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Die Neunlinge – eine andere Weihnachtsgeschichte

Der Ältestenrat der Pfarrei St. Josef in Kafarnaum trifft sich zu einem Weihnachtsabend im Pfarrheim. Es sind 5 Männer und 4 Frauen, die schon viele Jahre in dieser Gemeinde in den unterschiedlichen Gremien miteinander gearbeitet haben. Mitten im Gespräch sagt Simon: „Wisst ihr noch damals vor 40 Jahren...“

Simon, die Leseratte, mit Fremdsprachenkenntnissen hatte damals in einer babylonischen Fachzeitschrift über Astronomie gelesen, dass in Betlehem etwas Unglaubliches passieren wird. Ein neuer König soll geboren werden. Hanna diejenige, die sich von wichtigen Leuten magisch angezogen fühlt, muss unbedingt dort hin. Sie drängte die anderen Acht, mit ihr auf den Weg zu gehen.

„Ohne Geschenke können wir da nicht ankommen“ sagte Martha, die auch sonst oft zu Treffen kleine Geschenke oder etwas zum Knabbern mitbringt.
Am nächsten Tag geht es los.

Hanna erscheint im leuchtenden, atmungsaktiven grellgrünen Outfit und dem neuesten Wanderschuh – Modell aus Tyrus. Sie will auf jeden Fall dem neuen König imponieren. Als Geschenk hat sie die Aufnahmebestätigung in den Royal Golfclub von Palästina in der Tasche.

Martha ist ganz wibbelig und aufgeregt. Sie freut sich schon auf das Neugeborene. Der Rucksack auf ihrem Rücken ist schwer gefüllt mit Utensilien für die Babypflege.

Elisabeth kommt ziemlich nachdenklich an. Sie fragt sich: „mein herrje“, brauchen wir denn schon wieder einen neuen König? Der wird vielleicht noch schlimmer als Herodes.

Philipp startet mit ernstem Gesicht. Er denkt: „ob da alle Corona-Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden? Er muss schleunigst dort hin, um zu überprüfen, ob da alles mit rechten Dingen zugeht.

Simon, intelligent und belesen, ist unruhig. Ihm schwant, dass da irgendetwas theologisch falsch läuft. Er muss sich Klarheit darüber verschaffen. So eine Königsgeburt fällt doch nicht einfach vom Himmel.

Thomas kann es kaum glauben, dass es einen neuen König geben soll. Er geht nur mit viel Skepsis mit.

Sahra ist begeistert. „Herrlich“ denkt sie, denn mit einem neuen König fangen ja vielleicht auch heitere Zeiten an. Der Neue ist bestimmt aufgeschlossener als unser Hoher Rat mit den Geschäftsleuten und Schriftgelehrten.  

Jakob ist optimistisch. Denkt gleich daran, dass dieses Kind die beste Ausbildung erhalten soll. Freut sich darauf, es zu fördern.

Thaddäus kommt wie immer ein paar Minuten später. Er wollte sich nicht hetzen lassen und noch in Ruhe seinen Kaffee austrinken. Er denkt: „hoffentlich wird der Marsch nicht so anstrengend. Und das alles für ein kleines Kind“.

Hanna, die Sportliche, ist den anderen vorausgelaufen und ruft ihnen von weitem zu: “das war ein Fake“. Hier ist in keinem Hotel ein Kind geboren, keiner weiß was. Wir können umdrehen. Martha will das nicht wahrhaben und fragt einen Schäfer, der mit seinen Schafen an ihnen vorbeizieht. Dieser beschreibt ihnen den Weg durch das Dorf, die zweite links und die dritte rechts den Berg hinauf. Dort ist heute Nacht ein Kind geboren.

Gespannt machen sich die Neun weiter auf den Weg und bleiben, als sie oben angekommen sind, verdutzt stehen. Hanna, die sich als erste wieder sammelt, findet kaum Worte: „Da ist ja nichts außer einem Stall. Zu einem Stall wollte ich nun wirklich nicht, da bin ich außerdem auch overdresst. Und das Kind liegt ohne Wachsoldaten in einer Krippe mit Stroh, wie ärmlich“. Nacheinander gehen sie zu dem Kind in den Stall.

Martha tritt als erste nah an die Krippe, lächelt dem Kind und den Eltern zu. „Was für ein hübsches Kind, so fröhlich, so gesund. Herzlichen Glückwunsch“. Sie packt ihren Rucksack aus. Windeln, Babycreme und Strampler, ein Mützchen gegen die Kälte und ein Schaffell für aufs Stroh, damit sich das Kind auch ja nicht verkühlt. Für Maria hat sie die neueste Salbe gegen Schwangerschaftsstreifen dabei.

Sahra freut sich über den kleinen Erdenbürger, ist ganz vernarrt in das lebendige Bübchen und versucht alles, um dem Kind Freude zu bereiten. Sie hat einen Spielhund mitgebracht der quietscht, wenn man ihm auf den Bauch drückt. Jesus lächelt sie freundlich an.

