Es bleiben nur wenige Bäume übrig. Foto: hinsehen.net E.B.

Luxus: Die Wohlstands-Verführung

Wir geraten aus einer Phase des Wohlstands in nicht mehr funktionierende Lieferketten, Energiesparen und sogar in die Nähe des Krieges. Jutta Mügge zeigt, dass die Wohlstandsmaximierung uns schlecht auf die kommenden Jahre vorbereitet hat.

Nach den kargen letzten zwei Jahren habe ich mir einen Aufenthalt in einem wunderschönen Sternehotel gegönnt. Ein Haus mit allem Komfort und Sterneküche. Verwöhnung und Luxus pur. Ich konnte im Außen und Innenpool jeden morgen eine Stunde ungestört schwimmen, mich am Frühstücksbuffet mit allem was das Herz begehrt bedienen und am Abend mit einem Fünf-Gänge-Menü verwöhnen lassen. Die gepflegten Außenanlagen, die bis zum Ufer des Sees reichten, machten Lust auf Bewegung und Entspannung. Das Personal war immer freundlich, verbreitete eine herzliche Atmosphäre und las den Gästen die Wünsche von den Augen ab. Wie im Schlaraffenland. Was kann man mehr wollen? Ich habe es genossen, aber nach 5 Tagen war es auch genug.

Selbst gestalten

Als ich zurück kam lockte mich mein Garten und ich spürte, wie befriedigend es ist, selbst Hand anzulegen. Selbst wieder zu kochen und die eigenen Räume zu gestalten. Gäste zu empfangen und zu bewirten, meine Pflanzen zu gießen und die ersten Radieschen zu ernten, die inzwischen gut gewachsen waren. Fünf Tage voll Verwöhn-Luxus haben ausgereicht, um dieses andere, doch ein bisschen „künstliche“ Leben des Wohlstandes zu erfahren und zu spüren, wie sehr ich mich daran gewöhnen könnte, aber mir auch gleichzeitig etwas Entscheidendes fehlen würde. Ich bin der Frage nachgegangen, warum ich eigentlich nicht gleich wieder die nächste luxuriöse Reise gebucht habe, wenn sie mir so gut getan hat. Dabei ist mir einiges klargeworden.

Wenn der Wohlstand verführt

Im Wohlstand leben ist ja erst einmal nichts Abträgliches. Wer fleißig arbeitet, kann sich ja auch einiges an Vermögen ansparen. Das gibt Sicherheit und Selbstbewusstsein. Ich kann mir einen bestimmten Wohlstand erlauben, ohne Schulden zu haben. Vermögen kann das Leben unbeschwerter machen. Gleichzeitig liegt im Wohlstand auch Abträgliches. Er kann mich für das „normale Leben“ blind machen, denn er gaukelt mir vor, dass ich mir alles kaufen, alles leisten kann. Den großen SUV, der ökologisch nicht vertretbar ist, das Motorboot, mit dem ich zur Verschmutzung der Gewässer beitrage, die Fernreisen, die mit ihren Flügen oder Schiffen die Umweltkatastrophe noch beschleunigen. Die Luxushotels, die für ihre Schwimmbäder, Saunen etc. einen hohen Energieaufwand benötigen, es sei denn sie investieren in regenerative Energien. Ich kaufe mir sogar das Lächeln und die angenehme Atmosphäre, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen. Mit dem Wohlstand kaufe ich mir auch die Bewunderung der Leute, ich wachse in der Anerkennung der anderen.

Wohlstand „kostet“ nicht nur Geld

Diesem Anspruch muss ich allerdings auch permanent gerecht werden, muss immer nachlegen. So kann ich nicht mehr vom Porsche auf einen ökologischen Kleinwagen umsteigen. Wohlstand wird dann zum Stress, so dass ich mich doch öfter in luxuriöse Oasen zurückziehen muss.
Wir schaffen es nicht auf das russische Gas zu verzichten, weil unser Bruttosozialprodukt abstürzen könnte und wir dann kürzertreten müssten. Wir können wegen des Plastikmülls keine Fische mehr essen, verschmutzen die Luft durch die Einfuhr von Obst aus Übersee, werden krank, weil wir unsere Äcker vergiften anstatt auf ökologischen Anbau zu setzen. Wohlstand schafft hohe Müllberge und Kosten. Macht der Wohlstand uns zu Feinden der Natur?

Wenn der Wohlstand zum Dauerzustand wird.

