Zum Foto: Die gotischen Gewölbe lösten die Schwere der romanischen Tonnengewölbe ab. Sie sind so leicht, dass die dicken Mauern der Romanik nicht mehr notwendig waren und durch große Fensterflächen ersetzt werden konnten. Ohne Licht keine Farbe. Pfeiler, Mauern und Gewölbe scheinen zerbrechlich, haben aber teilweise den Bomben so viel Elastizität entgegengesetzt, dass zumindest die Säulen stehen geblieben sind.
Die modernen Kirchen wirken wieder so schwer wie die Romanik. Deren Wände waren allerdings reich bemalt, weil sie von Erscheinungen, Wundertaten, von Krippe und Auferstehung erzählen. Eine "moderne" Theologie entledigte sich dieser Traditionsstücke, um innerhalb der Universität als Wissenschaft weiterhin ernst genommen zu werden. Nach 50 Jahren wirkt das Fach farblos, so wie in der Liturgie die farbigen Messgewänder grauen und manchmal auch weißen Mänteln gewichen sind, die nur durch die Stola noch einen violetten, roten oder grünen Tupfer bekommen. Auf graue Beton- oder Ziegelwände anstatt auf große bunte Farbfenster oder bemalte Wände blicken die Gottesdienstteilnehmer. Auch sprachlich ist die Theologie auf Fachartikel eingedampft. Das Lied, die Oratorien, die Gebetstexte, die Malerei und die bildende Kunst sind aus dem Eigentlichen der Theologie ausgeklammert.
Dass die Bibel nicht nur eine Aussagedimension hat, zeigt z.B. Marc Chagall. Er wird als Künstler bewundert, dass er eine Bibelauslegung entwickelt hat, die wie die religiösen Texte menschliche Situationen durch Übermalen in ihrer Sinnspitze erkennbar machen, muss als Theologie wahrgenommen werden. Werden seine Darstellungen nur beschrieben, reduzieren sie sich auf das Grau der Betonwände.
Die Theologie hat mal Kirchen gebaut, Maler und Komponisten inspiriert
Die Erkenntnisse der Medizin werden in Heilungsprogramme umgesetzt, mit der Quantenphysik werden Computer gebaut. Etwas gestalten, bauen, komponieren konnte auch die Theologie. Bis in den Barock lagen den Bauplänen biblische Berichte zugrunde, vor allem die Beschreibung des Neuen Jerusalems im 21. Kapitel der Johannesapokalypse. Es scheint, dass nur noch der Religionsunterricht von der Theologie inspiriert wird. Dabei ist Rede von Gott nicht nur Predigt und Katechese, sie dringt bis in musikalische Kompositionen, Liedtexte, Malereien, Wallfahrten und Prozessionen vor. Die von Thomas Holtbernd entwickelte Phänomenologie, die den Geist einer Epoche an ihrer Architektur abliest, sollte zum Nachdenken anregen, wenn nämlich die Besucherströme in die Kirchen des Mittelalters und des Barock fließen. Was macht die Theologie heute so grau?
Die Reduktion auf das Materielle
Das Thema der Theologie ist das Wirken Gottes. Das kann man nicht mit den Formeln der Physik darstellen. Seine geheimnisvolle Gegenwart braucht andere Darstellungsformen. Das Wort ist notwendig, weil ja auch Gott gesprochen hat, vermittelt durch Propheten und seinen Sohn. Es sind aber nicht nur die Worte, sondern auch das Leben dieser Protagonisten, das von Gott etwas zeigen. Frühere Generationen haben diese Biographien mit besonderen Erfahrungen verbunden, die zeigen sollen, dass es nicht ein normaler, ein natürliches Ereignis war, sondern dass da etwas in die menschlichen Abläufe eingeflossen ist. Die Protagonisten hatten Visionen, sie standen schon wie Moses seit ihrer Geburt unter dem besonderen Schutz Gottes, sie erhielten Aufträge von Gott, begegneten dem vom Tode auferstandenen Jesus. In einer Kultur, die sich von der Materie die Antworten auf die Existenzfragen des Menschen erhofft, werden diese Berichte kritisch hinterfragt. Eigentlich gehören sie nicht mehr in die Vorstellungswelt der Moderne. Sie sind inzwischen auch aus der Glaubenswelt weitgehend verschwunden und reduzieren die Religion auf das, was mit den Naturwissenschaften erklärbar ist. Es sind eben die Wissenschaften, die die Materie erklären und in denen ein Wirken Gottes nicht vorkommen