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Unser Perfektionismus knebelt uns

Wir Deutschen streben immer mehr nach Perfektion. Es gibt wenige Länder in Europa, die so viele Regelungen und Gesetze haben, wie wir in Deutschland. Gleichzeitig erleben wir, dass dieser perfektionistische Anspruch unser Leben nicht leichter, sondern eher komplizierter und damit auch nicht besser macht.

Perfektion hat immer mehr Regelungen zur Folge.

Es ist nicht nur die Digitalisierung, die mich mit ihrem ständigen Wachstum zwingt „dran“ zu bleiben. Ich weiß, dass sie notwendig ist, um überhaupt mit dem wachsenden Verwaltungsaufwand fertig zu werden und mit dem Wachstum mitzuhalten. Auch als Privatperson muss ich aktuell bleiben. Verliere ich den Anschluss, katapultiere ich mich ganz schnell aus dem System, denn die nächste Handy-Version verstehe ich dann oft nur noch mit Mühe und Unterstützung. Vom Tastendrücken ging es über in den Touch Screen zum Scrollen. Schon das kostet ein Umdenken. Wer da beim alten Handy stehen geblieben ist, fällt schon raus. Senioren, die oft nicht auf die neuesten Versionen umgestiegen sind, können dann z.B. nicht mit dem Bahn-Navigator eine neue Verbindung suchen.
Auch die Banken haben in diesem Jahr alle auf ein neues Sicherungssystem umgestellt, das der Kunde bei sich digital einrichten muss, wenn er mit Online-Banking Rechnungen bezahlen will. Die Vorgehensweise ist nicht besonders schwierig, aber ich habe beim ersten Einrichten einen Fehler gemacht und musste mir einen neuen Code telefonisch anfordern, der mit Briefpost geschickt wurde. Da sind nicht nur die Zeitverzögerung, die unnötigen Kosten, sondern auch der Unmut, der in mir hochkommt, weil ich mal wieder etwas nicht hingekriegt habe. Muss das sein? Dabei sind wir digital sogar im Vergleich zu anderen noch ziemlich rückständig. Da besetzt bereits Jordanien oder die vom Krieg gebeutelte Ukraine einen besseren Platz.
Aber nicht nur das. Wer ein Haus, das unter Denkmalschutz steht, renovieren will, muss sich die „Hacken“ ablaufen, bis die Genehmigung da ist. Die Gesetze strangulieren auch bei Anträgen. Da wird die Grundsteuer reformiert, für die die Eigentümer eine Grundsteuererklärung abgeben müssen, obwohl bei den Finanzämtern diese Daten alle vorliegen. Für jedes Eigentum gibt es einen Berg von Antragsformularen, die jeder ausfüllen muss. Manche machen es selbst, weil sie den Durchblick oder sich das Verfahren mit viel Zeitaufwand angeeignet haben, andere wie ich müssen für viel Geld den Steuerberater beauftragen. Ist das nötig?

Ansprüche wachsen

Bei aller Perfektions-Vision in unserer Gesellschaft, die immer wieder neue Gesetze nötig macht, den Verwaltungsbereich unnötig aufplustert und Geld kostet, wachsen natürlich auch meine Ansprüche und die der Kunden und Nutzer. Das Leben wird immer teurer, nicht einfacher und leichter, gleichzeitig steigen Anforderungen an den Einzelnen aber auch die Unzufriedenheit.
Bei Obst und Gemüse können wir feststellen, dass die Bauern Äpfel kiloweise für einen „Appel un Ei“ weggeben, weil sie nicht so schön aussehen, kleine Macken haben, vielleicht schon etwas schrumpeln. Wer kauft sie? Wir Verbraucher hätten es natürlich auch gerne „perfekt“ in allen Lebensbereichen. Unsere Erwartungen an ein perfektes Leben sind hoch, deshalb schrauben wir uns, ich nehme mich da nicht aus, auch immer höher in noch perfektere Ebenen und werden immer unzufriedener. Wir sind nämlich schon nicht mehr in der Lage, das technische Gehäuse, das wir uns geschaffen haben, instand zu halten. Das zeigen die desolaten Brücken, die Bahngleise, die Abwassersysteme. Müssen wir nicht wieder zurück zum einfachen Leben?

