Der Regenbogen fügt zusammen; Foto: Marianne Hildebrand

Gibt es Zufall tatsächlich?

Spontan sagen wir Zufall, wenn wir jemandem begegnen, ohne verabredet zu sein oder wenn die Boule Kugel sich so eng neben das Schweinchen gelegt hat. Oder auch, wenn ich einem drohenden Unfall entkommen bin. Stimmt das, dass das immer Zufall war?

Manches erscheint nur auf den ersten Blick als Zufall 

Ein Beispiel aus meiner beruflichen aktiven Zeit:
Ich hatte die Leitung einer Tagesstätte 17 km von meinem Wohnort übernommen. Dorthin musste ich jeden Morgen mit unseren zwei kleinen Kindern fahren. Meinen Sohn hatte ich dort und nicht an unserem Wohnort in der Schule neben der Tagesstätte eingeschult. Mir war klar, dass eine Schule näher an unserem Zuhause für meinen Sohn viel günstiger wäre. Er könnte am Nachmittag mit Klassenkameraden spielen, sich verabreden und Freundschaften knüpfen. Ich müsste auch nicht bei Wind und Wetter, im Winter bei Schnee und Eis mit dem Auto los. Eines Tages klingelte es an unserer Haustüre. Ein Mann steht vor mir und will mich für die neue Tagesstätte der Elterninitiative im Nachbarort abwerben. Dort brauchte man eine examinierte Fachkraft für die Leitung. Nach einer Woche Bedenkzeit habe ich zugesagt. Für mich war das kein Zufall, dass er gerade mich ausgewählt hat. Dass ich gewechselt habe, entsprang meinem Wunsch nach weniger Fahraufwand und dem der Elterninitiative, mit der Tagesstätte starten zu können. Diese brauchte, für die Anerkennung eine Fachkraft, ich einen Arbeitsplatz in meiner Nähe. Wäre ich nicht auf Wechsel eingestellt gewesen, wäre das, was wir Zufall nennen, nicht zustande gekommen. Meine innere Offenheit für einen Wechsel hat Energie und Perspektiven freigesetzt, die zu dieser Begegnung führen konnte.

Für mich gibt es keinen Zufall

Aus diesen und anderen Beobachtungen bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass uns nichts aus Zufall passiert, im Guten wie im Schlechten. Ich finde im Nachhinein fast immer einen Grund dafür, dass das, was eigetreten ist, kein Zufall war. Manches ist zwar zufällig, aber nicht Zufall.
Wenn ich z.B. in Bonn einkaufen gehe, mir „zufällig“ meine Freundin entgegenkommt, ist das zufällig, wenn wir uns nicht abgesprochen haben. Die geistige Verbindung zwischen uns führt vermutlich dazu, dass wir uns auch zufällig treffen. Auf jeden Fall laufen wir nicht aneinander vorbei, wenn wir beide in der Stadt sind, um etwas zu erledigen.

