Foto: hinsehen.net J.M.

Kann Gott etwas von mir erwarten?

Ich kann mir Gott nicht konkret vorstellen. Könnte ich es, wäre er nicht Gott, denn er muss größer sein als wir denken können. Ich spüre es und bete deshalb. Er durchdringt mit seinem Geist mein und unser Leben, die Natur und alles was mich umgibt.

Gott ist für mich der Urgrund meines Seins, der Schöpfung und all ihrer Geschöpfe. In allem, was lebt, ist sein göttlicher Funke, seine Energie enthalten. Diese Kraft und Lebendigkeit in uns Menschen, den Tieren und in der Natur, wo sollen sie ihren Ursprung haben, wenn nicht in ihm? Das soll nicht zu einer unangemessenen Gebetshaltung führen

Gott ist kein Dienstleister

Gott ist für mich kein Dienstleister oder Auftragnehmer, dem ich Bitten anhängen kann, damit er richtet, was in Schieflage gerät. Es ist eher umgekehrt:
Ich habe einen Auftrag von Gott, den ich in meinem Leben umsetzen soll, damit mein Leben gelingt.
Gott hat mich für meinen Lebensauftrag mit vielen Begabungen ausgestattet, damit ich dazu beitrage, dass das Gute, das Lebendige sich in der Welt verwirklicht, weiterentwickelt und achtsam gepflegt wird.

Es geht um die Werte Gottes

Es ist meine ureigene Aufgabe, meinen Auftrag zu verwirklichen, weil ich damit auch meiner Person Gestalt gebe, die mir dann Zufriedenheit im Leben ermöglicht. Ob als Lehrer, Komponist, Arzt oder Handwerker. Gott will mein „gutes“ Leben und das in Fülle. Dazu gehört, dass ich mich mit ganzem Herzen dem verschreibe, was mein Lebensauftrag ist. Gott kann von mir erwarten, dass ich mit dem, was ich durch ihn mitbringe, was mir von anderen beigebracht wurde, was mir zugewachsen ist, wofür ich mich angestrengt habe, etwas mache.
Wenn die Begabungen von Gott sind, dann ist es logisch, dass ich sie auch in seinem Sinne in sein Gesamtwerk einbringe. Es geht um die Werte Gottes, die mich und das Leben der anderen erst reich machen. Dieser Reichtum ist kein materieller, der mit Geld auszudrücken wäre. Es ist eher ein geistiger, sozialer, künstlerischer, spiritueller Reichtum, der sich in unserer Seele niederlässt. An den Genies können wir es am deutlichsten beobachten. Wie arm wären wir ohne Beethoven, Mozart oder Schiller und Goethe. Sie haben ihre Begabungen verwirklicht und damit Gottes Werk bereichert. Ich kann mich an ihren Erzählungen, ihrer Musik erfreuen. Wir sind nicht alle Genies, aber jeder von uns hat etwas Besonderes, mit dem wir das eigene Leben wie auch das der anderen lebendig halten und damit anderen gut tun. Die Welt braucht unsere Aktivität, unsere Ideen, unser Engagement, unsere Liebe, unseren Willen zum Frieden und zur Gemeinschaft.
Ich soll dafür meine Talente nutzen, denn sie sind genau auf das abgestimmt, was sich mir im Leben als Aufgabe stellt.

Ich bin frei zu entscheiden

Zu der Verwirklichung meines Lebensauftrages hat mir Gott die Freiheit gegeben. Es liegt allein in meiner Hand, wie ich meinen Lebensauftrag umsetze. Da macht mir Gott keine Vorschriften. Es gibt keinen Zwang von Gott, denn ich kann eigenverantwortlich entscheiden, was ich wie gestalte. Deshalb verbleibt auch die Konsequenz für das, was ich aus meinem Leben mache, bei mir. Ich kann es Gott nicht anlasten, wenn ich scheitere. Ich kann mich klagend an Gott wenden, dass es mir nicht gelungen ist. Ich kann mich bei Gott ausweinen und entlasten, denn er hört mir geduldig zu. Aber Gott hat meine Fehler nicht verursacht.
Für was ist er aber dann da, wenn er mich machen lässt und ich auch noch die Konsequenzen meines Handelns selber ausbaden muss.

Gott als Sicherheitsnetz

Für mich ist Gott so etwas wie ein Sicherheitsnetz, das unter mir ausgespannt ist. Wie in einem Zirkuszelt, in dem die Akrobaten trainieren, das Beste aus sich herausholen, Neues ausprobieren, damit es weitergeht, sich für eine gute Vorstellung anstrengen, damit die Menschen sich daran erfreuen, aber immer mit einem Sicherheitsnetz, das unter ihnen gespannt ist, damit sie aufgefangen werden, wenn sie stürzen.
So ähnlich fühle ich Gott in meinem Leben. Er lebt nicht mein Leben und nimmt mir meine Aufgaben, die ich zu erfüllen habe, nicht ab. Ich muss schon mein Bestes in diesem Leben einsetzen, meine Begabungen und Talente nutzen, damit mein Leben gelingt. Ich muss mir Mühe geben, dass ich das, was mein Einzigartiges ist, nicht verschleudere, sondern in die Gemeinschaft einfließen lasse.
Dass ich trotz aller Anstrengung auch mal scheitere, kann Gott nicht verhindern. Auch wenn es von mir verursacht ist, muss ich nicht zwangsläufig daran zerbrechen. Ich muss mir in der Krise nicht das Leben nehmen, weil ich möglicherweise keinen Ausweg sehe. Zumal sich meist im Nachhinein herausstellt, dass das Scheitern sogar mein „Glück“ war. Es hat die Krise gebraucht, damit ich etwas Neues entwickle.
Gott ist für mich da, nicht nur als Sicherheitsnetz, in das ich mich in der Not hineinfallen lassen kann. Auch sein Geist begleitet mich. Dieser Geist ist für mich in vielen Situationen spürbar. Ich gewinne mit ihm innere Klarheit, weiß, dass die Entscheidung tragfähig ist, wenn ich sie im Gespräch mit seinem Geist getroffen habe.  

Auch im Scheitern ist Gott da

Natürlich misslingt mir auch manches, dann bin ich wütend, traurig oder schäme mich.  Meinem Anspruch, alles perfekt zu machen, bin ich mal wieder nicht nachgekommen. Es ist mir nicht gelungen, was ich mir vorgenommen habe. Dieser Anspruch, dass alles was ich anpacke, gelingen muss, braucht ja ab und an auch einen Dämpfer, damit das Leben nicht so streng wird und ich in meiner Überheblichkeit gestutzt werde. Es braucht auch die Erfahrung, dass mein Leben begrenzt und bedürftig ist. So schwer ich das auch aushalte, ich bin mir sicher, dass Gott mich auch in solchen Situationen nicht allein lässt.

Gott hat mir schon vor dem Eintritt in diese Welt seine Beziehung angeboten. Warum sollte er sie beenden? Auch ich will diesen Bund mit Gott, der mich auch in schwierigen Zeiten hält, nicht lösen.


Kategorie: Verstehen

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang