Bei meinen Befragungen, Beobachtungen und Begegnungen ist deutlich geworden, dass dieses Thema ziemlich vielschichtig ist. Es hängt von vielen Faktoren ab, wie sich Männer und Frauen erleben. Da spielt die Erziehung, die Bildung, der Beruf, die Wohngegend eine große Rolle, aber auch die Zeit in der ich lebe. Seit den siebziger Jahren hat sich nämlich durch die Frauenemanzipation das Verhältnis zwischen den Geschlechtern grundlegend geändert. Frauen haben ein neues Selbstverständnis entwickelt. Die notwendige neue Männerrolle hat sich aber erst viel später entfaltet und hinkt in vielen Fällen auch noch hinterher.
Allerdings gibt es ein paar Aspekte, die nach wie vor den Eindruck erwecken als hätten es die Frauen aus der Sicht der Männer heute besser.
Sicherung der finanziellen Basis der Familie
Männer sehen sich trotz berufstätiger und gut verdienender Frau immer noch in der Hauptverantwortung, die existentielle Basis, das heißt den Lebensunterhalt, mit allem was dazu gehört, zu sichern. Das Selbstverständnis des Mannes als Beschützer und Ernährer der Familie ist tief in ihnen verwurzelt. Auch erwarten Frauen oft unausgesprochen genau diese Rolle von ihm. Das kann ganz ambivalent sein, so dass es für den Mann schwierig ist, sich mit seinem Selbstbild kritisch zu konfrontieren und es an die neue Situation anzupassen. Das scheint auch der Hauptpunkt zu sein, der Männer auch heute in ihrer Rolle ziemlich verunsichert gleichzeitig aber auch in die Pflicht nimmt.
Frauen sind selbstständiger
Frauen sind heute zum großen Teil berufstätig. Sie verdienen ihr eigenes Geld. Das macht sie unabhängiger und zeigt sich in einem neuen Selbstbewusstsein. Frauen brauchen den Mann nicht mehr unbedingt als „Versorger“. Oft unausgesprochen stehen andere Erwartungen im Raum. Diese sind aber so individuell, dass sie ins Wort gebracht werden sollten, um Missverständnisse zu vermeiden. Frauen wollen heute mehr von ihm. Männer müssen sich mehr anstrengen Partner für die Frau zu sein.
Frauen haben mehr Luft
Frauen können auch mal zwischendurch auf halbe Tage gehen, in Mutterschutz oder Erziehungszeit. Diese „Auszeiten“ nehmen sich nur wenige Männer. In Fortbildungen sind häufig mehr Frauen anzutreffen. Frauen scheinen neugieriger und wissbegieriger zu sein als Männer. Mädchen überholen auch in der Schule oft die Jungs während der Pubertät. Sie scheinen dann leichter, aber auch ehrgeiziger zu lernen. Frauen lernen manchmal in der Mitte ihres Lebens nochmal etwas ganz Neues. Sie wechseln den Beruf, fangen etwas Neues an. Es scheint so, als hätten sie mehr Möglichkeiten, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen und ihre Berufung zu finden. Auch das kann das Gefühl bei Männern hervorrufen, dass es Frauen besser haben.
Frauen sind kommunikativer
Frauen pflegen die sozialen Kontakte. Sie bringen meist sogar aus Kindertagen die Freunde mit in die Ehe. Sie sind versierter bei Einladungen mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Männer tun sich schwerer, Kontakte aufzunehmen, deshalb halten sie sich dann auch gerne in der Nähe der Frau auf, stehen lieber hinter der Theke am Zapfhahn oder gehen erst gar nicht mit.
Frauen in der Kinderphase mehr beansprucht
In der Kinderphase sind Frauen allerdings meist mehr beansprucht als Männer, wenngleich sich die Vaterrolle auch sehr geändert hat. Heute wickeln Väter ihre Babys, füttern, gehen mit ihnen im Kinderwagen spazieren oder auf den Spielplatz. Das war in den 70 Jahren eher die Ausnahme. Aber auch wenn die Väter in die Versorgung der Babys und Kinder mit einsteigen, bleibt an den Frauen doch noch viel hängen. Da gibt es auch so eine Grundverantwortung bei den Frauen. Der Haushalt muss stimmen, die Wäsche muss gemacht werden, das Essen soll allen schmecken und vor allem gesund sein. Da braucht es auch Informationen über die Lebensmittel. Das kostet Zeit. Die vielen Allergien führen manchmal dazu, dass in einer Familie drei verschiedene Essen auf den Tisch kommen, und Arztbesuche fallen bei den Kindern auch an. In diesem Bereich scheinen Frauen nach wie vor größere Belastungen auffangen zu müssen als Männer. Allerdings sind Frauen durch die vielen organisatorischen Aufgaben in der Familie auch oft geschickter in der Ausführung. Meistens fällt den Frauen das Kochen, Putzen, Waschen, Bügeln, Einkaufen leichter als den Männern.
Nach der Pensionierung
Wenn Männer aus dem Berufsleben ausscheiden, haben sie keinen Haushalt, in dem sie „ihren Mann“ stehen. Wer keinen Garten und auch kein Hobby hat, tut sich mit der Umstellung sehr viel schwerer, als wenn Frauen aus dem Beruf ausscheiden.
Frauen werden statistisch immer noch älter als Männer, wenngleich das immer weniger als Regel gelten kann. Das mag mit der zunehmenden Beanspruchung der Frauen durch Familie und Beruf zu tun haben. Zu beobachten ist aber, dass Witwen sich leichter tun als Witwer, das eigene Leben im Alter in die Hand zu nehmen. Bei Männern nimmt die Altersdepression zu.
Machtgleichgewicht
Wenn ich so zurückblicke, dann haben sich die „Machtpositionen“ verschoben. In meiner Generation waren die meisten Frauen noch finanziell abhängig von ihrem Ehemann. Berufstätig waren eigentlich nur die ledigen Frauen und einige Akademikerinnen. Die Frauen waren eher zu Hause, bis die Kinder groß waren. Die Männer hatten ein Zuhause, wo sie versorgt und umsorgt wurden. Das Autoritätsfeld im Haus oblag der Frau. Wenn die Frauen arbeiteten, dann meist in Teilzeit, so dass die häuslichen Pflichten nicht zu kurz kamen. Die Aufgaben während der Erziehungszeit waren klar verteilt. Der Mann hatte seine Aufgabe draußen, die Frau die Aufgaben drinnen.
Heute müssen die Aufgaben neu verteilt werden. Die Rollen haben sich geändert. Ob es Frauen tatsächlich leichter oder besser haben als Männer ist schwer zu beweisen. Da lässt sich kein abschließendes Urteil fällen, aber jeder kann den Blick für seine Situation vertiefen, nachspüren. Genauer hinschauen.
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