Foto: hinsehen.net E.B.

Worte, die lebendig machen oder lähmen

Durch Worte können wir uns absprechen, schwierige Probleme gemeinsam lösen, ein Projekt am Laufen halten und uns sogar persönlich nahekommen. Weil Worte so vielfältig einsetzbar sind, können sie auch abwürgen, verletzen, verleumden, bloßstellen, jemanden einem Urteil unterwerfen und damit ein Team, eine Gruppe lähmen. Worte haben Macht

Wie viel Macht einzelne Worte und Sätze haben, wird deutlich, wenn in Gesprächen Bewertungen einfließen. Leichtfertig dahin gesagte Vorwürfe oder Abwertungen an andere, die entweder nicht anwesend sind und sich nicht wehren oder aber dabei sind und sich nicht davor schützen können, nehmen Einfluss auf die Stimmung in den Gesprächen, denn sie können tief verletzen und demonstrieren Macht. Eine subtile Form mit Worten Macht auszuüben ist folgende:

                                      „Ich wollte es nur mal gesagt haben“

Der folgende, so locker dahin gesagte Vorwurf verändert etwas in der Gruppe, im Team.

                 „Du behinderst doch sowieso ständig die Gruppe und reißt alles an dich“.

Das ist nämlich nicht nur eine wohlgemeinte und vielleicht auch hilfreiche Kritik, sondern ein deutlicher mieser Angriff auf die Person. Manchmal geht eine solche Äußerung einfach in den weiteren Gesprächen unter weil sich keiner darum kümmert oder sich niemand traut die Spannung anzusprechen, die sich in dem Angegriffenen ausbreitet. Denn die Äußerung bleibt bei dem so Abgekanzelten nicht ohne Wirkung. Er fühlt sich verletzt, sitzt auf einem Vorwurf, den er erst einmal nicht verstehen kann, weil ihm die Erklärung fehlt. Auch weil der andere seine Beurteilung einfach so in den Raum stellt, fühlt sich der so Beurteilte in seiner Person an die Wand gestellt. Außerdem spürt er, dass dieser Vorwurf auch seinen Stand in der Gruppe beeinträchtigt. Nimmt dann doch einer in der Gruppe die Aufgabe wahr, diesen Angriff zu thematisieren, wird er denjenigen, der die Bemerkung gemacht hat, auffordern, zu sagen wie er das meint und wie er dazu kommt das zu sagen. Dann kann im besten Fall der Konflikt bearbeitet werden. Verweigert der „Angreifer“ aber die Antwort und sagt nur: „ich wollte es nur mal gesagt haben“, erhöht sich die Spannung. Wird er weiter aufgefordert doch zur Klärung beizutragen und reagiert mit der gleichen Floskel wird deutlich, dass er nicht bereit ist, zu seinen Worten zu stehen. Damit scheint er „fein raus“ zu sein, denn er kann mit Bewertungen, Vorwürfen vorpreschen, muss aber nicht für das einstehen, was er urteilend über andere gesagt hat. In der Gruppe bleibt eine diffuse, angespannte Stimmung. Sorgt da nicht ein Moderator dafür, dass dieser Angriff aufgearbeitet wird, heißt das für die Gruppe, dass solche Bewertungen geduldet werden und derjenige, der sie ausspricht, so Einfluss auf die Stimmung in der Gruppe ausübt. Damit nimmt er Energie aus dem Team. Das hat weitreichende Folgen in dieser Gruppe. 

Eine Bemerkung kann eine Gruppe, ein Team spalten

Da der Urteilende meist ein problematisches Verhalten angesprochen hat, werden sich einige der Kritik anschließen und sich auf die Seite des Angreifers schlagen, andere werden sich innerlich mit dem Angegriffenen verbünden, weil sie die Art, wie die Kritik ausgesprochen wurde nicht akzeptieren können. Wenn der Konflikt weiter schwelt, wird der Ärger zunehmen. Wer hat dann noch den Mut, auf die Lösung des Konfliktes zu drängen. Die Spannung im Team, in der Gruppe bleibt, gemeinsame Aktivitäten stehen infrage, Kreativität ist nicht mehr möglich. Die subtile Machtausübung durch den Verweigerer führt zur Spaltung, die sich in anschließenden hitzigen Gesprächen in kleinen Grüppchen außerhalb der Gruppe auf dem Flur oder auf dem Heimweg artikulieren. Bei einem nächsten Zusammensein werden schon einige fehlen.
Kommt der Angreifer mit seiner Verweigerung in der Gruppe durch, bestätigt es ihn darin, dass er mit seinen Worten agieren kann, ohne zu den Konsequenzen daraus stehen zu müssen. So lähmen sich nicht nur politische Parteien, wenn sie in ständigem Zwist stehen. Erlaubt eine Gruppe solche Kommunikationsmuster, gerät sie in innere Spannungen, die dazu führen, dass die Gruppe auseinanderfällt oder in Lähmung erstarrt. Da kann nicht viel Fruchtbares oder Lebendiges entstehen.