Von einer geistigen Kraft begleitet

Was ich nicht sehen, nicht konkret beweisen, aber oft spüren kann, erlebe ich als eine geistige Kraft, die mich in meinem Alltag begleitet. Sie lenkt, meist von mir unbemerkt, mein Handeln und hat Einfluss darauf, was aus meinem Handeln entsteht. Der Einfluss ist nicht so zu verstehen, dass diese geistige Kraft etwas „macht“ oder „herstellt“, sondern in mir geschieht etwas, was mich handeln lässt. Meist nehme ich das im Vorhinein nicht wahr, sondern entdecke erst im Nachhinein in der Reflexion, dass eine innere Kraft mitgespielt hat.
Wenn ich meine Erfahrungen unter der Rücksicht betrachte, dass mein Leben von einem Schöpfergeist, einer größeren Macht, einer Kraft gewollt ist, dann kann ich davon ausgehen, dass diese Energie immer mit mir geht. Ich muss nur aufmerksam dafür sein. Ein Gespür dafür entwickeln, um in der Verbindung mit dieser Kraft zu sein und zu bleiben. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Alles, was mir geschieht, ob Erfreuliches oder Schmerzhaftes, ist dazu da ist, dass ich daraus lerne. Mein Leben ist auf Entwicklung angelegt, deshalb helfen mir alle Erfahrungen. Ich muss sie nur reflektieren und die Konsequenzen daraus ziehen, damit sie mich weiterbringen. 
Es gibt aber auch noch andere Erfahrungen, eine davon ist für mich wichtig geworden.
Wir sind auf der Fahrt in den Urlaub bereits auf die Autobahn aufgefahren und höchstens eine Viertelstunde unterwegs. Da bitte ich meinen Mann, irgendwo an den Rand zu fahren, weil ich dringend „musste“, obwohl ich zu Hause noch auf der Toilette war. Er fuhr auf den nächsten Parkplatz. Als wir fünf Minuten später wieder losfahren, geraten wir in eine dichte Nebelwand. Vor uns waren 50 Autos zusammengeknallt. Wir wären mittendrin gewesen, wenn ich nicht den Druck gespürt hätte und mein Mann auf den Parkplatz gefahren wäre. Ich frage mich bis heute, ob das Zufall sein konnte. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass eine geistige Dimension mitgespielt hat. Handeln musste ich selbst.

Den Geist kann ich spüren

Es scheint eine Wellenlänge zu geben, die nicht vorprogrammiert, aber auch nicht Zufall ist. Ob ich diese nicht sichtbare Kraft spüren will, hängt letztlich von mir ab, auch wenn ich sie selbst nicht bemerke und Menschen mich auf diesen leisen Geist aufmerksam machen. Bin ich aufmerksam? Kann ich mich innerlich mit ihm verbinden? Kann ich spüren, welche Entscheidung mich weiterbringt? Nehme ich in Begegnungen die Wellenlänge wahr, die ich mit dem Anderen teile? Das sind die Voraussetzungen, dass es mein Leben wird und ich selbst mit meinen Entscheidungen meine Route bestimmen kann. Ich muss es nicht einem Zufall überlassen. Ich muss auch nicht alles hinnehmen, denn ich bin nicht fremdbestimmt. Fremdbestimmt würde ich mich eher dann erleben, wenn ich höre, alles sei schon bei meiner Geburt festgelegt, was aus mir werden wird. Genauso gebe ich die Zügel aus der Hand, wenn ich alles, was mir passiert, dem überlasse, was wir Zufall nennen.  

Die Logik prüfen

In diesen geistigen Vorgängen steckt eine Logik, die ich entdecken konnte. Es gibt die Unterscheidung der Geister von Ignatius von Loyola. Ich habe mich in vielen Exerzitien mit dieser Unterscheidung beschäftigt. Sie hilft mir vor Entscheidungen einen guten Weg zu finden. Sie ist in der Reflexion von Erfahrungen besonders hilfreich. Um der Wellenlänge, dem Geist in mir näher zu kommen, sind auch Wallfahrten wie eine Wanderung nach Santiago de Compostella oder Rom eine gute Möglichkeit. Es muss aber nicht gleich so aufwändig sein. Manchmal genügt auch eine meditative Zeit am Tag, um dem Geist näher zu kommen, ihn zu spüren, wahrzunehmen. Ich setze mich auf eine Bank am Wasser oder in einem Park und lasse meinen Tag vor meinem inneren Auge vorbeiziehen.

  • Welche Menschen habe ich heute getroffen?
  • Wie bin ich mit ihnen in Kontakt gekommen?
  • Was hat mich heute erfreut, was ist mir gelungen, was macht mich traurig und warum?
  • Wie konnte ich Entscheidungen treffen?

In dieser Zeit der Reflexion kann ich immer auch Kontakt zu der geistigen Dimension in mir und um mich herum aufnehmen.


Kategorie: Analysiert

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