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Dem Corona-Blues entkommen – durch Spielen

Wir haben als Kinder uns spielend die Welt erobert. Wir haben lebenswichtige Erfahrungen gemacht und damit unsere Fähigkeiten ausgebildet. Weshalb hören Viele im Erwachsenenalter auf zu spielen? Was konnte man im Lockdown neu entdecken? Kann es den Corona-Blues, die Tristesse vertreiben?

Nicht nur redend die Zeit gemeinsam verbringen 

Jetzt in der Pandemie lerne ich meine schon länger bestehenden Spielerunden, ob präsent oder online, ganz besonders schätzen. Ich habe Spielpartner, mit denen ich mich in regelmäßigen Abständen treffe. Das geht online wie präsent. Bei den persönlichen Treffen wie bei den Telefonaten gibt es erst Gespräche, damit wir voneinander wissen. Wir erzählen aus der vergangenen Woche, wie es uns geht, was passiert ist, was so in jedem vorgeht, was die Kinder und Enkel machen. Das hilft auch, in gutem Kontakt zu bleiben, gerade wenn persönliche Begegnungen nicht möglich sind. Unsere Beziehungen versanden nicht, trocknen nicht aus, sondern werden sogar enger. Die regelmäßigen Verabredungen zum Spielen sorgen auch dafür, dass die Zwischenräume nicht zu lange werden. Wenn wir mit Erzählen fertig sind, beginnt die Spielzeit. Dann versiegen die persönlichen Gespräche, denn das Spiel fordert dann von jedem von uns für 1,5 bis 3 Stunden volle Konzentration und wache Aufmerksamkeit, um im Spielverlauf klug zu reagieren.

Spielen: Um zu gewinnen oder neue Fähigkeiten auszubilden

Das Spiel, das für Kinder zweckfrei ist, macht ihnen nur solange Spaß, wie sie sich gefordert fühlen. Sie wählen sich deshalb die Spiele aus, mit denen sie etwas Neues erobern oder gestalten, neue Fähigkeiten entwickeln, bereits vorhandene Fertigkeiten ausbauen können. Was sie schon beherrschen, langweilt, weshalb sie diese Spiele dann in der Ecke liegen lassen. Auch ich erwarte von einem Spiel, dass es mich fordert, damit ich aufmerksam dabei bleibe. Der Reiz beim Spielen liegt sicher auch darin, bestimmte Fähigkeiten weiter zu entwickeln, dazuzulernen, neue Strategien zu entdecken. Aber da gibt es auch noch andere Gründe:
Wer spielt, möchte auch gerne gewinnen. Leider kann das in jeder Runde immer nur einer. Also muss ich auch damit leben, dass ich nicht in jeder Spielrunde als Siegerin hervorgehe. Das fällt mir natürlich dann schwerer, wenn Gewinnen mein einziges Ziel beim Spielen ist. Ich selbst bin froh, dass es mir nicht immer nur um das Gewinnen geht, sondern auch darum, kluge Entscheidungen zu treffen, kniffelige Situationen z.B. beim Schach zu durchdenken, den nächsten und übernächsten Zug im Blick zu haben, bevor ich die Steine ziehe. Ich will mir ja nicht selbst eine „Grube graben“. Ich muss dafür sorgen, dass auch meine Züge dem anderen Kopfzerbrechen bereiten, damit auch er oder sie bei der „Stange“ bleibt. Auch finde ich es spannend, meinen Spielpartner*innen bei ihren spitzfindigen Spielzügen und Entscheidungen zuzusehen. mitzukriegen, was sie wagen, wieviel Mut sie haben, wie gewitzt sie vorgehen. Spielen muss aufregend sein, mir und den anderen Spaß machen, in mir die Neugier wachhalten. Spielen verliert seine Spannung, wenn ich nur auf Glück angewiesen bin, wenn ich nicht selbst noch in irgendeiner Weise mit meinen Überlegungen auf den Verlauf Einfluss nehmen kann.