darf. Diese Wissenschaften arbeiten mit der Prämisse, „si Deus non daretur“, als wenn es Gott nicht gebe. Diese Annahme ist allerdings zuerst von der jüdischen und christlichen Religion vorgegeben, denn das Göttliche wird nicht als Teil der Natur gesehen. Wenn ein Atomkern zertrümmert wird, berührt das in einem magischen Weltbild die göttliche Sphäre, in den Hochreligionen nicht mehr. Obwohl die Naturwissenschaften in christlich geprägten Ländern entstanden sind, gerieten die Kirchen in Widerstreit mit einigen ihrer Ergebnisse. Einzelne dieser religiösen Gemeinschaften lehnen die Evolution als Erklärungsmodell für die Entstehung des Menschen auch im 21. Jahrhundert weiter ab, weil diese den biblischen Schöpfungsberichten zu widersprechen scheint. Nun ist der Menschen auch nicht allein wegen der Bibel nur durch die Biologie erklärbar. Die Rassentheorie des Nationalsozialismus hat geschichtlich widerlegt, dass bloße Biologie, die das Personsein und die damit verbundene Würde des Menschen nicht einbezieht, höchst gefährlich für den einzelnen- Die angewandte Rassentheorie ist also der empirische Beweis, dass die Letztbestimmung über den einzelnen Menschen nicht von der Biologie geleistet werden kann. haben kann. Das Grundgesetz der Bundesrepublik formuliert gegen den Biologismus der Rassentheorie: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die Diskussionen um Abtreibung und Sterbehilfe zeigen, dass es tiefgreifende Konsequenzen hat, wie der Mensch sich versteht.
Die Naturwissenschaften erklären den Menschen nicht in seiner Personalität
Auch wenn die Evolution eine zutreffende Erklärung für die Entstehung des Menschen ist, müssen Religion und die Philosophie zeigen, was der Mensch jenseits seiner biologischen Natur ist. Wenn Gläubige nach diesen Spuren in ihrem Leben suchen, erhalten sie von der Theologie als „Wissenschaft“ aber nur das, was im Kontext einer Universität akzeptiert erscheint. Während die Medizin Kliniken und damit Anwendung der wissenschaftlich gewonnenen Kenntnisse betreibt, kennt die Theologie nur ihr in Texten zugängliches Material. Was man damit machen kann und ob es funktioniert, muss der Dozierende nicht überprüfen. Für die Umsetzung gibt es nur die Religionspädagogik und Predigtkurse. Da die Predigt sich jedoch auf die Auslegung der jeweiligen biblischen Lesungen fokussiert, bleibt die Umsetzung der kritischen Themen - Theodizee, Gottheit Christi, Realpräsenz, Heiligenverehrung, Unfehlbarkeit des Papstes - ohne Erfolgskontrolle. Können die Absolventen der Theologie in diesen Fragen überzeugend argumentieren oder haben sie nur die Antworten parat, mit der der Dozent überprüft, ob die Vorlesung verstanden wurde. Das ist noch keine Anwendung. Es fehlt das, was die klinischen Semester den Medizinstudenten abverlangen. Vergleichbar den medizinischen Kliniken wären Gebetsschulen, Raumkomposition für Kirchen und Versammlungsräume, Kirchenmusik, Malerei, Training für Gespräche. In diese geraten bereits Studierende der Theologie. Als Teil der Universität finden sie sich schnell in einer Verteidigungsposition wieder. Es kann nämlich nicht mehr auf der Basis argumentiert werden, dass der andere die Realität einer Transzendenz anerkennt und man nur noch diskutieren müsste, wie sie sich zeigt. Die Grundprämisse, nämlich Gott – Theos, über den die Theologie Auskunft geben will, ist fraglich. Der Gegenstand des Faches wird daher vor allem historisch entfaltet. Die Methoden für das Verstehen der Texte, die auch für andere geisteswissenschaftliche Fächer gelten, sichern das Wissenschaftliche der Theologie. Hier liegt dann das Problem, warum katholische Theologie aus vielen Universitäten verschwindet – ohne dass die Bischöfe, die ja nach katholischem Verständnis das Lehramt ausüben, dem etwas entgegensetzen. Die Theologie ist auf sich selber zurückgeworfen und muss sich auf eine nicht mehr christliche Mehrheit einstellen.
