Ich spüre es am Abend
Wenn ich auf den Tag zurückblicke und mich frage, wie es mir mit dem Tag geht und was ich in diesen Tag gesteckt habe ob mein Tag gelungen ist, ob ich mit meiner Lebenszeit gut umgegangen bin, ob ich zufrieden auf den Tag schauen kann. Seitdem ich nur noch 2 Tage arbeite, ist mein Tagesablauf nicht mehr so durch die Arbeit strukturiert. Das entlastet auf der einen Seite, aber birgt für mich auch Gefahren. Es ist ganz schnell passiert, dass Stunden einfach so dahin schlendern, wenn ich mir keine Struktur für den Tag gebe. Es kann dann sein, dass ich den Tag vertrödle. Passiert mir das, bin ich am Abend ziemlich ungenießbar für mich und andere.
Struktur auch im Ruhestand
Deshalb habe ich angefangen, mir eine Tagesstruktur, aber auch eine Wochenstruktur zu entwickeln. Ich plane nicht den ganzen Tag durch, aber die wichtigen Dinge, mit denen ich meine Begabungen und Kompetenzen umsetzen kann, sind zeitlich meist fixiert.
Für den einen oder anderen mag das jetzt etwas eng klingen, aber mir hilft es zu wissen, was meine Fixpunkte am Tag sind, an denen ich mit meiner Person etwas gestalte, etwas aktiv betreibe. Dazu gehören für mich Situationen, die mich körperlich, geistig und seelisch in Anspruch nehmen. Ein sinnvolles Ehrenamt, feste Verabredungen zum Sport, festgelegte Termine sogar über Wochen im Voraus, um mich mit Freunden zu treffen und die Beziehungen zu pflegen. Ein Engagement in einem Verein, mein Garten, die Auseinandersetzung mit aktuellen Lebensfragen, Bücher lesen und vielleicht rezensieren und ab und an etwas schreiben. Für alles das brauche ich einen Zeitplan, in dem ich damit vorkomme.
Glücklicherweise braucht es nur 2 Stunden am Tag, die für den Einsatz der eigenen Lebensaufgabe bzw. Berufung notwendig sind. Die andere Zeit am Tag versinkt sowieso im täglichen Allerlei wie kochen, bügeln, einkaufen und die Ärgernisse die entstehen, wenn etwas bei den technischen Geräten nicht funktioniert. Das kann aufhalten, Zeit verbrauchen, die ich als unnütz erlebe, der ich mich aber nicht entziehen kann.
Eine Tages-oder Wochenstruktur war in den vergangenen Jahren, als ich noch ganz dem beruflichen Alltag verpflichtet war, keine so große Herausforderung. Ich war durch die Zeitstruktur der Arbeit bestimmt. Ich musste mich daran orientieren, was von außen auf mich zukam. Das Bisschen Zeit, das mir an arbeitsfreien Tagen zur Verfügung stand, war durch häusliche Pflichten sowie Sport und die Pflege der Beziehungen gefüllt. Da blieb zum Trödeln oder Chillen wenig Gelegenheit. Die freien Tage ließen sich auch relativ einfach strukturieren. Es gab ja nicht soviel Möglichkeiten. Ich konnte mich weder in einem regelmäßigen Programm eines Vereins noch in einem verbindlichen Ehrenamt engagieren. Ich war nicht so frei in meiner Zeitgestaltung wie jetzt. Auch wenn ich heute noch zeitweise arbeite, habe ich dennoch viel mehr Möglichkeiten, mit den Zeitreserven eines Tages gut oder weniger gut umzugehen. Mir kommt dabei aber eine berufliche Erfahrung zu Hilfe.
20% der Zeit genügen
Ich habe über Jahre bei mir und auch im Coaching mit anderen beobachtet, dass Zufriedenheit oder Unzufriedenheit am Abend damit zu tun haben, ob ich den Tag sinnvoll genutzt und die Zeit für etwas eingesetzt habe, für das sich das eigene Leben lohnt. Etwas was mich an meinen Kompetenzen und Begabungen abholt, das nur ich heute tun kann, das nur ich entscheide. Etwas das zum Guten in unserer Gesellschaft beiträgt.
Es muss nicht viel Zeit sein. Das Paretoprinzip besagt, dass es lediglich 20% der Tageszeit sind, die meine Ziele, meine Zufriedenheit im Leben sichern. Wenn ich jeden Tag für das Wichtige, um das es mir in meinem Leben geht, 90 – 120 Minuten investiere, kann ich meine Zufriedenheitskurve erhöhen. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, dass das Wichtige von mir selbst bestimmt wird, dass ich entscheide, für was ich mich einsetzen will. Denn es geht um mein Leben und um meine Beteiligung für andere. Mit meiner Entscheidung stehe ich dann auch in der Verantwortung mir selbst und den anderen gegenüber. Mit diesen bis zu zwei exklusiven Stunden am Tag setze ich meinen ganz individuellen Lebensauftrag um. Ich kann ihn nicht an andere delegieren. Wenn ich ihn nicht ins Spiel bringe, wird er nicht gelebt.
Nach der Berufsphase fordert die Strukturierung mehr Disziplin
Was ich beruflich manchmal als Last empfunden hatte, dass der Tag in seiner Struktur von außen bestimmt wurde, zeigt sich heute als Hilfestellung und Entlastung. Jetzt ist nämlich die Verführung groß, den Tag mit soviel Zeitstunden einfach kommen zu lassen und zuzuschauen, was er bringt. Ich könnte ja einfach darauf vertrauen, dass sich irgendetwas von alleine ergibt. Aber dem ist leider nicht so. Am Abend merke ich, dass ich Zeit vergeudet habe, die ich hätte planen sollen.
Das heißt nicht, dass es nicht auch mal Tage geben kann, an denen gar nichts geht. So etwas kenne ich auch. Manchmal brauche ich sie, um Luft zu holen, neue Kraft zu entwickeln oder nach einer Erkrankung wieder auf die Beine zu kommen.
Nun könnte man meinen, auf Grund des Zeittrainings während meiner beruflichen Tätigkeiten würde mir eine Tages - Strukturierung leicht fallen. Nein, auch mein innerer „Schweinehund“ legt mir manchmal Fallstricke, meine Bequemlichkeit kann dann auch schon mal nein sagen oder meine Bequemlichkeit will es manchmal nicht so anstrengend. Aber immer wenn ich mich gehen lasse, bekomme ich die Quittung. Die Zufriedenheit bleibt auf der Strecke.
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