Ich muss verlieren können

Wenn ich nicht verlieren kann, habe ich es schwer beim Spielen. Dann wird Spielen zu einer anstrengenden, stressigen „Sache“, denn jeder Zug des anderen bedroht dann meinen Erfolg. Ich kenne mehrere Menschen, die nicht gerne spielen, weil es ihnen schwerfällt, zu verlieren. Ihr Blick ist nur auf das Ziel zu gewinnen ausgerichtet, nicht auf die Herausforderungen, die das Spiel an sie stellt, nicht auf die Freude des Zusammenseins, die Dynamik die beim Spielen entsteht. Natürlich freue ich mich auch, wenn ich gewinne und spüre auch manchmal ein kleines „Nagen“ in der Magengegend, wenn ich häufiger verliere. Da kommt dann schon so ein Versagensgefühl hoch. Aber ist es nicht auch eine Herausforderung, dem anderen den Gewinn gönnen zu können? Die eigenen Misserfolge auszuhalten? Vielleicht kann man bei Spielen auch sagen: „der Weg ist das Ziel“. Es ist der Spielverlauf, der Spaß machen muss, der so spannend sein sollte, dass er meine ganze Aufmerksamkeit auch fordert, der mich innerlich mit den anderen verbindet, die mit mir spielen.

Spielen um Geld

In einem Spielkreis spielen wir um Geld mit dem Ziel, aus dem Erlös ein gemeinsames Wochenende im Jahr zu finanzieren. Wer verliert, muss natürlich mehr in die Kasse zahlen, aber die Gebühren halten sich im Rahmen. Meistens gleichen sich die Geldbeträge aus, weil immer mal wieder ein anderer verliert. Irgendwann im Jahr haben wir soviel zusammengespart, dass wir uns eine gemeinsame Zeit gönnen können. Das ist auch ein Grund, der uns im Spielen unterstützt. Ein besonderes Gemeinschaftserlebnis wartet im Verlauf des Jahres auf uns, das unsere Beziehung durch die nächsten Monate trägt.  

Wofür lohnt sich Spielen?

Im Spielen bin ich mit Menschen innerlich verbunden, die mit mir gemeinsam an etwas „dran“ sind. Allen, mit denen ich spiele, geht es dabei nicht um Gegnerschaft, um eigene Profilierung, sondern um Spaß, um Herausforderung, um das Beisammensein. Es ist ein gemeinsames Tun, ähnlich wie beim Sport. Beim Tennis, wenn es nicht gerade um einen Mannschaftssieg geht, ist das Gewinnen für mich auch nur zweitrangig und nur dann angenehm, wenn auch das Spiel Herausforderungen hatte, wenn die Schläge gut getroffen wurden, wenn fair gespielt wurde, wenn der Spielpartner ungefähr gleiche Spielstärke hatte. Wenn ich mit meiner Walkingpartnerin durch den Wald gehe, dann geht es dabei auch nicht darum, wer am schnellsten oben auf dem Berg ist, sondern darum, dass wir uns bei einer gemeinsamen Unternehmung gegenseitig unterstützen. Beim Walken kann man ja auch sogar noch erzählen. Wenn ich mir Fußballspiele anschaue und die „Fouls“ beobachte, die immer trickreicher, gemeiner werden, damit der Schiedsrichter sie nur schwer erkennen kann, dann hat dieses Spiel für mich nichts mehr mit Spielen zu tun. Da geht es dann wirklich nur darum, ohne Rücksicht auf Verluste zu gewinnen. Das ist purer Stress.

Wieviel Zeit brauche ich zum Spielen?

Ich kann das sehr individuell handhaben. Das hängt davon ab, wieviel Zeit auch meine Spielpartner*innen mitbringen und welche Spiele auf der Liste stehen. Für eine ganze Partie Kniffel, das sind 6 Spiele braucht, man ungefähr 2 bis 3 Stunden. Allerdings lässt sich dieses Spiel auch gut unterbrechen um später weiterzuspielen. Bei „Kniffel extrem“ dauert ein einziges Spiel schon 1,5 Stunden, wenn man da alle Spiele durchspielen will, braucht man schon einige Zeit.
Schach kann ganz schnell gehen, aber oft dauert es auch länger als eine Stunde. Wichtig für die Spielverabredungen ist ein festgelegter Termin mit Uhrzeit. Dann werden irgendwann die Treffen zum Ritual, das sich geschmeidig in den Wochenplan einfügt.

Spielzeiten sind online kürzer

Meine Spielverabredungen sind fest in meinem Kalender eingetragen. Ich freue mich von Woche zu Woche auf die Treffen. Das gemeinsame Tun beim Spielen tut uns allen tut, verbindet uns innerlich, stärkt unseren Humor, erweitert unsere Toleranzgrenzen, aber auch unsere Fähigkeiten. Online verbringen wir ca. 2 Stunden mit Spielen, präsent sind wir oft vier bis fünf Stunden zusammen, wenn wir uns noch unsere gegenseitigen Kochkünste mundenlassen. Ein schönes Ritual, um die Woche zu bereichern, dem Corona – Blues zu entgehen.


Kategorie: Entdecken

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