Mit dem Wohlstand im Luxus zu leben, ist anstrengend und führt bei Leibe nicht zu einem zufriedeneren Leben, denn die Erwartungen steigen mit jedem Tag, in jeder Situation. Da genügt irgendwann das normale Frühstücksei nicht mehr, sondern da müssen dann auch die Krabben oder vielleicht sogar der Hummer auf den Tisch. Es reicht nicht Urlaub in der Eifel oder dem Bayerischen Wald, es muss dann schon die Karibik oder das noch luxuriösere Hotel mit vielleicht sechs Sternen sein. Die tägliche Herausforderung, mit den Nachbarn zurecht zu kommen, am Arbeitsplatz mit den Kolleg*innen mitzuhalten, unzufriedene Kunden zu ertragen, alles das, wo ich mich als Mensch bewähren muss, wird mir im Luxusleben abgenommen. Sogar mit jeder Beschwerde, ob berechtigt oder nicht, bin ich in einem Luxushotel im Recht. Ich kaufe mir ein immer freundliches Personal und manchmal sogar die „Freunde“. Macht ein solches Leben zufrieden? Bleibt es nicht zu sehr an der Oberfläche, am Materiellen hängen? Führt es mich in die wichtigen tieferen Lebensfragen und damit auch in echte Beziehungen, oder muss ich sie ausblenden, weil ich dann meinen Lebensstil ändern müsste?

Das Leben im Luxus stützt nicht die Werte unserer Kultur

Luxuriöses Leben sichert nicht die Werte der Demokratie, weil es das soziale Gleichgewicht stört. Die Schere zwischen Armut und Reichtum klafft immer mehr auseinander. Macht Luxus nicht unkritisch, wenn sich alles mit Geld kaufen lässt? Es entbindet und entlastet davon Dinge, selbst zu tun, die eigene Kreativität ins Spiel zu bringen. Wer im Luxus lebt, hat sein Leben dem Geld vermacht. Dabei braucht es die Verantwortung, den Reichtum zu teilen, damit sich die Ungleichheit nicht nur im Geldbeutel, sondern auch im Sozialleben ausgleichen kann. Dafür braucht es die Aufmerksamkeit auf das „normale“ Leben, denn echte Zuneigung durch Nachbarn oder wirkliche Freunde kann ich mir nicht kaufen. Wer sich sozial und ehrenamtlich engagiert, bekommt sie geschenkt.

Die wichtigen Lebensfragen stellen sich im Luxusleben nicht - erst wenn sie mich einholen.

Lenkt ein Leben im Luxus zu den wichtigen Überlebensfragen, zur Ökologie, zu Gott, oder lenkt es mich davon weg? Habe ich überhaupt die Zeit, mich um die tieferen inneren Werte zu kümmern oder absorbiert der Zwang, den Reichtum nach außen zu zeigen, soviel Energie und Kraft, dass ich gar nicht dazu komme? „Wohlständig“ zu leben, ist keine Schande, aber wenn der Wohlstand und der Genuss Oberhand gewinnen, die sozialen, ökologischen Aspekte und die tieferliegenden Lebensfragen aus dem Blick geraten, verschwinden wichtige zwischenmenschliche Werte, wird die Umwelt missbraucht und zerstört. Das führt in einer Gesellschaft zu geistiger Armut, zu einer Un-Kultur. Das spiegelt ein Sprichwort an einem einfachen Beispiel: „Ein voller Bauch studiert nicht gern“. Wer immer alles im Überfluss besitzt, wem alles zur Verfügung steht, wer sich um nichts mehr bemühen muss, wird träge.

Die großen Lehrer, Laotse, Buddha, Sokrates, Jesus, Gandhi haben das einfache Leben als Bedingung hervorgehoben, damit der Mensch sich überhaupt den Werten widmen kann, die über den Genuss hinausgehen. Es wird in der Zukunft um mehr Einfachheit gehen, denn sie befreit von Druck und Stress, hält uns gesünder, schenkt Zeit, weil der Alltag nicht so aufwändig gestaltet werden muss und ermöglicht auch anderen, ihr Leben einfacher zu gestalten, weil sie nicht mehr mit mir mithalten müssen. Einfachheit macht zufrieden, weil die Erwartungen nicht an die Dinge delegiert werden, die gegen Bezahlung Wohlbehagen und freundliche Atmosphäre garantieren.


Kategorie: Analysiert

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