Gott sieht alles
Mit dem magischen Weltbild des Kindes sehe ich Gott als den Allmächtigen, der auch die Macht hat, mein Tun zu durchschauen, mich zu belohnen oder auch zu bestrafen. In dieser Lebensphase gehe ich davon aus, dass Gott alles sieht, was ich tue, denn ich bin noch nicht in der Lage, die Struktur der Freiheit und der Eigenverantwortung zu erkennen. Ich brauche noch eine Autorität, deshalb hilft mir der Gedanke, dass ich Gott für alles, was passiert, verantwortlich machen kann, auch für mein eigenes, wie das von anderen „böse“ Handeln. Auch als Erwachsene würde es mir mein Gewissen sehr erleichtern, könnte ich mehr auf Gott abschieben, ihm die Verantwortung übertragen für all das Unheil in der Welt, die Nöte der Menschen, die Toten in den Kriegen, die Armut der Kinder, die Vernichtung unserer Natur, die Katastrophen und Konflikte im eigenen Leben. Denn mit diesem Verständnis von Gott müsste ja er auch alles wieder in Ordnung bringen. Schließlich ist es seine Welt. Doch so einfach werden wir die Verantwortung für das Böse in unserem Handeln nicht los.
Wir sind der Freiheit verpflichtet
Mit dem christlichen Fundament bin ich nämlich in die Freiheit gesetzt. Diese Freiheit ist mit der Eigenverantwortung für mein Handeln verknüpft. Damit ich in meinem Agieren diese Freiheit nicht missbrauche, geben mir die Evangelien Hilfestellung und Leitlinien. Denn um Freiheit zu verstehen, brauche ich die Einsicht, dass ich für mein Handeln selbst verantwortlich werde und dass es an mir liegt zu unterscheiden, wann ich gut und wann ich böse handle. Freiheit ist für mich der Spielraum, in dem ich selbst entscheide. wie ich mich verhalten will. Dieser Spielraum ist begrenzt und hört da auf, wo ich die Freiheit des anderen einschränke oder verletze. Mit meinen Entscheidungen bestimme ich meinen Freiheitsgrad. Je mehr ich die Folgen meiner Entscheidungen berücksichtige, desto sicherer kann ich mich an den Werten ausrichten, die mir im Leben wichtig sind. Übergehe ich mein „gutes“ Handeln und lasse mich zum „Bösen“ verleiten, fallen die Konsequenzen nicht nur auf andere, sondern vor allem auf mich zurück. Das liegt dann in meiner Verantwortung. Ich kann die Konsequenzen nicht einfach an andere noch an Gott weitergeben.
Verantwortung für die Folgen
Gott muss nicht eingreifen, um mich mit den Folgen meines Verhaltens zu konfrontieren. Das geschieht nämlich ganz „von selbst“. Er nimmt mir auch die Verantwortung für mein Handeln nicht ab. Es liegt in der Logik von Gut und Böse, weil das Böse „Böses“ bewirkt und das Gute „Gutes“ zur Folge hat. Die Folgen sind nicht Gottes Strafe, sondern es sind die Konsequenzen meiner Entscheidungen.
Freiheit muss auf die Konsequenzen sehen
Ob ich gut oder böse handle, ich muss immer damit rechnen, dass zurückkommt, was ich in die „Welt setze“. Denn jede Bewegung, jedes Handeln, jede Entscheidung von mir hat Wirkung mit bestimmten Konsequenzen. Denn mit meinen Entscheidungen verändere ich die Realität. Das gilt für kleine wie für große Entscheidungen. Ich kann Entscheidungen treffen, die Böses bewirken, aber genauso Gutes Wachsen lassen. Jeder kann das an sich selbst beobachten, denn wir haben eine Ahnung davon, welche „Bösartigkeiten“ in uns stecken, mit denen wir „Böses“ anrichten können.
Wenn ich z.B. eine verbindliche Vereinbarung getroffen habe, dass ich frühzeitig benachrichtigt werde, ob mein Besuch zum Mittagessen erscheint, damit ich planen kann, er aber sich nicht meldet und wo anders isst, entsteht in mir erst einmal ein ziemlicher Ärger. Ich fühle mich nicht wahrgenommen, meine Zeit missachtet, meine Mühe für das Kochen nicht wertgeschätzt. Ich spüre dann in meiner Brustgegend einen Druck und würde am liebsten den anderen auch irgendwie treffen. Es kostet Kraft, mich am Riemen zu reißen und meine Revanche zu unterdrücken. Damit nicht genug, denn unterdrückter Ärger ist noch nicht befriedet, er kann sich erst auflösen, wenn in einem Gespräch eine Versöhnung stattfindet. In diesem Gespräch brauche ich auch Disziplin, um meinem Frust nicht einfach verletzend Raum zu geben. Denn jede verletzende Äußerung schafft neues Böses. Unterbleibt ein klärendes, versöhnendes Gespräch, könnte die negative Energie, die immer noch in mir sitzt, einen „kalten Krieg“ auslösen oder es erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt eine Retourkutsche.
Auch die Natur meldet Böses zurück
Böse Energien gehen genauso wenig verloren wie gute Kräfte, die ich ausstrahle. Auch das Gute das ich tue, kommt auf mich zurück. Allerdings wird es anders als das Böse, das von mir ausgeht, oft als selbstverständlich hingenommen, so dass die „Revanche“ für das Gute meist zu gering ausfällt.
Die Rückwirkung unseres Handelns erfolgt nicht nur von Menschen, sondern auch von der Natur auf unser Verhalten wie auf den Einsatz von Technik. Wir können ja inzwischen erkennen, wo wir der Natur „Böses“ antun. Wir sehen die Folgen in den Naturkatastrophen, den Hurrikans, dem Abschmelzen der Gletscher, dem Waldsterben, der Klimakrise, der Luftverschmutzung etc... Es sind die Konsequenzen, die von unserem Handeln ausgehen, und die wir auch wieder in Ordnung bringen müssen. Es ist nicht Gottes Strafe und liegt auch nicht in der Verantwortung Gottes, wenn Menschen durch Lawinen oder Tsunamis, durch Überflutungen, Hunger oder Kriege umkommen oder Wälder und Meere sterben. Die Tsunamis, die durch die Verschiebung der Erdplatten entstehen, werden erst dann zur Katastrophe, wenn gefährdete Küsten mit Hotelkästen bepflastert werden.
Ich verstehe die Freiheit, in die ich als Mensch gestellt bin, falsch, wenn ich Entscheidungen treffe, für deren „böse“ Folgen ich die Verantwortung nicht übernehme, sie anderen zuschiebe oder, wenn ich gläubig bin, sogar von Gott erwarte, dass er das „Böse“, das ich in die Welt gebracht habe, wieder aus ihr herauslöst.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!