Der Materialismus hat gesiegt
Durch das Konzil, das 1965 endete, erhielt die Theologie großen Auftrieb. Die tägliche mediale Präsenz zeigte immer wieder, dass dieses Konzil die Früchte theologischer Arbeit erntete. Die wissenschaftlichen Methoden, mit denen die Theologen ihre Ergebnisse erarbeitet hatten, schienen die christliche Sicht des Menschen und die Geschichte zu untermauern. Nicht nur konnte die Überzeugung, also was die Bibel Glauben nennt, durch die Theologie wissenschaftlich mehr abgesichert werden, auch die religiöse Praxis wurde durch sie verlebendigt. Warum ist davon im 21. Jahrhundert kaum noch etwas zu spüren? Es liegt an einem Versäumnis und einer falschen Akzentsetzung
- Das Versäumnis ist das nicht Ernstnehmen des Materialismus. Dieser prägt inzwischen die Universität. Die Theologie hat die aus naturwissenschaftlichem Weltbild sperrigen Themen wie Jungfrauengeburt, also dass Jesus ohne die Beteiligung eines Mannes Mensch geworden ist, die Heilungswunder, die Auferstehung von den Toten, die Überwindung des Bösen durch Jesus Christus auf ein Nebengleis geschoben bzw. als überholt, weil naturwissenschaftlich nicht zu mehr rechtfertigen, ad acta gelegt. Diese für frühere Generationen überzeugenden Hinweise auf das Wirken Gottes wurden sogar einfach kassiert, ohne zu berücksichtigen, dass es die Vorstellung von Naturgesetzen erst mit Galilei einsetzt. Es ist gar nicht notwendig, die entsprechenden biblischen Berichte als peinliche beiseite zu legen. Wunder werden erst in der Neuzeit als Durchbrechung von Naturgesetzen gesehen. Dieses Verständnis an die Bibel anzulegen, ist geistesgeschichtlich ein grober Fehler. Denn das neuzeitliche Verständnis der Naturvorgänge liegt den Wunderberichten und Erscheinungen nicht zugrunde. Der Aufgabe, die Heilungswunder, die Geburt aus der Jungfrau, Visionen, Heilungen im Weltbild des 20. Jahrhunderts zu erklären, ist die Theologie ausgewichen. Die Ansätze enden meist damit, dass die Texte aus den ganz anderen früheren Weltvorstellungen so interpretiert werden, dass sie den Erkenntnissen der Naturwissenschaften nicht entgegenstehen. Damit verlieren sie aber die Relevanz, die sie für frühere Generationen hatten. Diese zurückzugewinnen, ist mit der heutigen Physik eher möglich als mit den Vorstellungen vom Atom im 19. Jahrhunderts. Denn inzwischen hat sich die Kenntnis der Materie so entwickelt, dass die Materialisten auf den philosophischen Lehrstühlen in die Zone der Peinlichkeiten geraten. Die Theologie könnte diese Lehrstühle zurückgewinnen. Dazu nur einige Beispiel:
- Obwohl es seit fast 100 Jahren bekannt ist, dass dieser Kosmos einen Anfang hat und seine
Geschichte vor 13,5 Jahre begann, tun die Naturlisten so, als wäre die Materie ursprungslos.
Bis zu dem Astronomen Edwin Hubble war es nur die Bibel, die von einem Anfang des
Weltalls ausgegangen ist.
- Dem Phänomen Seele kommt die Medizin durch die Hirnforschung mit neuen
Untersuchungsmethoden näher. Der Einfluss des Lebenskonzeptes, also einer geistigen
Leistung des Menschen, auf die Gesundheit kann inzwischen gemessen werden.
- Die langen Auseinandersetzungen um die Evolution – ob der Mensch vom Affen abstammt
oder von Gott direkt geschaffen sein muss – hat den Blick dafür verstellt, dass die
Evolution eine Richtung hat, die auf ein Wesen zielt, welches schon in der Bibel am Ende der
Schöpfung steht.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass die Theologie in der falschen Richtung gesucht hat.
