um seinen Platz

Es sind ganz unterschiedliche Strategien, wie Einfluss und Macht ausgeübt wird. Das Kind, das dem anderen das Mitspielen verbietet, fühlt sich mächtig genug, weil es von den anderen in der Gruppe unterstützt wird. Das ausgegrenzte Kind muss nach diesem Vorfall eine Lösung für sich suchen. Es kann in den Konflikt gehen und streiten oder sogar handgreiflich werden. Es kann sich auch Unterstützung durch andere holen. Wenn es in den Rückzug geht, kann es warten, bis jemand mit ihm spielen will oder ein Erwachsener darauf reagiert und ihm einen Spielpartner sucht. Es kann sich aktiv anderen Spielpartnern zuwenden, wo es die Akzeptanz erhält. Oder es entwickelt Rachegedanken, indem es dem, der es nicht mitspielen ließ, etwas kaputt macht. Eine weitere Strategie ist, auf eine nächste Spielkonstellation zu warten, für die es gebraucht wird, und sich dann zu verweigern. Es sind viele Varianten, aus denen jeder auswählen kann, um seinen Platz zu sichern. Je nach dem wie die Versuche gelingen, entstehen Erfahrungswerte, mit denen das Kind sein Durchsetzungsvermögen stärkt. Es ist eine Energie, die uns auch im Erwachsenenalter zur Verfügung steht um Einfluss auszuüben und, wenn es notwendig ist, mit Macht uns gegen Widerstand oder Ablehnung durchzusetzen. Alleine dadurch, dass ich mit bestimmten Gaben und Talenten ausgestattet bin, entwickle ich ein Charaktermuster, mit dem ich mir meinen Weg durchs Leben bahne. So nehme ich Einfluss auf mein Umfeld und kann, wenn notwendig, auch meine Macht einsetzen.

Macht ist nicht per se negativ

In Familien, in Freundschaften, im Arbeitsleben, in der Politik, in der Kirche, in jedem Unternehmen spielt Macht eine Rolle, selbst wenn wir sie nicht immer bewusst als solche wahrnehmen. Macht kann ich ge-brauchen wie auch miss-brauchen. Für mich ist Macht dann konstruktiv, wenn sie anderen dient, wenn sie dazu führt, dass sich andere engagiert und motiviert an etwas beteiligen, wenn sie eingesetzt wird, um vor Gefahren zu schützten oder wenn sie dazu führt, dass sie dem anderen eine Perspektive eröffnet. Dazu braucht derjenige, der seine Macht ins Spiel bringt, sowohl die Autorisierung wie auch Strategien, die für die Gruppe, das Team hilfreich sind. Machtmissbrauch degradiert nämlich andere, schädigt, verletzt, beleidigt oder setzt sie unter Druck.

Elternmacht

Als Eltern bin ich verpflichtet, meinem Kind die bestmögliche Erziehung angedeihen zu lassen. Das geht jedoch nicht, ohne dass bestimmte Verhaltensregeln eingeübt werden. Da kann es schon mal vorkommen, dass ich, um meiner Verantwortung gerecht zu werden, nicht nur meinen Einfluss ins Spiel bringe, sondern meine „Macht“ einsetzen muss, um das Kind zu unterstützen, dass es die Regeln lernen kann, die unentbehrlich sind, um im Leben zu bestehen. Auch wenn sich das Kind in Gefahr bringt, bin ich verpflichtet, es mit „Macht“ zu schützen. Das heißt nicht mit Schlägen und willkürlicher Strafe, sondern mit logischen Konsequenzen, die das Kind einsehen kann.

Institutionelle Macht

Wer eine Leitungsfunktion in einer Institution übernimmt, trägt Verantwortung dafür, dass die Ziele des Unternehmens, der Institution verfolgt, Vorgaben und Sicherheitsvorschriften eingehalten werden und die Werte, für die das Unternehmen steht, im Umgang mit den Mitarbeitenden wie den Kunden erlebbar sind. Machteinsatz von Vorgesetzten kann ich dann als konstruktiv bezeichnen, wenn dieser sie zum Wohle, zum Schutz und zur Weiterentwicklung des anderen einsetzt.
Neben der Macht, die mir von anderen, wie auch von Institutionen zugesprochen wird, besitzt jeder auch noch Möglichkeiten aus seinem Charakter heraus seine persönlichen Machtstrategien zu entfalten und auszuüben.

Persönliche Einfluss- und Machtqualitäten

Jeder von uns hat seine persönlichen Machtmechanismen ausgebildet, die er, die sie nutzt. Das Kind, das dem anderen das Mitspielen verwehrt hat, spürt schon früh viel Energie sich durchsetzen zu können. Es wird vermutlich mit einem kräftigen Durchsetzungsvermögen erwachsen werden. Wir können nur hoffen, dass es bis dahin die soziale Komponente des Miteinanders und der Integration eingeübt hat, damit es als Erwachsener nicht mehr willkürlich ausgrenzt. Je mehr ich mich mit meinen Machtmechanismen, meinen Einflussmöglichkeiten beschäftige, desto besser lerne ich sie kennen und kann mich zügeln, wenn die Schattenseite meines Machtverhaltens mich leiten. Auch helfen mir die Beobachtungen über das Machtverhalten anderer, damit ich mich selbst vor Machtmissbrauch schützen kann.

