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Alleinsein – ist Einsamkeit selbstgemacht?

Ein gutes soziales Netz hilft im Alter, nicht in die Einsamkeit abzustürzen. Denn irgendwann bleibt jeder alleine zurück. Das gilt für Paare, wie auch für diejenigen, die ihr Leben als Single schon in jungen Jahren gelebt haben und die Herausforderungen des Alleinseins bereits kennen. Da sind gute Freundschaften gefragt, die das Leben mit mir im Alter teilen. Das ist leichter gesagt als getan. Soziale Kontakte zu anderen muss ich nämlich wollen und mich auch früh darum bemühen.

Kontakte helfen

Wenn ich aus dem Arbeitsleben ausscheide, verliere ich nicht nur meine Arbeit, sondern auch Menschen, die viel Lebenszeit mit mir geteilt haben, oft mehr Stunden, als mit dem eigenen Partner. Mit vielen habe ich mich gut verstanden, die jedoch nicht unbedingt zu meinem engen Freundeskreis gehören. Einige davon werden mich vielleicht noch im Alter begleiten. Mit ihnen kann ich mich noch ab und an treffen, aber es sind nicht die Arbeitskolleg*innen, die mein soziales Netz bilden. Um im Alter auf Beziehungen zurückgreifen zu können, muss ich außerhalb meines Berufsfeldes Bekanntschaften machen. Ist es mir gelungen, in meiner aktiven Zeit Kontakte zu pflegen, die mit mir in mein Alter gehen, die da sind, wenn ich mich alleine fühle? Die mich auch noch wollen, wenn ich gebrechlich werde? Die mich besuchen, wenn ich nicht mehr so flexibel bin? Einen verlässlichen Freundeskreis erst im Alter aufzubauen, ist keine einfache Aufgabe, denn ich bin nicht mehr so in der Lage, wie in jungen Jahren Freundschaften über weitere Entfernungen zu pflegen. Jetzt im Alter sind Treffen, für die ich vielleicht Stunden unterwegs sein muss, schwerer zu bewältigen. Bus und Bahn sind dann meine Verkehrsmittel, wenn ich nicht mehr mit dem Auto fahren will. Möglicherweise macht mir auch das Autofahren auf den überfüllten Autobahnen zu viel Stress, so dass ich mich nicht mehr traue zu fahren. Da überlege ich zweimal, ob ich diese Umstände auf mich nehme. Manchmal schlafen dann Beziehungen auch ein, die ich über Jahre gepflegt habe. Was tritt an diese Stelle? Habe ich ortsnahe Alternativen? Denn ohne Kontakte spielt mir das Alleinsein schnell leere Stunden ein.

Unbearbeitetes führt in die Unzufriedenheit

Viele Menschen können gut alleine sein, ohne sich darüber zu beklagen. Sie sind zufrieden mit sich und ihrem Leben, ohne dass sie sich einsam fühlen. Einsiedler gehen sogar bewusst in die Einsamkeit, um ihrer Berufung gerecht zu werden. Sie leben in einem Beziehungsgefüge mit Gott, in dem sie aufgehen. Mir begegnen aber auch manchmal Menschen, die im Alter unzufrieden „grantig“ oder sogar aggressiv, ungerecht oder depressiv sind. Das kann im Supermarkt sein, wenn sich jemand vordrängelt mit den Worten „ich habe auch nicht mehr soviel Zeit“, oder solche, die ständig nörgelnd auf „alles“ reagieren, die sich beschweren, dass die Kinder sie nicht besuchen. Ich frage mich oft, was sie so hart gemacht hat. Möglicherweise blicken sie auf ein Leben, das sie nicht so leben konnten, wie sie es gerne gehabt hätten, oder es ist ihnen nicht gelungen, ihre Lebensvorstellungen zu verwirklichen. Vielleicht haben sie auch viele Konflikte einfach nicht bearbeitet und damit nicht aufgelöst, die jetzt im Alter nach oben kommen. Möglicherweise gibt es auch keine Menschen, die mit ihnen seelenverwandt sind. Die ähnlich „ticken“ wie sie. Wenn ihnen dann auch noch die Beziehung zu Gott fehlt, fühlt sich das Leben schnell leer und einsam an. Da kann sich Unzufriedenheit breit machen. Aus all dem kann Einsamkeit werden.

Aus der Einsamkeit raus

Einsamkeit spüre ich, wenn ich mich verliere, mich nicht mehr mit meinen Wurzeln verbunden, zu dieser Welt nicht mehr zugehörig fühle oder wenn auch Gott mir abhanden gekommen ist. Denn mit ihm könnte ich ja, wenn nichts Anderes mehr geht, zu meinem inneren Frieden finden. Einsamkeit trifft nicht nur Alleinlebende, sondern auch in Ehen kann dieses Gefühl auftauchen, dass sich der eine oder die andere sogar neben dem Partner, obwohl nicht allein, einsam fühlt. Wenn ich mich alleine und einsam fühle, gibt es nur einen Ausweg: „Den inneren Schweinehund überwinden“. Ich muss mich entscheiden, ob ich die Situation ändern will.
Es sind verschiedene Hindernisse, die die einzelnen überwinden müssen. Je nach Charaktertyp muss ich mich mit einer bestimmten “Macke“ auseinandersetzen. Es ist meist immer dieselbe, so dass ich nicht gegen eine Armee ankämpfen muss. Dafür bleibt mir meine Charakterfalle immer im Rücken, so wenn ich zu „träge“ bin, mich aufzuraffen etwas zu unternehmen oder auf andere zuzugehen, wenn mein „Stolz“ mich daran hindert, Kontakte zu pflegen, weil ich glaube, dass ich das nicht nötig habe, wenn mein „Geiz“ dazu beiträgt, dass ich nichts von mir preisgeben  und auch nicht zu Persönlichem gefragt werden will oder meine „Pingeligkeit“ dazu führt, dass man mir nichts recht machen kann, mein „Narzissmus“ mich nur um mich selbst kreisen lässt, oder ich „Angst“ davor habe, ob ich überhaupt gewollt bin. Das sind die Hürden, die der Einzelne überwinden muss. Es ist entlastend, dass ich nur eine Kehrseite habe, die ich bewältigen muss. Meine Schattenseite hindert mich nämlich daran, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten aber auch zu bleiben. Wenn sie mich im Alter noch stark bestimmt, weil ich mich nie darum gekümmert habe sie zu versöhnen, schlägt sie in meinen Beziehungen zu. Ohne Kontakte wird das Altwerden aber auf längere Sicht ziemlich eintönig und manchmal auch einsam. Einsamkeit zu verhindern heißt Aufbruch in die Aktivität. Das geht im Alter noch solange ich einigermaßen fit bin. Wenn ich wegen Gebrechlichkeit erst auf andere angewiesen bin, sind mir viele Möglichkeiten verschlossen.