- Wer Theologie studiert, unternimmt eine Reise in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft. Die Kenntnis der Vergangenheit soll also befähigen, die Zukunft zu bewältigen. Ein indischer Priester sei mit einer Aussage zitiert. Nachdem er seine Dissertation abgeschlossen hatte, bemerkte er: „Die deutsche Theologie weiß sehr viel, aber es bleibt in den Büchern.“
Die Übernahme von Marxens Wirklichkeitsmodell ist ein Faden im Gewebe des theologischen Denkens. Dieser Faden war deshalb verführerisch, weil die Achtundsechziger eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft zum Besseren versprachen. Diese Zielvorstellung wurde für die Kirche übernommen. Dieser Strang konnte allerdings dadurch besonders wirksam werden, weil die Theologie nicht entschieden genug in die Auseinandersetzung mit dem Materialismus getreten ist. Es ist auch ein Resumée der Achtundsechziger-Konzepte fällig. Inzwischen ist nämlich deutlich, dass weder die Gesellschaft noch die Kirche sich grundlegend zu etwas Neuem hin entwickelt haben. Die sechziger und siebziger Jahre haben nicht nur marode Brücken, zu viel Kohlendioxyd, schlechte Schulleistungen hinterlassen, sondern eine tiefe Unzufriedenheit. Grund dafür dürfte der andere Materialismus, der Konsum sein. Dieser hat inzwischen die Deutungshoheit in der Gesellschaft und hat die christliche Sicht des Menschen an den Rand gedrängt. Faktisch gelangen die Ideen des Christentums kaum noch in den öffentlichen Diskurs. Die seit den neunziger Jahren zunehmende Ahnung, dass die Kirche in einer Konsumgesellschaft mit ihrem bisherigen geistigen Gerüst nicht mehr präsent bleiben wird, ist schon lange in den jüngeren Altersgruppen bestimmend und zeigt sich am Altersdurchschnitt der Gottesdienstteilnehmer manifest. Die Reaktion der Bischöfe, theologische Fakultäten aufzugeben und mit einem Sparprogramm in die Zukunft zu gehen, ist das Gegenteil von einem Aufbruch. Das zeigt: Die Theologie kann sich nicht weiter an die Institution anlehnen. Das beruht auf Gegenseitigkeit, denn die Institution scheint von der Theologie offensichtlich nichts Entscheidendes mehr zu erhoffen. Ein Ausruhen auf den Ergebnissen des letzten Konzils scheint auch nicht mehr zu gelingen. Wer vorausdenkt, sind eher christlich inspirierte Naturwissenschaftler. Dazu erste Beiträge bei hinsehen.net
Der Wiener Medizin-Professors Wolfgang Schreiner erklärt : Die Evolutionskomponente der Auferstehung
Zum theologischen Thema „Inkarnation“ hier: Weihnachten-Inkarnation-Gott in Materie
Zur Evolutionsthematik sind mehrere Beiträge bei hinsehen.net zusammengestellt: Evolutions-Theologie
Nahtoderfahrungen werden von mehreren Autoren beschrieben. Empirisch entscheidend sind Fälle, in denen das Gehirn nicht arbeitete, also nicht die Nahtoderfahrungen mit dem Argument der Materie zugordnet werden können, die Menschen hätten keine Erfahrungen gemacht, sondern Bilder in ihrem Hirn produziert. s. dazu die Publikationen von Goller
Überlebt mein Ich in der Seele?
Gott wohnt nicht im Gehirn
Die Ökologiebewegung bietet einen neuen Zugang zum Schöpfungsglauben
hinsehen.net ist als Plattform offen für jeden, der theologisches Denken in Gang setzen will. Es müssen keine abgerundeten Beiträge sein. Denn wer will verlangen, dass die Bearbeitung der Fragen, die die Theologie jahrzehntelang liegen gelassen hat, gleich zu fertigen Ergebnissen führen muss.
Eine Interpretation der Jungfrauengeburt im naturwissenschaftlichen Weltbild wird vom Autor versucht.
Das Erbe der Achtundsechziger muss auch in Bezug auf die Organisation der Kirche näher angeschaut werden. Diese haben „den Marsch durch die Institutionen“ propagiert. Wie kann es jetzt im 13. Jahr der Institution Katholische Kirche immer noch nicht gelingen, ihre Mitglieder von einer wirksamen Prävention gegenüber dem sexuellen Missbrauch zu überzeugen? Es wird sich zeigen, dass der Marsch zur Überdimensionierung der Verwaltung und damit zur Lähmung geführt hat.
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