Macht: Es gibt mindestens neun Grundmuster

Denn jedes Charaktermuster, das im Folgenden entsprechend den 9 Varianten des Enneagramms beschrieben wird entwickelt seine eigene Macht - Strategie. Die Charaktermuster des Enneagramms können einen Blick auf den sehr unterschiedlichen Umgang mit Macht eröffnen.

Perfektionisten mit ihrem klaren Blick, ihren oft hilfreichen Lösungsvorschlägen und der Fähigkeit, Fehler schnell zu erkennen, setzen ihren Einfluss oft mit Kritik in Gang. Sie sehen, was falsch läuft, wo etwas nicht „richtig“ durchgedacht wird. Wenn ein neues Projekt ansteht, verfügen sie über einen Realitätssinn, mit dem sie schnell überprüfen können, ob etwas geht oder nicht. Das kann hilfreich sein, ist aber auch nervig, wenn sie nur sagen: „Das geht so nicht“, ohne einen konstruktiven neuen Vorschlag zu nennen. Damit verhindern sie nicht selten, dass kreative Ideen überhaupt auf den Tisch kommen können. Ihr Einfluss durch Kritik senkt die Motivation der anderen in der Gruppe und schlägt auf die Stimmung durch. Persönliche Macht üben sie dann aus, wenn sie die Mitarbeit verweigern, weil sie mit ihrer Sichtweise nicht durchkommen. Damit entziehen sie dem Prozess ihre Kompetenz. Haben sie Führungsverantwortung, kann die Machtausübung noch anders aussehen. Sie entscheiden einfach selbst, was zu tun ist. Dieser Führungsstil ist fragwürdig, denn um die Motivation der Mitarbeitenden für das Projekt zu gewinnen und dem Unternehmen eine längerfristige Perspektive zu eröffnen, sind die wertvollen Ideen aller notwendig.

Helfer heißen nicht umsonst so. Sie fühlen sich stark, wenn es darum geht, andere zu unterstützen. Sie sehen die Not, die Hilflosigkeit, auf die sie reagieren können. Ihr Einfluss besteht darin, dass sie sowohl emotional als auch tatkräftig helfen können. Was sie auch gerne tun. Allerdings können Helfer mit ihrer Unterstützung auch aufdringlich und übergriffig werden. Ihr Einfluss kann andere klein halten oder sogar unter Druck setzen, denn sie nehmen den Zögerlichen deren Platz weg, indem sie bereits tätig geworden sind, bevor die anderen den Mut gefasst haben zu handeln. Sie üben negative Macht aus, wenn sie sich alles „unter den Nagel“ reißen und sich damit unentbehrlich machen. Wenn sie spüren, dass ihr Engagement nicht mehr gewollt ist, können sie alle übernommenen Aufgaben trotzig „hinschmeißen“, ohne auf die Konsequenzen zu schauen.

Erfolgreiche entwickeln ein gutes Gespür dafür, mit welchen Menschen sie ihren eigenen Erfolg erzielen können. Deshalb suchen sie die Kooperation mit anderen wichtigen, „siegreichen“ Menschen. Mit guten Ideen und ihrer Erfolgsenergie nehmen sie Einfluss und unterstützen das gemeinsame Ziel. Wenn sich der Erfolg jedoch nicht abzeichnet, verlassen sie die Projektgruppe oder das Team. Sie entziehen ihre Energie und ihre Kooperation und können mitten im Projektablauf aussteigen. Ihre Macht liegt darin, nicht den Misserfolg zu verhindern, sondern ohne Skrupel vom Pferd abzusteigen wenn es schwächelt. Damit beschleunigen sie den negativen Trend.

Die Besonderen, die an der Oberflächlichkeit der Welt leiden, besitzen mit ihren künstlerischen Ambitionen und ihren Fähigkeiten tiefere Dimensionen zu spüren, viele Qualitäten. Sie registrieren wie Seismographen, was unter der Oberfläche liegt. Damit beeinflussen sie unsere kulturelle wie die psychologische Szene und verbreiten nicht selten eine depressive Stimmung. Mit ihrer leidenden Ausstrahlung nehmen sie auch Einfluss auf die Stimmung in ihrem Umfeld. Macht üben sie auf andere dann aus, wenn sie die Verantwortung für übernommene Aufgaben ablehnen und andere die Konsequenzen tragen müssen. Sie gehen in den Rückzug und entziehen damit der Gruppe nicht nur ihre Energie.

