Ohne Wahrheit kein Vertrauen
Die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander, nicht nur in privaten Beziehungen, sondern auch im Arbeitsbereich, wie in der Politik ist die Wahrheit, die Ehrlichkeit in dem, was geäußert wird. Ich muss mich darauf verlassen können, dass der oder die andere das meint, was sie oder er sagt. Putin hat das gründlich verwirkt, als er in den Gesprächen Zusagen machte, die jetzt überhaupt keine Rolle mehr spielen. Er hat Verabredungen gebrochen. Da geht Vertrauen verloren. Auch in der Wirtschaft, in persönlichen Beziehungen, im Umgang mit ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Problemen ist erst der Blick auf die Wahrheit, die Realität, wie sie ist, notwendig, um einen sicheren, verlässlichen Boden zu schaffen, auf dem Neues und Probleme angepackt werden, auf dem Schaffensfreude und Solidarität wachsen können. Wahrheit ist die Basis für Verständigung und Vertrauen, das zu gemeinsamem verlässlichem Handeln führt. Nicht umsonst sagt man "Lügen haben kurze Beine“.
Jeder muss zu Wort kommen
Der Wille zur Wahrheit und Ehrlichkeit ist der stabile Untergrund, auf dem sich eine konstruktive Kommunikation aufbaut. Diese braucht einige wenige Bedingungen, nämlich dass jeder zu Wort kommt. Denn wenn in Gremien, Gruppen oder Freundeskreisen immer nur die gleichen reden und Monologe halten, kann ich nicht von einer zusammenführenden gesunden Kommunikation sprechen, sondern dann habe ich es mit Vielrednern zu tun, die sich auf den Stuhl derer setzen, die meinen, dass sie die anderen unterhalten, belehren oder verbessern zu müssen. Sie produzieren eine Atmosphäre, in der niemand mehr gerne etwas sagen will, weil er davon ausgehen muss, dass der Vielredner ihn unterbricht und sofort den ausgesprochenen Gedanken für seinen nächsten Redeschwall aufgreift. Eine andere Methode der Vielredner stellt den Beitrag als dümmlich hin, um so sein Rederecht zu rechtfertigen. Vielredner lähmen mit ihrer Omnipräsenz das Ideenpotential einer Gruppe, verhindern die aktive Mitbeteiligung, verursachen Unwillen und sind daran beteiligt, dass nur noch wenige bei Besprechungen und Teamsitzungen dabei sein wollen. Sie fordern auch den Widerstand der Gruppenmitglieder heraus, die ihren Unmut aus Frust erst nach den Treffen und Sitzungen im kleinen Kreis thematisieren. Das kreative Potential, das in einer Gruppe steckt, hat in einer von Vielrednern bestimmten Atmosphäre kaum Chancen, sich zu artikulieren. Es bleibt brachliegen.
Vielredner unterstützen außerdem mit dieser Art des Übergriffes diejenigen, die sowieso nicht gerne etwas sagen. Diese sind vielleicht sogar froh, dass ihnen einer das Reden abnimmt. Da aber eine Gruppe erst mit allen Beteiligten ihre besondere Qualität entwickelt, sich eine vertrauensvolle Grundlage für die gemeinsame Arbeit oder das gemeinsame Zusammensein aufbauen kann, verhindern Vielredner diesen Prozess.
Schweiger ziehen die Energie ab.
Es gibt in jeder Gruppe Menschen, die sich eher zurückhalten. Wir wissen nicht immer die Gründe. Weil sie auch nicht gleich auffallen, kann es leicht passieren, dass sie, wenn sie am Beginn nicht zu Wort kommen, „verloren“ gehen, indem sie sich auch im Verlauf der Gespräche nicht mehr beteiligen. Das hat für ein Team ernsthafte Folgen, denn Schweiger ziehen Energien aus der Gruppe ab. Niemand weiß nämlich, was sie zu der Fragestellung oder dem Problem zu sagen hätten. Die anderen erfahren auch nicht, was die Schweiger zu dem Thema, dem Projekt überhaupt denken. Wird etwas entschieden, können sie immer sagen, dass sie das nicht mitentschieden haben. So brauchen sie die Entscheidung nicht mittragen, können sie sogar unterlaufen. Stellt sich die Entscheidung als nicht umsetzbar heraus, können sie sich auf den Standpunkt stellen, dass sie es ja von Anfang an gewusst haben, dass das schiefgehen musste. Allerdings fehlen auch ihre wichtigen Gedanken und ihre vielleicht berechtigten Bedenken im Entscheidungsprozess. Wenn sie diese dem Team vorenthalten, verhindern sie auch den Erfolg. Oft greifen dann Vermutungen oder Verdächtigungen um sich. Schweiger zwingen die anderen zu Vermutungen, weshalb derjenige nichts dazu sagen will. Das absorbiert Aufmerksamkeit und Energie. Schweiger haben Macht, die darin besteht, dass sie keine Orientierung geben, die Gruppe im Ungewissen lassen, sich wie Beobachter verhalten, die außerhalb des Prozesses stehen, aber sich von der Gruppe nicht verabschieden. Der Schweiger besetzt einen Platz, der nicht transparent ist und für Verunsicherung sorgt. Ein Gruppenmitglied, ob in einem Arbeitsteam oder einer Freundesgruppe, das nicht einschätzbar ist, zieht Vertrauen ab und setzt Misstrauen in Gang.
