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Der Garten braucht die Gärtnerin

Garten heißt das Zusammenwirken der Gärtnerin mit den Kräften der Natur. Anders als beim Hausbau wird nicht einfach ein Plan ausgeführt, sondern die Vorstellungen der Gärtnerin brauchen die Wachstumskraft der Pflanzen. Es ist ein gegenseitiges Zusammenspiel, ein Geben und Nehmen. Das eine geht nicht ohne das andere. Ähnlich wie in der Erziehung und überhaupt wenn Menschen zusammen etwas machen.

Mein Garten braucht mich heute mindestens zwei Stunden am Tag wenn ich ihn noch in Grenzen halten will. Im Frühjahr sogar noch mehr, weil da die meiste Arbeit ansteht: Umgraben, Kartoffeln setzen, Feldsalat einsäen, das Unkraut in Schach halten, denn das wächst in den Monaten April, Mai, Juni besonders gut. Ab den Eisheiligen Mitte Mai pflanze ich Tomaten, Zucchini, Kürbis, Kohlrabi, Sommerzwiebeln, verschiedene Salatsorten. Nach dem Auspflanzen muss ich dafür sorgen, dass die kleinen Stecklinge nicht austrocknen.

Gießen und das Unkraut in Schach halten

Wenn der Mai schön nass ist, wächst alles von alleine. Ich bin nur gefragt, wenn es zu trocken wird. Natürlich sprießt bei Nässe auch das Unkraut, das ich aber oft erst einmal stehen lasse, bis sich die kleinen Pflänzchen soweit entwickelt haben, dass ich sie nicht mit dem Unkraut zusammen herausziehe. Das steht schon in der Bibel als Gleichnis vom Unkraut im Weizenfeld “Lasst beides miteinander wachsen, bis die Zeit der Ernte da ist.“ Math. 13, 24-30
Ein schöner nasser Mai beschert mir natürlich auch einen schnell wachsenden Rasen. Ich mähe ihn einmal in der Woche, damit ich seiner noch mit dem Elektromäher Herr werde. Nach jedem neuen Schnitt sieht der Garten richtig gepflegt aus. Das ist ähnlich wie beim Haareschneiden. Fein gemacht.

Den Garten erziehen

Mich erinnert die Arbeit auf diesem Brachland an den Beginn meiner Berufstätigkeit 1966 als Erzieherin. Die ganze Kleinkindpädagogik war durcheinandergeraten. Autoritäre Pädagogik mit engen Regeln, Verboten und sogar körperlichen Strafen war bis dahin üblich, jedoch nicht mehr gewollt. Die antiautoritäre Erziehung, die von den Kinderläden propagiert wurde, war „laufen lassen ohne Korrekturen“. Beides entsprach nicht meinen Vorstellungen. Das war in meinen Augen Wildwuchs ohne den Gärtner. Wir hatten Ansprüche an die Erziehung. Was sollten wir jetzt als junge Pädagoginnen machen? Es gab keine Vorbilder mehr. Wir mussten selbst einen neuen Erziehungsweg für die nächste Generation suchen.
Wir versuchten, einen Mittelweg zu finden, der „individuelles Wachsen“ ermöglicht. Dafür gab es auch schon einige Ansätze von anderen Pädagogen, so dass wir nicht ganz auf uns alleine gestellt waren. Aber ein deutlich neuer Erziehungsstil war noch nicht zu erkennen.
Es war uns klar, dass Erziehung einen Rahmen und Bedingungen braucht, damit das Kind verlässliche Regeln erkennen kann, um sich dann in diesem Rahmen frei zu bewegen. Es braucht logische Konsequenzen und nicht willkürliche Strafen, das gilt auch für den Garten. Dazu ein Beispiel:

Regeln und ihre Konsequenzen

Wenn ich Möhren mit Zwiebeln zusammen aussähe, verhindere ich die Möhrenfliege. Sie schädigt die Möhren, wenn sie alleine stehen, aber in der Kombination mit den Zwiebeln kann ich sie abhalten. So wie der Zusammenhang zwischen Möhren und Zwiebeln logisch ist, müssen auch vor allem die Strafen für Kinder logisch gestaltet werden. Logische Konsequenz heißt, die Folgen des Handelns müssen einsehbar gemacht werden. Auf jeden Fall sollten sie etwas mit der Regel zu tun haben, die das Kind mit seinem Verhalten verletzt hat. Ein Beispiel:
Wenn das Kind sein Fahrrad, das es in der Hauseinfahrt hat liegenlassen nach mehrmaliger Aufforderung nicht wegräumt, ist es nicht logisch, ihm das Fernsehen zu verbieten, sondern ihm klar zu machen, dass es mit dem Fahrrad morgen nicht fahren kann. Ich räume es weg und muss dafür sorgen, dass ich die ausgesprochenen Konsequenzen auch wirklich einhalte.  
Das gilt auch für die Konsequenzen im Garten. Wenn ich eine Bauernhortensie nicht in den richtigen Boden setze, wird sie eingehen. Also muss ich die Bedingungen ändern.

Das Wachsen gestalten

Gesund wachsen kann ich in einem sicheren Umfeld, mit Bedingungen, die individuell abgestimmt sind, mit klaren Regeln und Grenzen, Orientierung und mit Freiheitsspielräumen zur Entwicklung. Wir haben damals angefangen, einen neuen Erziehungsstil zu definieren. Erfahrungen waren dann aber nötig, um sich in dem neuen, partnerschaftlichen Stil sicher zu fühlen. Wenn ich schaue, wie eng diese Suche nach einem passenden individuellen Stil mit meiner Arbeit auf dem Grundstück vergleichbar ist, dann war ich damals schon Gärtnerin auf einem anderen Acker. Dieses Feld heißt ja auch nicht umsonst Kinder-Garten. Ähnlich mit meinem Garten:

Ich könnte alles dem Wachstum der Natur überlassen und innerhalb kurzer Zeit hätten die starken Pflanzen wie Brombeerhecken und Weißdorn alles überwuchert. Die feinen kleinen Pflänzchen hätten keine Chance. Es würde sich Wildwuchs breit machen. Weil ich aber aus dem Garten keine Wildnis sondern einen Garten machen möchte, in dem bestimmte Blumen blühen sowie auch Gemüse gedeihen kann, gestalte ich mit. Ich kann aus dem Garten etwas machen, das meinen Fingerabdruck trägt, in dem ich meine Begabungen verwirklichen kann, den es nicht noch einmal so gibt. Es ist ein Arrangement zwischen der Natur und meinen Vorstellungen. Sie leiht mir das Land zur Gestaltung und Verwirklichung meiner Vorstellungen. Ich kann es mit meinen Ideen füllen. Kann ich das Land nicht mehr pflegen, nimmt mir die Natur das nicht übel, sie besetzt den Platz dann selbst. Sie lässt sich nicht abhalten zu wachsen. Sie hat mir das Land für meine Durchreise in diesem Leben geliehen.

Die Gärtnerin kommt am 3. Juni um 16h in die Lichtkirche der Landesgartenschau im hessischen Bad Schwalbach 

Link zu Spiritualität des Gartens 1

 

 



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