Philipp drängelt sich jetzt vor und registriert sofort, dass hier keinerlei Hygienevorschriften eingehalten werden. „Das geht gar nicht,“ denkt er, meckert die Herumstehenden an und verteilt mit Zornesfalten im Gesicht die Masken. Außerdem kontrolliert er, ob sich auch alle Anwesenden an die 2G Regeln halten – geimpft oder genesen. Er war gestern extra noch in der Apotheke, um Desinfektionsmittel und Corona Masken zu besorgen. Auch hat er für den Notfall ein paar Tests in seinem Rucksack, die er Josef übergibt.

Elisabeth spürt Mitleid, als sie auf das Kind schaut. Streichelt das kleine blonde Köpfchen und sagt leise zu dem Kind: „Du armes kleines Kerlchen, dir werden sie das Lächeln auch noch austreiben. Sie werden dir, wie schon mir, übel mitspielen, dich missverstehen. Selbst deine Gefährten werden dich verlassen. Dein Leben wird kein Honigschlecken.

Thomas steht ungläubig da und schüttelt nur den Kopf. Er geht zu dem Kind mit den Worten: „egal ob du nun ein König wirst oder nicht, die Römer wie auch die jüdischen Behörden wollen eine ordentliche Registrierung von Neugeborenen. Ich trage dich jetzt als Jesus in das Anmeldeformular ein, damit du wenigstens schon mal gemeldet wirst.

Jakob hat alles mitverfolgt und tritt jetzt an die Krippe. Er schaut das Kind wohlwollend an und sagt zu dem Kleinen: „Ich habe dir schon einen Platz bei den Pfadfindern gesichert. Dort wirst du ein richtiger Junge, der Verantwortung tragen kann und der lernt, vieles auszuhalten.“ Dann wendet er sich Josef zu und übergibt ihm die Mitgliedsurkunde für den Pfadfinderstamm in Nazareth.

Thaddäus, der von Hanna vorgeschoben wird, weil sie noch immer nicht mit der Situation zurechtkommt, ist ein bisschen außer Atem. Er geht auf das Kind zu, legt die Batterien in den CD - Player und spielt dem Kleinen ein paar Lieder vor. Damit es sich bei den vielen Menschen etwas beruhigen kann, sucht er noch nach dem Lied „Schlaf Kindlein Schlaf“.

Hanna geht ein wenig später widerwillig zu dem Kind, denn sie kann ihre Enttäuschung darüber, dass das kein Erfolgscoup werden wird, kaum aushalten und denkt: „das ist ja ein Kind armer Leute, was soll denn daraus werden.“ Sie überwindet sich und legt ihr Geschenk, die Mitgliedschaft für den Royal Golfclub, neben die Krippe, in der Jesus gerade ein Nickerchen macht. Gleichzeitig denkt sie „das war wahrscheinlich doch nicht die richtige Investition.“ Als sie in die Krippe schaut, strahlt das wach gewordene Jesuskind über das ganze Gesicht.

Simon steht mit seinen Dokumenten, den Stammbäumen der Könige unter dem Arm vor Josef. Er will zurückverfolgen, ob dieses Kind überhaupt königlicher Abstammung ist. Außerdem drängt ihn die Frage, die er an Josef stellt: „wie erklärst du die Geburt dieses Kindes, wenn du nicht der Vater bist? Wer ist es? Josef lächelt ihn freundlich an und sagt beruhigend: „Simon es ist alles in Ordnung“.

Nachdem sie ihre Erinnerungen miteinander geteilt haben, liegt ein Lächeln auf den Gesichtern. Thomas äußert: „Was haben wir gezweifelt. Jetzt nach 40 Jahren können wir ganz anders auf Jesus blicken.“ Alle Neun nicken Thomas zu. Ja, wir haben uns für diesen Jesus viele Jahre sehr eingesetzt. Jeder hat seine Begabungen und Talente eingebracht, aber warum haben wir eigentlich heute diese Krise? Nachdenklich sitzen sie da und erinnern sich an den lächelnden Blick des Kindes aus der Krippe. Was wird wohl dieses Jahr an Weihnachten geschehen.

In ihrem Nachdenken hören sie plötzlich eine Stimme: „Vieles ist Euch mit euren Talenten gelungen, ihr habt euch Mühe gegeben. Aber denkt mal darüber nach, weshalb manch gute Idee von Euch keine Resonanz hatte. War da nicht manchmal Euer falscher Ehrgeiz und Euer Übereifer, der die Leute abgetörnt hat. Habt Ihr zu wenig auf die Menschen geachtet und darauf gehört, was ihnen wichtig ist? Oft habt Ihr gedacht, dass Ihr schon wisst, was für die Anderen gut ist. Als die Stimme verstummt, schauen sie sich ein wenig betroffen an. Hatten sie nicht schon vor 40 Jahren das zur Krippe gebracht, was ihnen notwendig schien. Sie hätten Maria und Joseph fragen können, was wirklich gebraucht wurde. Die mussten ja mit dem Kind möglichst schnell nach Ägypten kommen. Jedem einzelnen dämmert es, dass sie genauso weiter gemacht haben. Als sie etwas ratlos dasitzen, spüren sie wieder den wohlwollenden, lächelnden Blick des Kindes aus der Krippe auf sie gerichtet. Den wollen sie Weihnachten bewusster von der Krippe mitnehmen.


Kategorie: Entdecken

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