Nicht immer bin ich für die Beziehung zu Gott innerlich offen, weil der Lebensalltag oft so voll von Herausforderungen ist, so dass ich Gott nicht in meiner Aufmerksamkeit halten kann. Damit ich aber meine Beziehung zu ihm pflege, brauche ich das Gespräch mit ihm, das ich in meiner Tagestruktur absichere, damit ich es auch tue.
Das Morgengebt ist der Eintritt in den Tag für mich
Weil ich Gott als meinen Urgrund in diesem Leben sehe und achte, will ich nicht darauf warten, bis ich zufällig mal wieder an ihn denke. Deshalb habe ich mir seit vielen Jahren angewöhnt, das Morgengebet, die Laudes, zu beten. Es ist ein Gebet, das auf der ganzen Welt von Christen gebetet wird. Mit diesem vorgefertigten Gebet, bestehend aus Hymnus, Psalm, Lesung, Benedictus, Bitten, Vater unser und Oration, starte ich in den Tag, bevor ich überhaupt etwas Anderes mache. Ich habe dieses Ritual fest in meine Tagesstruktur eingebaut, weil ich so einfacher „dran“ bleiben kann, um Gott nicht im „Alltagsgeschäft“ aus dem Blick zu verlieren. Mit den Gebeten der Laudes stimme ich mich auf den Tag ein, schaue, was mir aus den Texten zufliegt, woran ich hängen bleibe, wie es mir damit geht. Manchmal kann ich mit den alten Psalmen, in denen es um Kampf und Rache geht, wenig anfangen, weil ich in meinem Leben nicht gerne jammere und mit Rache wenig zu tun haben will. Ich frage mich dann oft, welchen Gott haben die alten Psalmen gemeint? Weil mir dieses Gottesbild häufig ziemlich fremd bleibt, ermöglichen mir nicht alle Texte einen weichen, spirituellen Einstieg in mein Beten zu Gott. Manchmal würde ich auch lieber mit meinen Worten beten, aber die vorgefertigten Gebete geben mir auch Halt. In den Bitten am Ende der Laudes kann ich meine Anliegen in meiner Sprache äußern. Ich bete für Freunde, für die Kranken in meinem Umfeld, für die, die in Not sind oder gerade Beistand brauchen. Ich bitte um Kraft und Energie für sie, um Mut und Hoffnung. Mit dem Vaterunser kann ich meinen Dank ausdrücken, den ich auch manchmal mit einem eigenen Dankgebet erweitere. Der Segen am Schluss lässt mich gut in den Tag gehen. Ich halte an diesem Morgenritual fest, auch wenn mir nicht alle Texte zusagen, denn meine Beziehung zu Gott braucht Pflege, wie die Beziehung zu Freunden, wenn sie die Zeit überdauern soll. Oft gehe ich mit dem Gefühl aus dem Morgengebet, das Wichtigste für den Tag schon erledigt zu haben.
Beten in der Natur
Meinen intensivsten Zugang zum Gebet finde ich in der Natur, in meinem Garten oder im Wald. Da kann ich Gottes Geist, der unsichtbar um mich herum ist, im Duft der Pflanzen, im leisen oder auch kräftigen Wind und im Gesang der Vögel spüren. Ich nehme die Schönheit der Schöpfung in mir auf, atme die Luft, die durch die Bäume und Büsche rauscht, spüre dem Geist nach, der mich umgibt. Ich kann staunend vor einem Baum stehen bleiben, der sich dem Licht zuwendet, sich dabei dreimal um einen anderen Baum geschlungen hat, um überhaupt die Sonne zu sehen. Mich berührt das tief und ich denke, wie oft müssen wir Menschen uns verkrümmen, um Licht zu sehen? Die Natur ist eine wunderbare Metapher, an der ich mein Leben wie in einem Spiegel abgleichen kann. Dann kann es passieren, dass ich laut meinen Dank in den Wind rufe, meinen Dank für diese so wohltuende Natur, die Schönheit der Pflanzen, für das Grün der frischen Blätter, die mich ganz tief in meinem Innern anrühren. Meine Gebete in der Natur sind Gespräche, weniger ritualisierte vorgefertigte Abläufe. Ich rede mit Ihm. Ich erzähle, wie es mir geht, welche Sehnsüchte ich habe, was mich freut, was mich traurig macht, was mich belastet. Da kann es auch vorkommen, dass ich für mehr Einsicht, Nachsicht, oder auch Geduld in mir bitte. Er ist ein Gesprächspartner, der gut zuhören, dem ich alles mitteilen kann. Bei diesen Gesprächen sortiere ich auch meine Gedanken. Für mich ist der Himmel, die Natur, die Sonne wie ein großes Gotteshaus, in dem ich wie zu Hause sein darf. Für mich ist der Zugang zu Gott am leichtesten über die Natur, weil ich in ihr seinen Geist spüre.
Beten im Gottesdienst
Die Atmosphäre in einem Gotteshaus ist für mich für mein Beten wichtig. Nicht jede Kirche animiert mich zum andächtigen Beten. Ich liebe romanische Kirchen, in denen ich mich auch außerhalb von Gottesdiensten gerne einfach niederlasse, um zu meditieren.
Die Intensität für mein Beten im Gottesdienst selbst hängt von vielen Faktoren ab. Wie bin ich selbst drauf, wie präsentiert sich der Pfarrer, wie verhalten sich die Gläubigen um mich herum. Ich bin dabei ziemlich von äußeren Dingen abhängig und ablenkbar. Rational weiß ich, dass das keine Rolle spielen sollte, aber ich kann mich davon nicht gut freimachen. Ich kann andächtig mitmachen, wenn es dem Pfarrer schon am Beginn gelingt, mich und die anderen der Gemeinde emotional in den Gottesdienst hinein zu holen. Wenn ich nicht zum Zuschauer oder Beobachter gemacht werde. Bin ich einmal eingestiegen, interessieren mich die Worte des Evangeliums. Die Predigt selbst, wenn sie gut ist, hilft mir, mich mit meiner Lebenssituation zu beschäftigen und, mich tiefer einzulassen. Werde ich durch die Predigt nicht angesprochen, ziehe ich mich mit meiner Aufmerksamkeit zurück, damit ich für mich Gottes Dienst feiern kann. Ich gehe dann in die Meditation, schließe die Ohren und Augen.
Alltag mit Gott
Seit ich das Morgengebet in meinen Alltag integriert habe, spüre ich Gott näher in meinem Leben. Ich fühle mich in ihm so selbstverständlich geborgen, als wäre er stets an meiner Seite. Ich spüre die Freiheit, die er mir zuspricht. Frei von den Anforderungen von außen, die nichts mit meinem Lebensauftrag zu tun haben. Ich fühle Gott in meinem Rücken als Stütze, wenn ich Probleme lösen muss. Ich kann darauf vertrauen, dass ich mich bei wichtigen Entscheidungen auf seinen Geist verlassen kann, der mich umgibt. Ihn spüre ich als große Kraft, für die ich jeden Tag von neuem dankbar bin. Alles das fließt in meine Gebete ein, in denen ich eher geneigt bin, für mein „reiches“ Leben zu danken statt zu bitten. Meine Bitten formuliere ich fast immer für andere, die gerade den Zuspruch brauchen.
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