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„Mach, was dir Spaß macht“ – warum dieser Rat nicht hilft

Unsere Eltern haben uns, den heute Dreißigjährigen – Generation Y werden wir genannt – mitgegeben, dass wir das machen sollen, was uns „Spaß macht“. „Studiere, was Dir Freude macht“. Wir sind die Generation überforderter Idealisten. Woher sollen wir denn wissen, was uns wirklich liegt und dann noch auf Dauer Spaß macht.

Die Generationen vor uns hatten kaum Spaß

Die uns nachfolgende Generation Z macht mit dem Rat, sich am Spaß zu orientieren, noch mehr ernst. Sie brechen ab, wechseln und brauchen oft ein Jahr, um herauszufinden, welchen Ausbildungs- und Berufsweg sie einschlagen wollen.

Diejenigen, die den Rat aussprechen, leben als Eltern, Großeltern, Lehrer uns etwas anderes vor. Das, was sie uns vorgemacht und vorgelebt haben, klingt gar nicht nach Spaß, sondern so: Steh früh auf, geh zur Arbeit, sei pünktlich, fleißig und ordne Dich unter. Gib Dich mit Kompromissen zufrieden, beruflich und privat, lebe sparsam, Du musst an Deine Rente denken. Lebe eine halbwegs glückliche Ehe oder lass Dich wieder scheiden.

Arbeit ist immer anstrengend und der unschöne Teil des Lebens. Etwas, das man muss. Morgen muss ich wieder arbeiten. Freie Zeit, ein paar wenige Urlaubswochen pro Jahr muss man sich verdienen. Richte Dich irgendwie damit ein. Bloß nicht idealistisch denken, damit verdient man kein Geld. „Find a girl, settle down, if you want, you can marry / Look at me, I am old, but I’m happy“, ließ Cat Stevens den Vater in „Father and Son“ singen.

Spaß vergeht

Ausbildungen, Studiengänge und das berufliche Leben bestehen nicht vorrangig aus Spaß. Auch persönliche Beziehungen machen nicht nur Spaß. Sollen wir abbrechen, wechseln uns trennen, wenn das Spaßgefühl verflogen ist? Wenn es keinen Spaß mehr macht, ist es leicht, abzubrechen. Man muss sogar abbrechen, wenn man sich innerlich treu bleiben will.

Es ist gewissermaßen ähnlich zum „Double Binding“ – das eine sagen und etwas anderes tun – paradoxe Kommunikation. Wir können nicht den Rat unserer Vorgänger-Generationen befolgen, denn sie haben ja selbst ihr Leben nicht am Spaß ausgerichtet. Sie haben unter Bedingungen besserer Einkommen, sicherer Anstellungen, geringerer Mieten gelebt. „Mach, was Dir Freude macht“ war nicht der Rat unserer Großeltern an unsere Eltern. Sie haben viel mehr auf Sicherheit gesetzt, auf Fleiß, harte Arbeit, Bausparen, Kompromisse. Bekanntlich kann man Kinder nicht erziehen, sie machen die Eltern, Lehrer usw. sowieso nach.

Idealisten bekommen ein geringeres Gehalt

Machen, was mir Spaß und Freude macht, das funktioniert nicht. Die ökonomischen Zwänge sind zu groß. Wovon sollen wir denn leben, wenn wir das machen, was uns Freude macht? Idealisten sind ein gefundenes Fressen für Arbeitgeber und Auftraggeber. Ob angestellt, freiberuflich oder selbstständig: Wer macht, was er*sie will, verdient vermutlich nicht, was er*sie will. Wir Idealisten geben in Gehaltsverhandlungen schneller nach, wir sind froh, wenn wir überhaupt einen Job finden. Mit unserem Wunsch nach Anerkennung versuchen wir, auch in destruktiven Arbeitsumfeldern oder unter inkompetenten Chefs irgendwie das Positive zu sehen.
Arbeitgeber und Auftraggeber „riechen“ jeden Idealisten und werden immer mit dem Gehalt und den Honoraren knausern. Wenn das Geld nicht stimmt, macht es meist auch keinen Spaß mehr.

Konflikte machen dem Spaß ein Ende

Und das Leben ist eben nicht konfliktfrei. Ist auch anstrengend. Macht nicht nur Spaß. Der Rat müsste mit Inhalt gefüllt werden. Was bedeutet denn „Spaß haben“? Schon in reformpädagogischen oder antiautoritären Kindergärten haben die Kinder mit der Gegenfrage reagiert: „Müssen wir heute schon wieder machen, was wir wollen?“ Und wenn es keinen Spaß macht, müssen wir dann damit aufhören, die Studienrichtung wechseln, die Lehre abbrechen?
Dürfen die jungen Generationen das neu definieren für sich? Dürfen sie mehr Spaß haben wollen bzw. weniger Nicht-Spaß? Haben sie von vorneherein mit mehr Anstrengung zu tun, also mit mehr Nicht-Spaß, den sie bewältigen, mit dem sie klarkommen müssen?

Schon 2003 war es ein Problem, bei den vielen Möglichkeiten noch zu wollen. Uns ist das Problem geblieben:

Muss ich immer alles müssen was ich kann
Eine Hand trägt die Welt die andere bietet Getränke an

Ich kann mit allen zehn Füßen in zwanzig Türen

Und mit dem elften in der Nase Ballette aufführen
Aber wenn ich könnte wie ich wollte, würd ich gar nichts wollen
Ich weiß aber dass alle etwas wollen sollen.
Wir können alles schaffen genau wie die tollen
Dressierten Affen Wir müssen nur wollen


Kategorie: hinsehen.net Verstehen

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