Näher an die Natur

Wir würden uns das Leben sehr viel einfacher machen, wenn wir wieder näher an die Natur rücken würden. Denn mit ihr können wir schon erleben, was bereits perfekt ist und was sich sogar selbst repariert. Die Natur braucht nicht den Service wie unsere technischen Systeme.
Mit dem Immer–Mehr und Besser überfordern wir uns selbst, denn wir können nur so viel verbrauchen, wie wir selbst herstellen. Wenn ich genau hinschaue, dann brauche ich für meinen Lebensalltag nicht Vieles von dem, was der Markt mir attraktiv machen will, ohne unzufrieden zu werden. Wer einen kleinen Garten oder Balkon besitzt kann sich sogar seine Kräuter und sein Gemüse ohne Giftstoffe selbst ziehen.
Vielleicht ist es aus dem Blick geraten, dass diese Dynamik des wachsenden „Immer Mehr, Immer Perfekter“ nicht nur den Bedarf dafür wecken muss, sondern dazu beiträgt, dass wir in der ökologischen Krise stecken. Als Verbraucherin sehe ich ja oft nur das, was mir das Leben leichter, genussvoller und besser machen will. Ich sehe nicht gleich die Schäden, die das verursacht. Wer ist schon davor gefeit, sich nicht durch eine schöne Verpackung oder eine animierende Werbung, die sich in unsere innersten Sehnsüchte schleicht, verführen zu lassen. Ich habe bis vor ein paar Jahren nicht danach gefragt, welche Auswirkungen Z.B. die Kunststoffverpackungen von Gemüse auf unsere Umwelt und auf unsere Gesundheit haben. Ich habe auch nicht danach gefragt, woher und wie die Ananas, die Kiwi, die Mango oder das Palmöl kommen, wie viel Urwaldbäume für diesen Konsum gefällt werden müssen. Mit mehr Wissen stehe ich heute auch in einer größeren Verantwortung und kann es einfach nicht mehr mit gutem Gewissen missachten.

Auch die hohen Hygienerichtlinien richten sich gegen unsere Gesundheit
Das wird z. B. deutlich bei den aktuellen Tests der verschiedenen Buttersorten. Von allen zwanzig getesteten, darunter fünf mit Biosiegel, sind siebzehn mit mangelhaft oder ungenügend beurteilt. Lediglich eine Buttersorte hat ein „gut“ erhalten. Dabei spielt die Verpackung die entscheidende Rolle.

 „Ein Großteil der Butter war so stark mit Mineralöl belastet, dass sie das Ergebnis auch mit teilweise guten Noten in der Tierhaltung nicht mehr rausreißen konnten. In 19 von 20 Produkten hat das Labor gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) gefunden. Und das überwiegend in Gehalten, die wir als "stark erhöht" einordnen. Diese Rückstände aus Mineralöl reichern sich im menschlichen Fettgewebe an, aber auch in Lymphknoten oder Organen wie Leber, Milz und Lunge. Toxische Effekte sind bisher zwar nicht bekannt, aber die Datenlage ist in unseren Augen noch zu dünn, um Langzeiteffekte auszuschließen."  Hier zu Ökotest   
Weshalb brauchen wir soviel Verpackung? Das gilt nicht nur für die Butter, sondern auch für viele andere Produkte, die uns in Kunststoff - Verpackungen angeboten werden, deren Rückstände in dem Produkt wir verzehren.

Es geht auch anders

Immer mehr Unternehmen steigen auf losen Verkauf um. Nicht nur die Hofläden, in denen ich das Gemüse und den Salat direkt vom Feld in meinen Einkaufskorb legen kann, sondern auch Geschäfte in den Städten beginnen, lose zu verkaufen. Ich kann mit meinen Behältern zum Einkaufen gehen, Nüsse, Müsli, Mehl, Nudeln, Reis, Kräuter, Öl und Essig abfüllen. „Unverpackt. Nachhaltig. Fair“ und trotzdem hygienisch.
Ich kann dazu beitragen, dass weniger Müll entsteht, aber noch besser verhindern, dass Schadstoffe aus den Verpackungen in die Lebensmittel geraten. Auch die Abschaffung des Haltbarkeitsdatums, das die Niederlande jetzt einführt, unterstützt uns darin weniger an Lebensmitteln zu vernichten. Der Verwaltungsaufwand wird geringer, Kosten können gesenkt werden, die Eigenverantwortung beim Konsumenten steigt.

Mit diesen Vereinfachungen, die ich in meinem alltäglichen Leben selbst einführen kann, unterstütze ich nicht nur den Umweltgedanken, sondern meine Gesundheit, schränke den Perfektionismus ein und trage zu einem naturverbundeneren Leben bei.

Beispiel für Plastik-Verzicht Siegburg unverpackt


Kategorie: Analysiert

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