Kaum eine Pflanze ist so überlebensfähig wie Aloe vera Foto: hinsehen.net E.B.

Frieden ist Arbeit

Am 1. Januar erklärt die Katholische Kirche den Frieden zum Thema des beginnenden Jahres. Das ist die Basis, bereits für die kleinen Zellen, die Familie, die Gruppe, den Verein, den Ortsverband.

Frieden fängt „molekular“ an

Meist verstehen wir die Friedensbotschaft als Aufforderung an die Politik. Sie muss doch dafür sorgen, dass Frieden hergestellt oder gesichert wird! Mit der Delegation des Friedens an die Politik ist es aber nicht getan. Denn auch für die kleinen Einheiten ist Friede nicht selbstverständlich. Er entsteht nicht automatisch, sondern kommt immer wieder abhanden. Wie schnell kommt eine gute Stimmung in eine Schieflage? Dafür braucht es manchmal nur ein falsches Wort, damit ein friedliches Beisammensein gefährdet ist. Wer kennt sie nicht, die Gratwanderung in der eigenen Familie, in den Sitzungen der Vereine, den Gruppen im Sport? Da fühlt sich die Eine schon durch einen Blick zurückgesetzt, der Andere nicht wahrgenommen, nicht gehört, der Nächste ungerecht behandelt oder ausgegrenzt. Wenn sich solche Gefühle breitmachen, steht der Friede mal wieder auf dem Spiel. Der andere wird zum Gegner und Rivalen. Es entsteht ein Ungleichgewicht das unterschiedliche Machtverhältnisse herstellt, die von sich aus nicht auf Ausgleich drängen. Wenn man es laufen lässt, kommt es sicher nicht zu einer neuen Verträglichkeit. Ich muss schon etwas dafür tun.

Ausgleich herstellen

Bringen wir eine Schieflage nicht zum Ausgleich, lassen wir alles weiterlaufen, dann verschwinden die unguten Gefühle nicht einfach. Sie breiten sich immer mehr aus, stauen sich wie in einem abgeschlossenen Becken als Aggression oder Depression solange an, bis die Staumauer nicht mehr hält. Der Ausbruch ist nicht mehr aufzuhalten. Die Konflikte scheinen dann manchmal ganz überraschend in unser Leben zu treten. Sie zwingen uns zum Handeln, um den Ausgleich herzustellen. 

Was liegt unter diesen Stimmungen?

Es sind meist Verletzungen der eigenen Würde, Missachtung, Mechanismen, die den Reichtum und die Chancen ungleich verteilen. Würde ist ein Recht das wir für uns in Anspruch nehmen dürfen, gleichzeitig ist sie die Voraussetzung für Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist aber nicht einfach da, sondern ich muss etwas tun, damit sie sich einstellen kann.

Gerechtigkeit braucht Kriterien

Gerechtigkeit ist erst einmal eine Vorstellung in uns. Wir haben sogar ein Gespür dafür, wenn wir selbst oder ein anderer ungerecht behandelt wird. Um zu Gerechtigkeit zu kommen, reicht das Gespür jedoch nicht aus. Sie braucht konkrete Kriterien, an denen sich ihre Umsetzung orientieren kann. Diese müssen ausgehandelt werden, nicht nur für die Gesellschaft insgesamt, sondern bereits für das familiäre Zusammenleben. Denn dort entwickelt sich zuerst das Gespür für Gerechtigkeit. Ich lerne schon als kleines Kind, was in meinem Umfeld gerecht oder ungerecht ist, weil ich spüre, wenn ich benachteiligt, zurückgesetzt oder nicht ernst genommen werde. Das hat nicht nur mit meiner menschlichen Würde zu tun, die ich als Kind noch nicht so einordnen kann, aber mit Machtverhältnissen. Ich spüre, wer das Sagen hat, wem ich gehorchen muss und weshalb. Ich lerne Kriterien für gerechtes aber auch ungerechtes Verhalten Schritt für Schritt über das Verhalten meiner Eltern, Lehrer, Ausbilder mir und anderen gegenüber kennen. Ich kann auch an ihren Reaktionen auf mein Verhalten erkennen, wo ich ungerecht handle. Wenn sich die Erwachsenen in ihrem Verhalten nicht grundsätzlich widersprechen, ich ihre Reaktionen verstehen kann, habe ich als Kind eine Chance, die Kriterien in mein Verhaltensrepertoire zu übernehmen. Werde ich allerdings mit Widersprüchlichkeiten und willkürlichem Verhalten von Erwachsenen konfrontiert, erlebe ich mich immer als unterlegen und finde als Kind kaum einen Zugang zu gerechtem Verhalten. Da braucht es dann möglicherweise erst neue Erfahrungen, zum Beispiel als Jugendlicher in einem Verband, um das eigene Verhalten so zu entwickeln, dass es sich an den Kriterien für Gerechtigkeit orientiert.
Gerechtigkeit ist nämlich kein fest definierter Begriff, der sich einfach von allgemein gültigen Kriterien ableiten ließe, sondern wird in den jeweiligen Lebensgemeinschaften, den Gruppierungen wie Gesellschaften ausgehandelt. Deshalb werden Kinder mit ganz unterschiedlichen Auffassungen von Gerechtigkeit groß.  

Ungerechtigkeit entsteht immer neu
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch wir immer wieder Ungerechtigkeiten und damit Ungleichgewicht durch unser Verhalten erzeugen. Die Konflikte, die daraus entstehen brauchen Bearbeitung aber sie sind auch dann nicht ein für allemal bewältigt, denn sie entstehen immer wieder aufs Neue. Vielleicht gelingt es mir irgendwann einmal mein Verhalten, meine Reaktionen vor dem Handeln am Prinzip der Gerechtigkeit abzugleichen.

Es geht um Gerechtigkeit und die Würde jedes Einzelnen

Wenn wir die Bemühungen um Frieden anschauen, dann müssen wir uns eigentlich mit der Verletzung der Würde des Menschen wie der Gerechtigkeit auch in den Familien beschäftigen, denn darin liegen die Wurzeln für Unfrieden und Kriege. Für die Politik ist der Blick darauf in besonderer Weise wegen der weltweiten Bürgeraufstände dringend. Nicht nur „Friday for Future“ macht sich lautstark deutlich, zeigt die Ungerechtigkeit auf, die wir für die nächste Generation hergestellt haben, nein in vielen Ländern brennt es. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. Die Verhältnisse werden von sich aus immer ungerechter. Hier braucht es Gegenmaßnahmen. Wohin steuern wir?


Kategorie: Verstehen

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