Ihr Buch lässt an eigene Erfahrungen anknüpfen, dass Kinder uns fordern und uns manchmal an unsere eigenen Grenzen bringen. Wer Kinder großgezogen hat, kennt die Herausforderungen, die sie in jedem Alter neu stellen. Sie verändern sich mit jedem Entwicklungsschritt. Meistens werden sie nicht einfacher. Erst wenn sie dann als Erwachsene ihr eigenes Leben in die Hand nehmen, können wir ein wenig aufatmen. Aber unsere Kinder bleiben unsere Kinder, mit allen Sorgen und Ängsten um sie, auch wenn sie erwachsen sind.
Herausforderungen in jeder Altersstufe
Wieviel Nächte müssen manche Eltern auf Schlafzeiten verzichten, das geht an die Substanz.
Das Trotzkind mit 2 ½ Jahren kann ganz schön nerven, wenn es beginnt mit „nein“ zu reagieren. Es kann auch ziemlich lange dauern, bis es in eine nächste Entwicklungsphase einsteigt. Da braucht es Geduld und Ausdauer, um sich nicht von einem so kleinen Wesen domestizieren zu lassen. Die Herausforderungen gehen weiter, wenn das Kind in die Schule kommt und vielleicht nicht so „funktioniert“, wie wir es gerne hätten. Wenn es anfängt, die Schule zu schwänzen oder keine Hausaufgaben zu machen, wenn es ständig mit seinem Handy hantiert und seine Aufmerksamkeit auf ganz andere Dinge lenkt, als die, die jetzt gefragt sind.
Die Pubertät, in der sich das Gehirn noch einmal vollständig verändert, ist vermutlich die größte Aufgabe und Geduldsprobe für Eltern. Da geht es ans „Eingemachte“. Da spielt der Freundeskreis des Sohnes, der Tochter eine größere Rolle als das Elternhaus, von dem man sich ja auch abnabeln muss, um irgendwann auf eigenen Füßen zu stehen. Als Eltern haben wir dann nur noch geringen Einfluss auf unsere Kinder. Was wir bis dahin nicht in sie hineingelegt haben, können wir kaum noch nachholen. Je nachdem, in welchen Kreisen sich unsere Kinder bewegen, kann der Einfluss auch ziemlich schwierig werden. Ein bisschen mehr Ruhe kehrt eigentlich erst dann ein, wenn sie einen eigenen Hausstand gründen. Aber ganz hören die Sorgen nie auf. Sehr viel mehr Anstrengung müssen Birgit und Michael Kubik mit ihrem Sohn Max aufbringen.
Max, ein behindertes Kind
Er wird behindert geboren, was die Eltern eigentlich erst nicht richtig wahrhaben wollen. Mit der Zeit wird es aber immer deutlicher, dass sich Max nicht altersgemäß entwickelt. Er schafft es lange nicht, sich aufzurichten oder zu sitzen. Er schreit viel und kann sich durch Erbrechen, das er künstlich herbeiführt, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen sichern. Er schläft nicht zeitig ein, sucht in fast jeder wachen Minute, im Mittelpunkt zu stehen. Eine Therapie nach der anderen hält diese Familie in Schach. Niemand weiß so richtig, was mit Max nicht stimmt, bis die Diagnose „Autismus“ gestellt wird. Da sind dann schon fast drei Jahre vergangen. Aber es ist nicht ein normaler Autismus, dieser ist mit vielen anderen Beeinträchtigungen gekoppelt. Die Herausforderungen, die dieses Kind an die Eltern stellt, sind in dem Tagebuch von Birgit Kubik sehr eindrucksvoll beschrieben.
„in seinem Element“ – der ganz verrückte Alltag mit unserem autistischen Sohn
Es ist bewundernswert, mit wieviel Liebe, Geduld und Zuwendung die Eltern mit diesem anstrengenden Kind umgehen. Max hat sich wohl diese Eltern ausgesucht, weil sie die Kraft entwickeln konnten, ihn auszuhalten, immer da zu sein um ihm die Sicherheit zu geben, die er so dringend brauchte. Es gelingt der Mutter, von ihrem Sohn so zu erzählen, dass ich als Leserin ihn richtig mögen kann, obwohl er für ziemlichen Stress sorgt. Seine nicht enden wollenden Fragen, seine partielle Intelligenz und sein Witz machen ihn mir sehr sympathisch.
Ein gut lesbares Tagebuch
Das Buch ist als eine Art Tagebuch geschrieben und lässt sich gut in Abschnitten lesen. Ich kann mich in die Familie hineinversetzen, mitfühlen und spüre die Anspannung unter der die Erziehenden sowohl in der Familie als auch im Kindergarten und der Schule stehen. Sehr angenehm habe ich die Liebe zu diesem so schwierigen Kind empfunden, die im Verhalten von Birgit immer wieder zum Ausdruck kommt. Obwohl sie oft am Rande ihrer Kräfte steht, wenig Eigenleben entwickeln kann. Auch die Beziehung zu ihrem Ehemann, von dem sie sehr viel Unterstützung erfährt, ist nicht so einfach zu gestalten. Sie braucht regelmäßige Auszeiten, um durchzuhalten. Erst als Max mit 18 Jahren in eine Wohngruppe ziehen kann, lässt die Anspannung etwas nach. Bewundernswert, wie die Eltern dieses Kind in sein Leben begleitet haben.
Was ich ein wenig vermisst habe, ist das Leben von Leo, dem kleinen Bruder von Max. Er kommt zu wenig in den Erzählungen dieser Familie vor. Ich frage mich natürlich als Leserin, wie geht es einem normalen Kind in einer Familie, in der sich alles um das behinderte Kind dreht. Wie geht es Leo? Da kann schnell die Vermutung wachsen, dass er zu kurz gekommen ist. Welche Folgen hat das? Mit welchen Auffälligkeiten muss ich dann bei diesem Kind rechnen? Auch auf dem Familienfoto im Umschlag fehlt für mich Leo, als wäre er vergessen.
Dieses Buch kann ich nicht nur denen empfehlen, die sich mit einem behinderten Kind auseinandersetzen, sondern auch denen, die Unterstützung, Mut und Durchhaltevermögen für die eigenen Herausforderungen in der Erziehung ihrer Kinder suchen.
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