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Ausgerutscht und alles anders

Ich sitze, Bein hochgelagert, vor einem Stapel interessanter Bücher, die ich lesen will. Aber mir fehlt die Energie, die Kraft, die ich brauche, um mich mit anderen Themen zu beschäftigen als mit meinem Fuß. Was ist passiert?

Auf der Wiese ausgerutscht

Mein Knöchelbruch an Weihnachten und die anschließende OP absorbieren so viel Aufmerksamkeit, dass es mir fast unmöglich erscheint, mich auf Inhalte zu konzentrieren, die außerhalb meiner selbst liegen. Das klingt ziemlich egoistisch. Eigentlich hätte ich doch gerade jetzt Zeit, Ruhe und Muße, mich mit all den geistigen Dingen zu befassen, die da vor mir liegen. Mich in die aktuellen politischen Themen, so in die ökologischen Fragestellungen einzuarbeiten, einfach mal einen schönen Roman zu lesen, mich stundenlang in die Bücher zu vertiefen, alles das zu lesen, was bei mir im Alltag zu kurz kommt. Außerdem könnte ich mich mit dem Lesen ablenken und müsste mich nicht immer um mich selbst drehen. Mein Blick fällt jedoch immer wieder auf den Bücherstapel. Aber ich bringe die Kraft nicht auf, mich für das Lesen zu entscheiden. Ich könnte..., aber ich kann nicht.

Sorgfalt für den Körper

Ich kann es nicht, weil ich höllisch aufpassen muss, dass ich den verletzten Fuß, der vom Chirurgen mit Sorgfalt zusammengeflickt wurde, nicht belaste. Mit Belastung könnten die Schrauben, davon sind neun verarbeitet, im Gelenk brechen und alles würde noch schlimmer. Also bin ich sorgfältig und gehorsam. Beim Lesen würde ich den Fuß allerdings gar nicht belasten müssen, sagt mir eine innere Stimme. Also scheint das eine Ausrede zu sein, die ich mir da zurechtlege. Nein, ich rede mich nicht heraus. Mir fehlt viel mehr der Motor, der mich antreibt. Ich fühle mich ziemlich lahmgelegt, sitze in einer Luftblase, weil jede Bewegung, die ich alleine für die alltäglichen Dinge wie Aufstehen, Duschen, Haare föhnen, Kaffee machen, Kartoffeln schälen, Gemüse fürs Mittagessen schnippeln, Spülmaschine ein und ausräumen..... höchste Konzentration erzwingen. Mit Duschen und Kaffee machen bin ich bereits das erste mal am Tag schon so erledigt, dass ich mich öfter einfach ruhig in meinen Sessel setzen, das Bein hochlegen und mich ausruhen muss. Da bleibt nicht viel Kraft für anderes. Vielleicht erwarte ich auch zu viel von mir. Dieser Bruch und die damit verbundenen Einschränkungen sind neue Erfahrungen, mit denen ich mich anfreunden muss.
Wie selbstverständlich bin ich bisher davon ausgegangen, dass mein Körper ohne „Nachzudenken“ funktioniert. Wie fraglos setzte ich meine Schritte, wenn ich laufe oder springe. Jetzt registriere ich jeden Schritt bewusst, wie ich mein Gewicht verlagern muss, wenn ich Treppen steige. Diese Bewegungsabläufe sind schon als Kleinkind so eingespielt, dass ich dafür keine Kopfenergie mehr benötige. Aber jetzt mit einem verletzten Fuß muss mein Hirn mit größter Aufmerksamkeit arbeiten. Ich brauche höchste Konzentration, um keinen Fehler beim nächsten Schritt zu machen. Das kostet Kraft, die an einer anderen Stelle natürlich fehlt.

Andere besser verstehen

Ich verstehe jetzt diejenigen, die von ihrer Krankheit so in Beschlag genommen werden, dass sie ihnen die Kraft raubt, sich mit etwas Anderem zu beschäftigen. Ich kann mich einfühlen, wie es ihnen geht, wie viel Energie sie benötigen, um alleine mit den Anforderungen des normalen Alltags zurecht zu kommen. Ich spüre auch, dass die Nachrichten aus dem Umfeld oder aus der Welt gerade ziemlich unwichtig sind, solange die Krankheit die Oberhand hat. Die Hilflosigkeit`zwingt den Menschen, sich vor den Unwägbarkeiten außerhalb des eigenen Radius abzuschließen.

Aus der Situation lernen

Wenn ich so viel Aufmerksamkeit auf meinen verletzten Fuß richte, läuft natürlich immer auch die Frage mit: „Was soll ich aus der Situation lernen“? Damit ich überhaupt zu einem stimmigen Ergebnis komme, muss ich mir die Situation genau anschauen. Ich bin mit falschem Schuhwerk auf nasser Wiese ausgerutscht. Richtiges Profil unter der Sohle hätte diese Rutschpartie verhindert. Das ist das eine. Aber gleichzeitig macht mich meine Verletzung darauf aufmerksam, dass ich mit zunehmendem Alter sorgfältiger, bewusster und konzentrierter meine Wege gehe. Die Knochen sind nicht mehr zwanzig, die Gelenke nicht mehr so flexibel wie in jungen Jahren. Deshalb braucht es mehr Aufmerksamkeit, um Verletzungen zu vermeiden.

Konkret kann ich meinen Körper durch Bewegung, durch Prophylaxe vor Entzündungen und die dazu passende Ernährung im Alter unterstützen. Hier zum Beitrag: Im Alter muss sich die Seele mehr um den Körper kümmern  


Kategorie: Analysiert

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