Der entscheidende Anruf
Bereits Monate warte ich darauf, dass mich diese Nachricht erreicht. Jetzt klingelt mein Handy. Ich bekomme eine Wohnung im Augustinum in Bad Neuenahr. Jetzt ist es Realität. Ich lasse mir die Wohnung am Telefon beschreiben. Nach dem ersten Überlegen lehne ich ab, weil ich mir ein Wohnen im 13. Stockwerk wegen meiner Höhenangst nicht vorstellen kann. Eine Nacht darüber geschlafen, denke ich, dass ich nicht einfach etwas absagen kann, das ich nicht konkret gesehen habe. Also verabrede ich mich mit der Mitarbeiterin im Augustinum. Ich bin überrascht, wie wenig mir die Höhe bei der Besichtigung ausmacht. Der Blick ist großartig. Mein Auge reicht weit ins Ahrtal hinein, auf die Weinberge wie auf die bewaldeten Berge auf der anderen Seite. Ein bisschen stören mich noch ein paar Flachdächer, auf die ich auch schaue. Wenn die Bäume jedoch im Frühjahr grün werden, sind auch sie verschwunden. Ich lasse mir nach der Besichtigung die Entscheidung noch offen, damit meine Kinder die Wohnung auch noch anschauen.
Durchatmen, Kraft tanken, aufbrechen
Die Entscheidung ist gefallen. Auch meinen Kindern gefällt die Wohnung. Ich verkleinere mich jetzt um 50%, was ja bedeutet, dass ich mich von 50% Möbel, Geschirr, Haushaltsgeräten etc. verabschieden muss. Tief Luft holen, einen klaren Blick behalten, To-do-Listen zusammenstellen. Zu meiner Natur gehört es, dass ich loslege, wenn ich mal etwas entschieden habe. Also beginne ich mit den ersten Überlegungen, was ich mitnehme, was ich hierlasse. Auf einigen Zetteln steht bald, an was ich denken muss, wen ich benachrichtige, wo ich mich termingerecht abmelden muss.
Zu allererst räume ich die Bücherregale leer. Ich habe die Bücher gelesen und werde sie vermutlich nicht ein zweites Mal lesen, also können doch andere sie lesen. Mir tut es in der Seele weh, wenn Bücher im Müll landen. Das geht für mich nicht. Also fahre ich Kisten über Kisten zu den Steyler Missionaren nach St. Augustin. Sie nehmen Bücher an, sortieren sie. Was noch ok ist, kommt in die große Bücherstube, von wo sie kg.weise verkauft werden. Alles, was nicht mehr geht, wird als Altpapier verkauft. Alle Einnahmen gehen an soziale Projekte in Südafrika. Dieser Umgang mit geistigem Gut ist eine kleine Beruhigung für mein Gewissen. Außerdem biete ich im Internet meine Fachbücher bei Momox an, von denen ich einen kleinen Obolus erhalte. Im nächsten Schritt packe ich die Dinge in Umzugskisten, die ich zwar mitnehmen will, jedoch in den nächsten Wochen nicht mehr unbedingt brauche. Das ist eine wichtige, teilweise sogar schwere Arbeit. Ich bin erstaunt, wie sie mich sehr zufrieden macht.
Sich verabschieden müssen
Bei diesem Vorgehen wird schnell deutlich, wovon ich mich endgültig trennen muss. Diese Entscheidungen sind ziemlich schwierig, weil viele Erinnerungen mit jedem einzelnen Teil verbunden sind. Es sind Dinge, die mich fast mein ganzes Leben lang begleitet haben, weil ich mit ihnen mein Leben gestaltet, meine Wohnkultur entwickelt habe. Dieses Weglegen bleibt nicht nur äußerlich hängen. Ich muss schon manchmal schlucken, wenn ich ein mir liebgewordenes Teil aussortiere. Werden diese Dinge mir fehlen? Werde ich mit dem Zurücklassen auch die Erinnerung daran verlieren? Ich bin um so mehr erstaunt, wie gut es mir tut, mich zu minimieren. Es bedeutet auch mehr Freiheit, weniger Ballast, mehr Luft zum Atmen.
Auch bin ich froh, dass ich meinen Kindern, Freunden und Bekannten so manches abgeben kann. Überrascht war ich von dem Sozialkaufhaus, das meine Möbel in sein Angebot nimmt. Viele meiner Haushaltsgegenstände bringe ich dort selbst hin. Aus dem Verkauf finanzieren sie soziale Projekte im Landkreis. Das erspart mir das Wegwerfen von Dingen, die mir wertvoll sind.
An andere verschenken
Wenn ich mir meine Gegenstände anschaue, überlege ich natürlich auch, wer sie noch übernehmen könnte, wer sie brauchen kann. Ich schalte Kinder, Freunde und Bekannte ein, lasse den Dörrapparat, ein schönes weißes Geschirr, das Vakuumiergerät, alles was ich für die Verarbeitung des Gemüses aus meinem Garten gebraucht habe, abholen.
Das Gefühl, gute Dinge nicht einfach zu entsorgen, sondern für den Gebrauch durch adere wegzugeben und auch noch soziale Projekte damit zu unterstützen, mindert mein ungutes Gefühl, das ich spüre, wenn ich an Nachhaltigkeit denke. Manches stelle ich auch an die Straße, sehe mit Erstaunen, dass alles innerhalb von Stunden weg ist.
Umziehen kostet Energie
Ich spüre, wie mich dieser Umzug psychisch, physisch aber auch geistig in Beschlag nimmt. Mein Kopf arbeitet wie eine Maschine, damit ja nichts vergessen wird. Manche Nächte schlafe ich nur vier Stunden, denke dann hellwach darüber nach, was ich alles erledigen muss. Während mein Körper mit Erkältung reagiert, beschäftigt sich meine Seele mit der Frage, wie das wohl in der neuen Umgebung werden wird. Da spielt auch Unsicherheit mit, denn ich muss mich auf neue Menschen einstellen. Werde ich da meinen Platz finden?
Ein neuer Lebensabschnitt
Ich bin froh, dass ich schon vor 10 Jahren entschieden habe, einmal in das Augustinum zu gehen. Früh genug, wenn ich noch gesund bin. Jetzt ist die Zeit reif. Ich bin noch fit, kann noch auf Menschen zugehen. Ich bin auf die Begegnungen gespannt und nicht zuletzt auch auf das niveauvolle Kulturprogramm des Augustinums.
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