Stimmenthaltung führt zu Lähmung

Auch solche Gespräche, die einseitig bleiben führen in den Konflikt. Denn fehlen Beiträge der anderen, ob im Zweiergespräch oder in einer Gruppe führt das dazu, dass diejenigen, die sich nicht beteiligen, im „Dunkeln“ bleiben. Sie halten sich bedeckt. So können sie verhindern, dass sie beim Wort genommen werden. Da sie keine eigenen Beiträge preisgeben, müssen sie nicht befürchten, dass ihre Vorschläge Ablehnung finden. Gleichzeitig enthalten sie den anderen ihre Vorstellungen, ihre Ideen oder ihre Erfahrungen vor. Wer sich nicht beteiligt, kann dann locker über das reden oder sogar bewerten, was andere gesagt haben, was andere umsetzen wollen. Sie können dann auch verhindern, dass etwas tatsächlich in die Tat kommt. Wenn jemand schweigt oder sich in Entscheidungsprozessen der Stimme enthält, stellt er sich außerhalb der Gruppe und kann jedes Projekt, das die anderen betreiben, in Zweifel ziehen oder kritisieren. Wer nicht Stellung bezieht, kann später, wenn ein Projekt scheitert immer sagen, dass er von Anfang an wusste, dass daraus nichts werden würde, die Risiken viel zu hoch oder das Projekt nicht gut durchdacht waren. Eigentlich müsste man dieses Konferenzmitglied entfernen, denn derjenige, der eine Entscheidung nicht mitträgt, wird diese auch nicht mit der eigenen Energie betreiben und wenn das Vorhaben nicht gelingt, sich zum Kritiker stilisieren.

Aktive Beteiligung sichert Lebendigkeit

Diejenigen, die sich aktiv an Gesprächen beteiligen, sollten nicht damit rechnen müssen, dass sie kritisiert werden. Das kann in einer Gruppe durch eine Vereinbarung unterbunden werden, dass sich jeder in der Gruppe beteiligt, dass jeder zu Wort kommt, dass Austauschrunden nur dann Gewinn bringen, wenn alle darin vorkommen. Wer sich nicht beteiligen will, kann überlegen, ob er zu der Gruppe überhaupt gehören will. Denn eine Ansammlung von Menschen ist noch keine Gruppe sondern sie wird erst zu einer Gruppe, wenn es gemeinsame Interessen, Ziele, Vorhaben gibt. Die Ausstrahlung von Freundeskreisen, von Zweierfreundschaften, von Arbeitskreisen, von Teams hängt weitestgehend davon ab, ob sich jeder aktiv an den internen Gesprächen, den Vorhaben und Unternehmen beteiligt. Kommt jemand nicht zu Wort oder entzieht er sich mit seiner persönlichen Beteiligung, fehlt im Beziehungsgefüge seine Sicht, seine Kraft. Dieses Defizit führt zu einem Vakuum. Spürbar wird das an dem Verlust von Energie, von Vertrauen, von Lebendigkeit. Die Gespräche, die Beziehungen werden „lahm“. Es gibt wenig Antrieb, sich zu treffen. Solche Gruppen bringen wenig auf die Beine.

Worte eröffnen Nähe oder können Gerüchte in Umlauf setzen

Persönliche Gespräche sind das aktive Bindeglied in Beziehungen. Wir alle brauchen den Austausch mit anderen, damit wir uns zugehörig fühlen können. Jetzt in der Pandemie spüren wir so richtig, wie lebensnotwendig Gespräche sind. Am liebsten natürlich im persönlichen Kontakt, der gerade eingeschränkt ist. Gespräche führen uns zusammen, aber auch nicht. Es gibt Gespräche, die jeder von uns auch kennt. Da wird jemand durch den „Kakao“ gezogen, bewertet, abgekanzelt. Diese Gespräche gehen über andere, die meist nicht anwesend sind. Wir beschweren uns über sie, belächeln, wie sie etwas machen, verurteilen ihre Entscheidungen. Manchmal merken wir es noch nicht einmal, dass wir in diesem Fahrwasser gelandet sind, denn die anderen sind auch in dieses Boot mit eingestiegen und machen „fröhlich“ mit. Da entsteht ganz schnell das Gefühl von Solidarität, gleichzeitig ein Gefälle zu dem, der nicht anwesend ist und sich gegen diesen Klatsch nicht wehren kann.

Miteinander reden verbindet

Was Worte bedeuten, erfahre ich, wenn ein anderer mir zuhört und ich über das sprechen kann, was mich gerade innerlich bewegt, was mich vielleicht sogar belastet, oder auch über das was gerade gut gelingt. Ich spüre, wie sich meine Beziehung zu den Menschen intensiviert, mit denen ich mich über Persönliches austauschen kann, von denen ich gehört werde und denen auch ich zuhören kann, damit sie aus ihren Erfahrungen, Nöten oder Ereignissen erzählen können. Kommunikation, die aus der Ich-Formulierung kommt, also aus der persönlichen Erlebnisebene, vermittelt mir das Vertrauen des anderen in meine Person. Denn auch ich erzähle nur den Menschen von Persönlichem in meinem Leben, wenn ich ihnen vertrauen kann, dass sie mit diesem Wissen über mich wertschätzend umgehen. Wir müssen dann gegenseitig keine Sorge haben, dass sich hinter unserem Rücken Geschichten im ganzen „Ort“ verbreiten. Solche persönlichen Gespräche sind das Elixier von Beziehungen, sie schaffen Nähe und Verbundenheit. Sie stellen aber auch die Verlässlichkeit des anderen immer mal wieder auf die Probe.


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang