Foto: hinsehen.net E.B.

Die Laus, die über die Leber läuft

Die Laus schleicht so langsam hoch von unten in meine Seele; die schlechte Laune. Ich spüre, wie die schlechte Laune mich packt. Sie legt sich wie ein dumpfer, negativer Nebel auf mich.

Ich schaue auf den Schreibtisch, der von nicht abgehefteten Papieren überquillt. In den Blick kommen die Anträge, die ich stellen muss, E-Mails, die noch nicht beantwortet sind. Eine Blumenschale trocknet aus, weil ich sie vergessen habe zu gießen. Der Kühlschrank muss ausgeräumt werden, da haben sich zu viele alte Sachen angesammelt, der Backofen braucht wieder mal eine Reinigung. Das Unkraut wächst mir über den Kopf.  Es gibt auch noch einen ungelösten Konflikt, der auf meiner Seele liegt. Mir fallen noch viele Dinge ein, die ich endlich in Angriff nehmen muss. Wenn ich dann das Radio einschalte und die Fehlentscheidungen in der Politik oder der Kirche präsentiert werden, gelange ich an den Rand des Erträglichen. Es stellt sich schnell das Gefühl der Überforderung ein. Meine sonst so positive Grundstimmung kippt. Ich kann die ganzen Misslichkeiten nicht einfach loswerden. Sie lähmen mich. Die Unzufriedenheit breitet sich in und um mich herum aus. Ich werde ungenießbar für mich und andere. Wenn dann jemand in meiner Nähe ist, der muss sich warm einpacken, denn diese schlechte Laune sucht ein Ventil.

Das Leben ist ungenügend

Als Perfektionistin spüre ich das Ungenügen in mir, den Herausforderungen die der Alltag an mich stellt, immer nachzukommen. Ich habe eine Vorstellung davon, wie das Leben sein soll, was richtig und gut ist, was einfach nicht geht. Ich habe auch die Erwartung an mich, diesen Vorstellungen weitestgehend gerecht zu werden. Nachlässigkeit ist für mich sträflich, weil ich die Konsequenzen kenne.
Wenn ich auf meine aufkeimenden Gefühle schaue, dann ist das nicht nur schlechte Laune, die mich gerade einholt, sondern ich bin eigentlich innerlich tief unglücklich. Unglücklich über das Ungenügen dieses Lebens, über die vielen Fehler, die wir machen. Ich erkenne, wie wenig ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde, wie anfällig, wie verletzbar mein Leben ist, wenn ich nicht achtsam mit meiner Person, meiner Gesundheit und den Aufgaben die ich zu erledigen habe umgehe. Eigentlich bin ich doch in diesem Leben, um zum Besseren dieser Welt beizutragen. Ich soll meinen Beitrag für die Entwicklung unserer Gesellschaft einbringen, um sie zum Guten zu lenken. Ich soll mich nicht an dem Negativen verzehren, sondern meine Begabungen einbringen. Ich kann aber auch nicht einfach über die Defizite hinwegsehen, sie locker und leicht nehmen.

Im Negativen liegen auch Chancen

Wenn ich das Negative, die Defizite wahrnehme,  öffnet sich der Blick für das Positive, für eine Perspektive. Wenn ich wie eine Beobachterin von außen auf mich schaue, liegen in dieser zeitweiligen Unzufriedenheit auch meine Entwicklungspotenziale. Denn das Negative ist nur die Kehrseite und der Beginn des Positiven. Erkenne ich mich mit meinen Defiziten, kann ich meine Person verändern. Ich kann zu einer tieferen Identität kommen. Ich kann an meinen Defiziten deshalb wachsen, weil sie mir den Weg für meine Entwicklung zeigen. Ich kann dann wahrnehmen, dass ich mehr bin als das, was ich gerade nicht packe und auch mehr als meine Fehler, die mir gerade mal wieder schlechte Laune machen. Wenn ich aus dem negativen Tal herauskomme, ändert das auch meinen Blick auf die anderen. Ich kann sehen wie viel Positives um mich herum geschieht. Das motiviert.

Die andere Seite der Medaille

Ich weiß, dass es eine andere Seite der Medaille gibt. Ich kenne auch das Gefühl, das sich einstellt, wenn ich mich aufmache, den inneren „Schweinehund“ überwinde, mich meinen Defiziten stelle, sie genau anschaue, dann kann ich etwas verändern. Ich kann die Dinge anpacken, die rumliegen, mir ein Erfolgserlebnis schaffen, das meine Stimmung aufhellt.
Bleibe ich in mir stecken, konserviere ich diese negativen Gefühle. Sie führen dann zu einer latenten Dauerunzufriedenheit, weil ich sie nicht auflöse. Diese beeinträchtigt nicht nur meine Stimmung, sondern auch meine Gesundheit. Ich bin dann weder ein Segen für mich noch für andere. Ich kann nicht zum Gelingen meines Lebens wie der Gesellschaft beitragen, wenn ich nur bei der Sicht auf die negativen Seiten stecken bleibe.



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