Weihnachten hat viele Facetten und setzt ungewöhnliche Energien in Gang. Mit den Süßigkeiten und dem Weihnachtsgebäck in den Supermärkten, den Lichterketten über den Straßen und den Weihnachtsmärkten, oft schon vor dem ersten Advent, wird Weihnachten bereits kommerziell eingeläutet. Da gibt es Einkaufsstress, die Restaurants sind jeden Tag voll mit Weihnachtsfeiern, da wird gewichtelt und werden Geschenke ausgetauscht. Woher kommt diese Energie, sich zu treffen, zu schenken, anderen etwas Gutes zu tun? Kommt sie tatsächlich von dem neugeborenen Kind in der Krippe?
Sich auf Weihnachten vorbereiten
Das Kind in der Krippe ist für Christen das Zeichen, dass sich Gott mit uns in Beziehung setzen will. Er begegnet uns in diesem kleinen, hilflosen, lebendigen Wesen. Er will uns in diesem Kind nahe sein, uns die tiefere Bedeutung des Lebens durch das Kind erfahren lassen. Können wir diesen Ruf auf Weihnachten hin, der sich im Advent ankündigt überhaupt hören, wenn um uns Hektik herrscht? Brauche ich dafür nicht etwas Besinnung, ruhige Momente, in denen ich nachdenken, nachspüren kann, was mir da mit Weihnachten entgegen kommt?
Kindliche Vorstellungen
Für Kinder in der magischen Phase hat die Krippe mit dem Jesuskind noch Anziehungskraft, etwas Faszinierendes. Ihre Vorstellungkraft übersteigt die sachliche Realität. Sie können hinter die Ereignisse schauen und das Geheimnis wahrnehmen. Bei uns Erwachsenen ist der Blick oft nicht mehr so auf die Krippe und die damit verbundene tiefere Botschaft ausgerichtet. Den göttlichen Funken in jedem Kind und Menschen zu entdecken, fällt nicht immer leicht. Da drängen sich das Geschenke einkaufen, Weihnachtsmärkte besuchen, gutes Essen kochen, die Wohnung schön herrichten, den Christbaum liebevoll schmücken in den Vordergrund. Wenn dann der Heilige Abend naht, in der es um die heilige Familie aber auch um unsere eigene Familie geht, sind wir möglicherweise gestresst.
Was nehmen wir uns da eigentlich? Um was geht es Weihnachten?
Nähe spüren
An Weihnachten die Familie treffen. Die Mobilität und Globalisierung haben dazu geführt, dass Familien nicht mehr wie früher so nah beieinander wohnen. Eltern begegnen ihren erwachsenen Kindern und Enkelkindern das Jahr über oft nur noch sporadisch. Geschwister wohnen oft weit voneinander entfernt, so dass auch sie vielfach den Kontakt nicht pflegen können. Wir können telefonieren, skypen, simsen oder mailen, unsere digitale Welt macht das möglich. Aber das ist nicht das Gleiche wie eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Den anderen mal wieder in den Arm nehmen, spüren, wie er sich anfühlt, wie es ihm oder ihr geht, welche Sorgen sie haben, welche Last sie tragen, mit welchen Hoffnungen sie unterwegs sind. Einfach als Familie füreinander da sein, um voneinander zu erfahren. Ohne Druck, ohne Stress, ohne falsche Hoffnungen oder Erwartungen. Nähe spüren. In den Gesprächen den anderen verstehen.
Den Blick auf den anderen richten
Wenn ich meine „Lieben“ Tage, Wochen oder vielleicht sogar Monate nicht gesehen habe, dann gibt es immer Nachholbedarf. Unsere Blicke aufeinander zu richten, um uns auf den aktuellen Stand zu bringen, unsere Beziehung wieder zu intensivieren. Nicht auf die Äußerlichkeiten, auf das Organisatorische oder auf andere Leute, nein auf das, was mein Gegenüber bewegt, was ihn umtreibt. Dafür brauchen wir Zeit, Aufmerksamkeit und Ruhe für einander. Nachdem der Trubel, der im Advent durch die vielen Aktionen, wie Geschenke kaufen, Weihnachtsfeiern, Essen kochen ausgelaufen ist, habe ich jetzt ab dem 25. Zeit, mich mehr um das zu kümmern, was Weihnachten ermöglicht. Unser Alltag ist so voll mit äußeren Ereignissen, dass für intensive Gespräche oft nicht viel Zeit bleibt. Weihnachten bietet sich dafür an, den göttlichen Funken in der Einzigartigkeit des anderen wieder zu entdecken.