Persönliche Angriffe
Nicht nur Vielredner und Schweiger beeinträchtigen gute Gespräche und die Verständigung untereinander, sondern auch diejenigen, die sich auf das hohe Ross setzen, von dem herunter sie andere bewerten und sogar mit Worten verletzen. Wenn niemand sie von dem Ross herunterholt, nehmen sie sich dann auch noch heraus, andere abzuurteilen. In privaten Gruppen ist das manchmal auch in kleinen Grüppchen und Klicken der Fall, wenn über Dritte gesprochen wird. Wenn verletzende Bemerkungen in einem Arbeitsteam vom Vorgesetzten kommen, er diese auch noch in Anwesenheit anderer ausspricht, ist das besonders niederträchtig, denn dann setzt er selbst Mobbing in Gang. Traut sich niemand aus der Gruppe, dem Chef zu widersprechen, besitzt dieser für die Zukunft einen Freifahrtschein für seine Erniedrigungen durch Abwertung einzelner Mitarbeiter*innen. Das führt zu einem Arbeitsklima, in dem sich keiner mehr so richtig wohl fühlen kann. Mit dieser Art von Un-Kommunikation versteckt der Vorgesetzte seine eigene Unfähigkeit als Führungskraft solange, wie er die Gruppe damit in Schach halten kann. Erst wenn sich Widerstand aus der Gruppe rührt, gibt es die Chance zur Veränderung. Oder Mitarbeiter*innen kündigen. In privaten Gruppen weisen solche abwertenden Gespräche auf Konflikte hin. Wenn sie nicht bearbeitet werden, führt das zu Spaltung.
Leitungsverantwortung
Wer in einem Unternehmen oder einem Verein Führungsverantwortung übernimmt, hat nicht nur die Verantwortung für die Umsetzung der Unternehmensphilosophie und – Ziele, sondern auch dafür, die Mitarbeiter*innen mit den Werten des Unternehmens zu führen. Er übernimmt Fürsorgepflicht, die sich vor allem im Umgang und in der Kommunikation mit den Mitarbeiter*innen realisiert. An einer funktionierenden Unternehmenskommunikation lässt sich die Qualität von Führungskräften messen. Da spielt es eine große Rolle, wie Sitzungen geleitet werden, wie die Moderation mit Gesprächsbeiträgen umgeht. Die Leitung muss nicht selbst moderieren, aber es liegt in ihrer Verantwortung, dass Sitzungen so ablaufen, dass jeder mit seinen Aussagen zu Wort kommt, jeder sich beteiligt, Schweiger nicht zugelassen, Vielredner ausgebremst und persönliche Angriffe unterbunden werden. Vernachlässigt die Leitung ihre Fürsorgepflicht durch eine wertschätzende Moderation, greift der Wildwuchs. Führungskräfte sollten, wenn sie sich an der Problemlösung mit eigenen Beiträgen und Vorschlägen beteiligen wollen, die Moderation anderen übertragen, damit die Team- oder Vorstandsmitglieder sich nicht in Zurückhaltung gedrängt fühlen und so eine gute Idee erst gar nicht auf den Tisch kommt. Moderiert die Leitung allerdings die Sitzung, sollte sie sich aus der inhaltlichen Diskussion heraushalten. Sie kann nämlich davon ausgehen, dass ihre Argumente auch im Team vorhanden sind und zur Sprache kommen. Wenn die Leitung neutral bleiben und jeden gut im Blick behalten kann, wächst bei den Mitarbeiter*innen Vertrauen. Sorgt die Leitung für eine Moderation, die das Gespräch strukturiert und moderiert, können diejenigen nicht die Oberhand gewinnen, die sich nicht an Kommunikationsregeln halten. Denn es wirkt noch immer die Norm der Achtundsechziger, dass man sich nicht an Regeln halten muss und jeder selbst entscheiden soll, ob er etwas sagt, wie er was sagt und wie lange er reden will. Das führt in Teams und Vorständen zu einem Klima, in dem es kaum Schutz vor Willkür, Mobbing, Korruption und Missbrauch gibt.
Wichtige Kommunikationsregeln sind:
- jeder beteiligt sich und kommt zu Wort;
- in Erfahrungsrunden wird in Ich-Aussagen gesprochen und nicht Bezug zu anderen genommen;
- es werden keine persönlichen Abwertungen oder Beurteilungen ausgesprochen;
- Diskussionsbeiträge werden nicht bewertet, sondern es werden die unterschiedlichen Argumente zusammengetragen;
- Vielredner werden sanft gestoppt, indem sie unterbrochen, ihre Aussagen von der Moderation zusammengefasst und so auf den Punkt gebracht werden;
- Ergebnisse aus Arbeitsgesprächen werden zusammengefasst und schriftlich zur Verfügung gestellt“.
Damit Vielredner gebremst und Schweiger zu Wort kommen, persönliche Angriffe unterlassen werden, braucht es eine Moderation. Achtet diese auf die Einhaltung der obigen Regeln und formuliert sie Zwischenergebnisse, erweist sie dem Team, dem Vorstand einen großen Dienst: Die Einzelnen können sich auf die Inhalte konzentrieren. Wenn die Moderation einzelne Schritte abschließt, indem sie das Ergebnis formuliert, oft nur durch Blicke die Schweiger zum Reden bringt und durch Verbalisieren des Vielredners diesem die Gewissheit gibt, dass er gehört wurde, rollt die Besprechung wie ein gut gefederter Waggon ohne Ruckeln zum Ziel.
Auch in privaten Gruppen braucht es diese Regeln, die von den Einzelnen eingehalten werden müssen, um andere nicht zu verletzen oder um zu verhindern, dass sich nur einer durchsetzt, sondern auch die Stillen zu Wort kommen. Privat werden diese Regeln eher beachtet, weil es meist weniger Konkurrenzdruck als in Arbeitsgruppen gibt. Kommunikation wird zur Unkultur im Umgang miteinander, wenn die entscheidenden Regeln missachtet werden, die nämlich die Würde des anderen sichern.
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