Wissende suchen Informationen, bis sie sich umfassend kundig gemacht haben. Damit sind sie für die Auseinandersetzung zu bestimmten Themen gut informiert. Mit ihrem Wissen üben sie Einfluss aus, nehmen meist den Platz als Experten ein. Macht üben sie aus, wenn sie sich als die einzigen Experten darstellen und die anderen gar nicht erst zu Wort kommen lassen, sondern im Monolog auf sie einreden. Wenn sie mit ihrer Art nicht durchkommen, reagieren sie „eingeschnappt“ und verweigern wichtige Informationen. Damit verhindern sie, dass entscheidende Sichtweisen oder Einschätzungen zu einer Sachlage berücksichtig werden können. Die Machtversuchung liegt in der Verweigerung.

Loyale mit ihren Fähigkeiten, solide und angepasst mit anderen umzugehen, nehmen ihren Einfluss dadurch wahr, dass sie lange keine Schwierigkeiten bereiten. Sie sind im Umgang pflegeleicht, solange sie sich gut orientieren können. Nimmt die Leitung ihre Aufgaben nicht wahr, fehlen wichtige Ordnungsregeln oder Richtlinien, werden sie unruhig. Dann bringen sie ihre Macht ins Spiel indem sie sich im Alleingang auf den Weg machen. Sie unterlaufen Anordnungen und stehen für andere nicht mehr verlässlich zur Verfügung oder agieren sogar „hintenherum“.  

Unterhaltsame mit ihrer unbeschwerten Art, das Leben zu genießen, sind auf der einen Seite begeisterungsfähig und flexibel, auf der anderen Seite vermeiden sie möglichst alles das, was unangenehm, anstrengend und schwierig wird. Mit ihrer „Leichtigkeit des Seins“, vieles durch die positive Brille zu betrachten, nehmen sie Einfluss auf die Stimmungen. Wenn ihnen ein Thema oder eine Aufgabe zu schwierig, zu ernst erscheint, lenken sie gerne den Blick auf ein angenehmeres Thema oder machen die Fragestellung lächerlich und fangen an, Witze zu erzählen. Wenn sie damit nicht durchkommen, steigen sie innerlich aus. Sie tun sich mit denen zusammen, mit denen sie unbeschwerter die Zeit verbringen können, die ihre Unterhaltsamkeit schätzen. Ihre Macht besteht darin, dass sie die Auseinandersetzung mit ernsthaften Themen oder Schwierigkeiten unterlaufen, so dass Probleme und Konflikte nicht gründlich genug durchgearbeitet werden.

Einflussreiche stecken voller Ideen, womit sie ihren Einfluss betreiben. Sie haben meist mehrere Themen und Projekte gleichzeitig am Laufen, mit denen sie ihren Erfolg steuern. Bei ihnen gibt es viel Energie, so dass Viele in deren Fahrwasser mitschwimmen können. Diese Bedingungen sind gleichzeitig ein großes Machtpotential der Einflussreichen, denn wer mithalten will, muss sich anstrengen, um nicht abgehängt zu werden. Einfluss kippt immer dann in persönliche Machtausübung, wenn sich die anderen an der Ausführung der Projekte nicht beteiligen wollen und unter Druck gesetzt werden. Damit treiben die Einflussreichen diejenigen, die sich nicht gleich für ein Projekt begeistern können, in den Widerstand.

Friedfertige suchen den Ausgleich. Alles was Unruhe bringt, wird ausgeblendet. Sie nehmen dadurch Einfluss, dass sie immer jeden verstehen, alle Seiten sich bestätigt fühlen. Damit nehmen sie Spannungen aus Entscheidungsprozessen. Auf den ersten Blick erscheinen sie wie „Friedensapostel“ und gewinnen damit auch ihren Einfluss auf andere. Diese orientieren sich gerne an den Friedfertigen, weil sie spüren, dass sie die Gruppe nicht spalten, sondern eher auf eine einvernehmliche Entscheidungssituation hinsteuern. Der Eindruck kann auch trügen, denn sie üben ihre Macht aus, indem sie sich stillschweigend mit anderen verbünden, damit sich genügend Energie bildet. Sie selbst bleiben dabei eher im Hintergrund. Diese Form von Macht ist nicht so leicht erkennbar, weil die Macht der Friedfertigen im langen Atem liegt. Sie warten bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Manchmal sind sie dann aber zu spät.

Interessanterweise sind es die Rückzugs- Charaktere, die auf Dauer den größten Druck erzeugen und damit mehr negative Macht gewinnen als diejenigen, die gleich losrennen. Rückzug bedeutet ja meist, dass Entscheidungsprozesse blockiert oder sogar ganz verhindert werden. Diejenigen, die dann vorpreschen, weil sie die Lähmung nicht aushalten, bestimmen zwar dann wie es weiter geht, haben aber eher nicht das Gefühl dass sie Macht ausüben.

Macht ist in seinen Ausdrucksformen so differenziert und vielfältig, manchmal ganz leise oder auch polternd, dass ich genau hinsehen oder hören muss, um zu erkennen, um was es wirklich geht. Ich brauche Achtsamkeit für die feinen Zwischentöne, die subtilen Äußerungen, die Manipulation, aber auch für das, was positiv entstehen kann, wenn Einfluss genutzt wird, um ein Machtvakuum zu verhindern, in dem sich die Willkür breit macht.


Kategorie: Verstehen

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