In den Gesprächen bei Tisch oder beim Spaziergang können wir uns gegenseitig zuhören, uns dafür interessieren, wie es um uns steht, wie wir uns momentan in unserem Leben einrichten, wie wir uns dabei fühlen. Wir können uns mitteilen, was uns belastet, worüber wir unbedingt reden müssen, wie wir uns unterstützen können. Es sind Gespräche, in denen mir der andere wieder ganz vertraut wird, ich kann spüren, wie wichtig er mir ist. Ich entdecke den feinen Faden, der mich mit ihm verbindet. Ich kann auch das Besondere in ihm wiederentdecken. Für mich sind die Begegnungen, in denen ich vom anderen aus seiner inneren Person, seiner Seele erfahren darf und ich meine Seele öffnen kann, Ausdruck von Zuwendung und Liebe.
Eigentlich gilt das nicht nur für Gespräche in der eigenen Familie und an Weihnachten. Es könnte grundsätzlich für alle guten persönlichen Gespräche gelten, mit denen ich mich auf einer tieferen Wirklichkeitsebene verständigen will, in denen es um Beziehung zueinander geht. Das Wertvolle des anderen liegt nämlich nicht auf der Oberfläche, sondern zeigt sich in seiner Seele. Wenn ich aus seinem Seelengrund erfahren darf, seine tiefere Beziehung zur Welt verstehen kann, wächst er mir immer mehr entgegen.
Es gibt auch anderes
Manchmal bin ich in Gruppen, wo vielleicht der Mut fehlt, im Gespräch auf diese Ebene zu gehen. Mir fällt dann auf, dass einzelne Monologe halten, andere im Ansatz unterbrechen, Themen anschneiden, die von dem weglenken, weswegen man zusammengekommen ist. Sie reden dann eher über politische Vorgänge, über andere Leute oder über die verspäteten Züge oder die Unannehmlichkeiten einer Reise. Vielleicht ist es die Angst davor, mit der eigenen „Verletzlichkeit“ erkannt zu werden? Oder möglicherweise haben sie so viel Druck, dass sie meinen sie müssten reden, weil die anderen vielleicht nichts zu sagen hätten? Ich frage mich auch, ob sie meinen, dass ich und die anderen ein langweiliges Leben haben, das für die Gruppe nichts Interessantes bietet? Vielleicht ist es auch schwierig, Stille auszuhalten, falls mal jemand nicht spricht? Ich wüsste gerne, was in diesen Menschen vor sich geht, damit ich sie besser verstehen kann. Das wäre dann die Ebene, die sie ja meiden.
Gerade bei Familientreffen und besonders vor Weihnachten nimmt fast jeder nicht nur lange Fahrten, sondern auch Zugverspätungen und Staus auf sich. Indem sie sich diese Ungemütlichkeiten zumuten, machen sie diese Stunden des Zusammenseins noch wichtiger. Weshalb ist es dann so schwer, das Wirklichkeit werden zu lassen, was das Kind in Betlehem möglich gemacht hat?
Sollten die Erwartungen an Nähe und sich Aufgehoben fühlen dieses Weihnachten nicht gelingen, das Kind in der Krippe behält seine Kraft. Es schaut aufmerksam, ob auf die Hirten oder die Weisen, und steht verlässlich für eine lebendige Gemeinschaft.
Weihnachten ist ja nicht dazu da, die Vergangenheit zu feiern, sondern die Beziehungen zu einander Wirklichkeit werden zu lassen.
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