Kontakte pflegen

Kontakte wollen Pflege, damit sie sich lebendig und verlässlich entwickeln. Neue Freundschaften zu finden, ist im Alter jedoch schwierig, weil sich die Freundeskreise meist gebildet haben sich nur wenige für neue Menschen öffnen. Ich kann jedoch meine Erwartungen an Beziehungen relativieren, suche mir Menschen, die gleiche Interessen haben, suche sie in Vereinen, beim Sport oder in Musikgruppen, in Chören oder beim Yoga. Es tut ja schon gut, wenn ich mit anderen zusammen sein, etwas gemeinsam tun kann. Manchmal entwickelt sich sogar noch eine tiefere Beziehung aus den gemeinsamen Unternehmungen. Dafür brauche ich Menschen vor Ort, die in der Nähe wohnen, die schnell erreichbar sind, mit denen ich mich spontan und unkompliziert treffen kann. Lange Wege und große Entfernungen erschweren den Kontakt. Auch Reisen mit einer Reisegruppe helfen das Alleinsein zu meistern. Möglicherweise entstehen auch da ganz neue Beziehungen. Ich muss mich nur trauen.

Die Kinder entlasten

 

Wer Kinder hat, mag vielleicht die Erwartung haben, dass sie die Leere im Alter füllen können oder dazu sogar verpflichtet sind. Dass sie sich kümmern, mich unterhalten, mich betreuen. Oft wohnen sie aber gar nicht in der Nähe oder sind selbst von ihren beruflichen Aufgaben so in Anspruch genommen, dass ich sie mit diesen Forderungen nur unter unnötigen Stress bringen würde. Ich kann meine Kinder von der Sorge um mich entlasten, solange ich noch alles selbst regeln kann, wenn ich mein Leben auch selbst aktiv in die Hand nehme, mein eigenes soziales Netz pflege, zufrieden mit meinem Dasein alt werde. Da können die Kinder ruhig zusehen und ihre Energien für ihr eigenes Leben nutzen. Kommt die Zeit, da ich nicht mehr selbst für mich sorgen kann, braucht es eine neue Lösung, die ich in „guten“ Zeiten festlege, damit ich meinen Kindern diese Entscheidung abnehme. So wie ich für mein soziales Netz selbst verantwortlich bin und mich darum bemühe, sollte ich auch in gesunden Tagen festlegen, was ich vorhabe, wenn ich mich nicht mehr selbst versorgen kann, von wem ich betreut werden will, welche Maßnahmen unternommen werden sollen, wenn ich schwer krank werde und was ich mit meinem Nachlass vorhabe. Auch ist für die Kinder wichtig zu wissen, wie ich beerdigt werden will, wenn ich einmal die Augen schließe. Diese Regelungen machen alle im Familienverbund frei.
Es ist doch wunderbar, wenn die Kinder ihr eigenes Leben in Zufriedenheit aufbauen können, ihre Ressourcen für die Gestaltung ihrer Herausforderungen einsetzen, mich ab und an gerne und mit Freude besuchen oder telefonieren und mir für das, was ich nicht mehr selbst kann, den Rücken frei halten. 

Weitere Beiträge zur selbstbestmmten Gestaltung des Alter
selbstbestimmt alt werden

Das Entscheiden-Müssen hört mit dem Alter nicht auf. Denn wenn ich älter werde, drängen mich neue Fragen zu Entscheidungen. Es sind Entscheidungen, die mich mit meiner letzten Lebensphase konfrontieren. Aus dem Haus ausziehen und anderswo noch einmal einen Freundeskreis aufbauen, entscheiden, ob ich in eine Einrichtung gehe oder mich zu Hause versorgen lasse, wenn ich Pflege brauche. Wie ich überhaupt im Alter leben will. Hier zum Weiterlesen

Alt-werden erfordert Entschiedenheit
Was im Alter auf mich zukommt, verdränge ich leicht, so lange ich noch fit und unternehmungslustig bin. Ich will mich nicht auf das vorbereiten, mit dem ich sicher rechnen muss: Die Isolation, das Alleinsein, mit dem ich mich seit einem Jahr „anfreunden muss“ steht mir im Alter bevor. Ich bin auf Einiges gestoßen, das mir helfen wird, mit dem Alleinsein im Alter zurecht zu kommen. Hier zum Weiterlesen

 

 


Kategorie: Verstehen

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